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Becksmann, Rüdiger; Korn, Ulf-Dietrich
Die mittelalterlichen Glasmalereien in Lüneburg und den Heideklöstern — Corpus vitrearum medii aevi - Deutschland, Band 7,2: Berlin: Deutscher Verlag für Kunstwissenschaft, 1992

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https://doi.org/10.11588/diglit.52868#0269

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RAMELSLOH • STIFTSKIRCHE

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Zehnte bei Harsefeld im Erzstift Bremen, in der holsteinischen Haseldorfer Marsch und im Land Stormarn um
Steinbek, außerdem war das Stift an der Lüneburger Saline beteiligt und bezog Geld- und Kornrenten aus Höfen
in den Ämtern Harburg und Winsen.
Der Einführung der Reformation durch Herzog Ernst den Bekenner, der seine Visitationsreise 1529 in Ramelsloh
begann, setzte das Stift hinhaltenden Widerstand entgegen. Der Herzog beschlagnahmte zwar einen Teil der Stiftsein-
künfte, um damit den evangelischen Prediger zu besolden, doch zog er — anders als bei den reichen lüneburgischen
Frauenklöstern — die ohnehin bescheidenen Güter nicht ein, löste auch das Stift nicht auf, sondern vergab die Präbenden
an verdiente Räte und Beamte und deren Söhne. Die Streitigkeiten wurden 1540 im Rezeß von Medingen beigelegt.
Fortan betrug die Zahl der residierenden Domherren meist nur noch vier, doch wurden später, mit schwindender
Wirtschaftskraft, einige Präbenden und Vikarien zusammengelegt. Im frühen 19. Jh. empfand man die Existenz der
hannoverschen Mannsstifter in Ramelsloh, Bardowick, Wunstorf und Einbeck zunehmend als unzeitgemäß.
1863 übernahm die Klosterkammer die Aufsicht über diese Stifte. Die Landesverfassung von 1848 sah die Auflösung
der Mannsstifter vor. Ein entsprechendes Gesetz folgte 1850, doch erst 1863 wurde das Stift Ramelsloh formell aufgeho-
ben; das Stiftsvermögen fiel an den Allgemeinen Hannoverschen Klosterfonds.
Bibliographie: H. W.H. Mithoff, 1877, S. 230 (erste ausführliche Beschreibung und Würdigung der Chorverglasung;
erwähnt die »meist zerbrochenen Wappen« und schließt auf fürstliche Stiftungen, nennt die Jahreszahl 1488 in Fenster
nord II und datiert die Farbverglasung ans Ende des 15. Jh.); H. Schmitz, 1913, I, S. 83 (nennt im Zusammenhang
mit den beiden lüneburgischen Apostelscheiben im Kunstgewerbemuseum »derb ausgeführte Scheiben in den Kirchen
von Walsrode 1483 und Ramelsloh 1487« als Beleg für die Tätigkeit Lüneburger Glasmaler); VC. Habicht, Kunstkreis,
1930, S. 378 (rechnet die Ramelsloher Fenster irrtümlich zu einer »stilistisch eng verbundenen Gruppe südniedersächsi-
scher Glasmalereien der Zeit um 1470-1480«); H. Wentzel, Meisterwerke, ^954, S. 70, nof. (spricht von den
»Breitkompositionen der Jugendgeschichte Christi« und schreibt sie der gleichen Lüneburger Werkstatt zu, aus der
die Fenster von Kloster Neuendorf, die Apostelreihe im Kreuzgang von Kloster Lüne, die Fragmente in Bardowick
und die Scheiben des Berliner Schloßmuseums stammen); D. Brosius, Zur Geschichte des Stifts Ramelsloh im Mittelal-
ter, in: Lüneburger Blätter 25/26, 1982, S. 61—64, 66f. (behandelt anhand der Akten im wesentlichen die Fensterstiftung
von 1601 f., die weiteren Geschicke der Fenster vom 17.—19. Jh. und nennt im Zusammenhang mit der Restaurierung
durch das Kgl. Institut für Glasmalerei in Charlottenburg den Kölner Maler Michael Welter als Entwerfer der Ergänzun-
gen).
Gegenwärtiger Bestand: Die drei Fenster des Chorpolygons enthalten in jeweils drei Bahnen zu neun Zeilen
insgesamt 40 Scheiben mit zweifelsfrei mittelalterlichem Glasbestand. Davon entfallen vierzehn Scheiben auf Fenster
I (Fig. 63—65, Abb. 184, 186, 191, 195, i98f.), fünfzehn Felder auf Fenster nord II (Fig. 66—68, Abb. 188—190, 194,
196b.) und elf Felder auf das Fenster süd II (Fig. 69-71, Farbtaf. XII, Abb. 185, 187, 192b, 2oof.). Jeweils vier
Wappenscheiben in den Feldern 1/2 a-c stammen aus den Jahren 1603/4 (mit Ergänzungen und Zufügungen des
19. Jh.), alle übrigen gehören zur Restaurierung von 1888/89. Vier Scheiben des Fensters I sind mit großer Wahrschein-
lichkeit dieser Restaurierung zuzuweisen. Die unbemalten, mit blanken Rauten verglasten Zwickelfelder und Kopfschei-
ben der Lanzetten (insgesamt zehn) sind dabei nicht mitgezählt, da hier ohne Nahsicht-Untersuchungen nicht zwischen
mittelalterlichem und neuzeitlichem Glasbestand unterschieden werden kann.
Die beiden 1888 restaurierten Südfenster des Chores (süd III, süd IV)3 enthalten in einer Blankverglasung 42 Wappen-
und zwei Inschriftscheiben, die wie die jüngeren Wappenscheiben in den drei östlichen Chorfenstern von Angehörigen
des braunschweig-lüneburgischen Herzogshauses und seinen fürstlichen Verwandten sowie von Geistlichen, Äbtissin-
nen, lüneburgischen Adligen und Räten in den Jahren 1603/4 gestiftet worden sind4. In die beiden Fenster in der
Westseite der Sakristei sind zwei Rundscheiben des späten 16. oder frühen 17. Jh. mit den Wappen des Herzogtums
und der Stadt Lüneburg mit der Umschrift De: Rath :Tho: Luneburgk: eingesetzt. Diese jüngeren Wappenscheiben
bleiben im Rahmen des CVMA unberücksichtigt.
3 Inschrift in Fenster süd IV, 8b: ■ Renovirt ■ \vom\Kgl ■ Inst ■ f • 4 Da es sich um bemerkenswerte Zeugnisse der spärlich erhaltenen lüne-
Glas\malerei ■ £ • Berlin •[: 1888: burgischen Glasmalerei aus nachmittelalterlicher Zeit handelt, deren ein-
 
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