Metadaten

Becksmann, Rüdiger; Korn, Ulf-Dietrich
Die mittelalterlichen Glasmalereien in Lüneburg und den Heideklöstern — Corpus vitrearum medii aevi - Deutschland, Band 7,2: Berlin: Deutscher Verlag für Kunstwissenschaft, 1992

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.52868#0291

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
190

WALSRODE • KLOSTER

Markgraf Johann von Brandenburg eine Kollekte in seinen Landen, ebenso der Bischof von Minden in der gesamten
Diözese4.
Die Zahl der Klosterinsassen wuchs schnell auf über 80 im Jahre 1494; 1518 waren es außer der Priorin 31 Nonnen,
fünf Novizinnen und 20 Laienschwestern, die damals in die Bruderschaft des römischen Hospitals St. Spiritus in
Saxia de Urbe aufgenommen wurden.
Ostern 1528 hielt der Prediger Henning Kelp die erste lutherische Predigt in Walsrode; im folgenden Jahr ließ
sich Herzog Ernst der Bekenner auf seiner Visitationsreise durch die lüneburgischen Klöster von Propst Johann
Wichmann frywillich und unbenodigett die Verwaltung des Klosters abtreten. Dies wurde mit den gegenwärtigen unruhigen
Zeitläuften und der Leibesschwachheit des Inhabers begründet5, doch setzte der Herzog den ehemaligen Propst gleichzeitig
als Vorsteher und Verweser desselben ein. Ihm folgten später fürstliche Amtmänner. 1532 mußte die Domina Anna
Behr den herzoglichen Boten die nicht zum Gottesdienst benötigten »Kleinodien« des Klosters ausliefern.
1625 umfaßte der Konvent 34 Chor Jungfrauen und 16 Laienschwestern; bis 1691 sank die Zahl auf zwölf Konventualin-
nen einschließlich der Domina. 1699 verfügte Herzog Georg Wilhelm von Celle, daß die Stellen im freiweltlichen
Fräuleinstift künftig den Töchtern der adligen Landsassen des Fürstentums Lüneburg allein vorbehalten sein sollten.
Dies wurde 1711 von Kurfürst Georg Ludwig bestätigt. Seit 1734 führt die Domina den Titel Äbtissin. Das in
der Reformation aus dem Klostergut entstandene Amt Walsrode wurde 1835 aufgehoben und mit der Amtsvogtei
Fallingbostel verbunden. Das Damenstift ist bis heute rechtlich selbständig; es untersteht der Aufsicht des Präsidenten
der Klosterkammer in Hannover als Landeskommissar für die lüneburgischen Klöster6.
Von den mittelalterlichen Baulichkeiten ist außer dem Klosterchor südlich der 1847—1850 neuerrichteten Pfarrkirche,
dem ehemaligen Kapitelhaus aus der Zeit nach 1483 (seit 1910 »Remter«) an der östlichen Klostermauer und dem
1475 erwähnten älteren Remter oder Speisehaus im östlichen Teil des Geländes am »Küchengraben« nichts erhalten7.
Die Gebäude um den Kreuzhof waren 1717 so baufällig, daß der Herzog den Abbruch befahl. An ihrer Stelle
wurde 1719/20 das winkelförmige Gebäude des »Langen Gangs« mit sechs Stiftsdamenwohnungen nach Entwurf
von Johann Caspar Borchmann errichtet8. Das alte Äbtissinnenhaus östlich des Klosterchors und das alte Brau-
und Waschhaus (jetzt Klosterwärterwohnung) westlich des älteren Remters wurden 1730 erneuert. Als Äbtissinnenwoh-
nung dient seit 1974 das ehemalige von Bothmersche Haus im westlichen Teil des Klostergeländes.
Bibliographie: H. W.H. Mithoff, 1877, S. 267 (kurze Beschreibung der Fenster, »die zu den besten Arbeiten dieser
Art im Lüneburgischen gehören«); C. Wolff, Kdm. Hannover III, 1, 1902, S. 176!. (bezeichnet die drei Ostfenster
als »beachtenswerthe, dem Ende des XV. Jahrhunderts angehörende, zum Theil erneuerte Glasgemälde«; nennt
auch die kleinen Wappen- und Figurenscheiben in den Südfenstern sowie die Maßwerktondi mit dem Lüneburger
Stadtwappen und Gottvater; bildet eine Kopie der Georgsscheibe des Frederick Berghe in s IV, la ab); H. Schmitz,
1913, I, S. 83 (»derb ausgeführte Scheiben« von 1483 als Beleg für lüneburgische Glasmalerei); VC. Habicht,
Kunstkreis, 1930, S. 577^ (»formal eng verwandt« den Gestalten der Hll. Georg und Alexander in Wienhausen
um 1490, die er nach Lüneburg lokalisiert); H. Appuhn, Alte Glasmalereien in der Klosterkirche zu Walsrode,
in: Heimat-Kalender für die Lüneburger Heide 195 3, S. 32-34; H. Wentzel, Meisterwerke, 2i954, S. 70, 102, Abb. 228
(vermutet wegen der niederländisch-rogierschen Stilprägung eine Ausbildung des Meisters der Kreuzigung in einem
elsässischen Atelier); J. Skowranek, Kloster Walsrode — ein Baudenkmal und seine Kunstwerke, Walsrode 1979,
S. 3, Abb. S. 17 (sieht im Kreuzigungsfenster »die gewollte Überlieferung des Heiligkreuzaltars der ältesten Stiftska-
pelle«; hält den Hl. Benedikt in südost II für stilistisch jünger als die Kreuzigung und Johannes Bapt.); U.-D.
Korn, in: 1000 Jahre Kloster Walsrode, Hannover 1986, S. 65—89 (erste umfassende Behandlung des gesamten Schei-
benbestandes mit farbigen Abb. aller drei Ostfenster; Erörterung der Stifterfrage und Klärung der Werkstattzusammen-
hänge); D. Brosius, in: Germania Benedictina XI, St. Ottilien 1984, S. 539 (Erwähnung).
4 Walsroder UB, 1859, Nr. 336, 339. 7 Zu den Klostergebäuden vgl. die Angaben bei J. Skowranek (s.
5 D. Brosius, in: Reformation vor 450 Jahren. Eine lüneburgische Ge- Anm. 1), 1979, S. 1—10.
denkschrift, Lüneburg 1980, S. 103. 8 G. Dehio, 1977, S. 945. - Bereits 1715 wurde ein Neubau geplant,
6 Vgl. Der Allgemeine Hannoversche Klosterfonds und die Klosterkam- zu dem der holländische (?) Architekt J. Alblas einen Riß lieferte, den
mer Hannover, Hannover 1975, S. 74—82. J. C. Borchmann in einem ausführlichen Promemoria einer vernichtenden
Kritik unterzog. (HStA Hannover, Celle Br. 49, Nr. 356).
 
Annotationen