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Becksmann, Rüdiger; Korn, Ulf-Dietrich
Die mittelalterlichen Glasmalereien in Lüneburg und den Heideklöstern — Corpus vitrearum medii aevi - Deutschland, Band 7,2: Berlin: Deutscher Verlag für Kunstwissenschaft, 1992

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.52868#0156

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ISENHAGEN ■ KLOSTER

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Bibliographie: H.W.H. Mithoff, 1877, S. 109 (erwähnt zu seiner Zeit schon nicht mehr vorhandene Glasmalereien
im Kreuzgang); H. Appuhn, Isenhagen, 1966, S. 24, 27 (datiert die in der Sakristei gefundenen Scherben unter
Verweis auf ein Gutachten von G. Frenzel in die Zeit »vor 1350« und erwähnt im Ostteil der Kirche nach der
Chronik der Äbtissinnen 1612 noch vorhandene figürliche Färb Verglasungen).
Geschichte des Baues und seiner Verglasung: Die 1346 begonnene, bald nach 1366 im wesentlichen fertiggestellte
Kirche (Fig. 28) ist ein einschiffiger Backsteinbau von fünf Jochen mit einen 7/12-Schluß, der, wie die Ansätze
zeigen, gewölbt werden sollte6. Das provisorische bretterne Geweihe ist nach Eggelings Chronik 1584 über dem Chor,
1647 auch über dem Langhaus durch eine flache Bretterdecke auf Balken ersetzt worden; zu Anfang des 20. Jh.
erhielt sie eine historistische Ornamentbemalung7. Der Nonnenchor ruht in den westlichen Jochen auf einer kräftigen
Holzkonstruktion. Die schlanken, im Chorschluß ursprünglich zwei-, sonst dreibahnigen, ca. 7 m hohen Lanzettfenster
haben ihre Maßwerkunterteilung verloren und zeigen statt dessen barocke Holzrahmen. Auch von den 1612 hier
noch vorhandenen farbigen Verglasungen und figürlichen Bildern (s. 1. Chronik der Äbtissinnen, S. 64) sind keine Reste
erhalten geblieben. Gegen Ende des 15. Jh. hatte der Lüneburger Glasmaler Clawes Pape dem Rat der Stadt für
8 Mark ein großes gemaltes Fenster geliefert, das dieser den Zisterzienserinnen in Isenhagen stiftete8. Es dürfte
eines der Chor- oder Langhausfenster geschmückt haben. 1508 hatte außerdem der Abt des Michaelisklosters zu
Lüneburg der Äbtissin eine kleinere Scheibe aus der Werkstatt des Hans Wolders verehrt und den gleichen Betrag
von 8 Schillingen für eine Tafel in Isenhagen aufgewendet (s. Reg. Nr. 12).
An der Südseite der Kirche befindet sich die Klausur mit den rechtwinklig zueinander geordneten mittelalterlichen
Teilen von Nord- und Ostflügel des Kreuzgangs. Um 1518 veranlaßte Propst Friedrich Burdian wenigstens die
Einwölbung des Ostflügels; die übrigen Teile blieben weiterhin unvollendet. Vor 1877 erinnerten sich alte Leute
noch daran, daß die »Fenster des Kreuzganges ... mit Glasmalereien geschmückt« gewesen waren9.
An der Südseite der Kirche liegt östlich des Kreuzganges außerdem die ehemalige Sakristei, ein quadratischer Raum
von 3,50 X 3,50 m Größe mit einem östlich sich anschließenden polygonalen Chörlein mit unregelmäßigem 7/12-Schluß
und einem winkelförmig angelegten Vorraum, an den sich der Kapitelsaal anschließt. Wie lange dieser Raum als
Sakristei diente, ist unbekannt10. Noch in mittelalterlicher Zeit waren der Durchgang zur Kirche, der Wandschrank
östlich daneben sowie der südliche Ausgang vom Polygon ins Freie vermauert, die Altarplatte entfernt und der
Raum als Abstellkammer genutzt worden. Bei einem vermutlich vor 1448 anzusetzenden Brand stürzten Dach und
Gewölbe ein. Danach wurde der Raum nicht mehr wiederhergestellt, das über die Flucht der Ostwand des Klosterflügels
herausragende Chörlein wurde in primitiver Weise abgemauert, später sogar abgetragen. Die 1961 von H. Appuhn
zusammen mit Knut Schlegtendal und Gunnar Zeelau vorgenommenen Bauuntersuchungen führten zur Wiederentdek-
kung und Ausgrabung des Chörleins und 1963/64 zur Wiederherstellung der alten Sakristei als Barbara-Antoni-Kapelle.
Befund: In der Brandschicht auf dem Fußboden der Sakristei fanden sich 1961 u.a. Reste verkohlter hölzerner
Fensterrahmen, geschmolzene Bleiruten und zahlreiche Glasscherben; darüber lag Bauschutt, durchsetzt mit Garten-
erde, mittelalterlichen Dachziegeln und Rippenformsteinen, deren Birnstabprofil demjenigen der Kreuzganggewölbe
aus der Zeit um 1518 entsprach. Die meisten dieser Formsteine waren nie vermauert gewesen11.
Nahezu alle der 178 bei der Freilegung gefundenen alten Glasscherben sind infolge lang andauernder Einwirkung
von Feuchtigkeit beidseitig sehr stark, fast bis zur völligen Lichtundurchlässigkeit korrodiert und so mürbe gewesen,
daß vielfach die äußeren, total verwitterten Schichten abfielen und den Glaskern freigaben. Soweit möglich wurden

6 Zum Bau und seiner Geschichte vgl. wiederum die grundlegende Dar-
stellung von H. Appuhn, Isenhagen, 1966, S. 13-34 (mit zahlreichen
Grundrissen, Schnitten und Detailzeichnungen).
7 Vgl. hierzu R.-J. Grote / P. Königsfeld (Hrsg.), Raumkunst in Nie-
dersachsen, München 1991, S. 232, Kat. Nr. 57.
8 Überliefert in den verlorenen Kämmereirechnungen (Lüneburg, Stadt-
archiv, Aufzeichnungen von W. Reinecke zu AB 56 II). Vgl. auch
M. Mollenhauer, Urkundenkatalog, S. 198.
9 H.W.H. Mithoff, 1877, S. 109.

10 Zum folgenden ausführlich H. Appuhn, Isenhagen, 1966, S. 23 ff.,
Abb. S. 20.
11 H. Appuhn (s. Anm. 10) vermutet, daß der Bauschutt, der 1518 beim
Einwölben des Kreuzgangs anfiel, zunächst in dem unvollendet gebliebe-
nen Winkelraum westlich und südlich der Sakristei aufgehäuft und mög-
licherweise erst im 19. Jh. in das zerfallene Chörlein außerhalb des Ost-
flügels befördert wurde. Dies könnte auch den hohen Anteil an neuzeit-
lichem Glas erklären, wenn man voraussetzt, daß in dem offenbar unge-
nutzten Raum auch weiterhin Bauabfalle gelagert wurden.
 
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