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Becksmann, Rüdiger; Korn, Ulf-Dietrich
Die mittelalterlichen Glasmalereien in Lüneburg und den Heideklöstern — Corpus vitrearum medii aevi - Deutschland, Band 7,2: Berlin: Deutscher Verlag für Kunstwissenschaft, 1992

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https://doi.org/10.11588/diglit.52868#0307

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202

WALSRODE • KLOSTER

weißer Drache in einer Höhle. Links oben kniet vor radiertem
blauen Rankengrund die weißgekleidete Prinzessin mit dem wei-
ßem Lamm zu ihren Füßen; rechts erscheint auf dem roten Turm
mit weißer Tür das Königspaar, ebenfalls weiß. Haar, Kronen,
Szepter sowie die Kachelscheiben der Rüstung des Heiligen,
seine Lanze und das Schellengeschirr an der Hinterhand des
Pferdes silbergelb.
Der gelehnte Schild des Stifters überdeckt weitgehend den
unteren Rahmen, das Schriftband in der Mitte und noch das
untere Viertel des Bildfeldes.
Stil, Datierung: Die Komposition folgt einem weitverbreiteten
Schema, das vermutlich aus der flämischen Buchmalerei der Zeit
um 1400 stammt, hier aber in vereinfachter und ausgeschriebener
Form erscheint41. Rankengrund, Laubstabrahmen und Rasenbo-
den sowie die Schrägstreifenmusterung des Prinzessinnenkleides
schließen die Scheibe eng an die beiden kleinen Figurenscheiben
in Chor süd III, ta/b an; die Gesichtszeichnung zeigt die gleiche
Hand wie beim Hl. Michael. Die Derbheit der Ausführung
spricht für schwächere Mitarbeiter in der Lüneburger Werkstatt
des Meisters des Kreuzigungsfensters. Das nur auf der Ergän-
zung des 19. Jh. überlieferte Datum 1490 wird zutreffen42.
CVMA W 4545; B 1168 (vor Rest.)
ib HLL. BENEDIKT (?) UND SCHOLASTIKA MIT
STIFTER WAPPEN Fig. 78, Abb. 213
Rechteckige Kabinettscheibe in Blankverglasung. H. 42 cm, B.
31 cm.
Inschrift: In derber gotischer Minuskel zu Füßen der rechten
Figur: scolastika.
Erhaltung: In der im 19. Jh. sehr stark ergänzten Scheibe sind
nur die Figur der Scholastika, Teile des Wappens und das untere
Drittel der linken Figur alt. Diese ist eine genaue spiegelbildliche
Wiederholung der Scholastika.
Ikonographie: Scholastika trägt die mittelalterliche Nonnentracht
mit weitärmeliger Flocke, Wimpel und Schleier, über diesem
einen mit Kreuzen besetzten Reif43. Das Regelbuch kennzeichnet
sie als Äbtissin. Ihr zu zwei Dritteln ergänztes Gegenüber wird
ursprünglich wohl keine Benediktinerin dargestellt haben, son-
dern ihren Bruder, den Hl. Benedikt, der häufig mit ihr zusam-
men erscheint.
Der goldene Schild mit dem roten, quergelegten Adlerflügel,
darauf ein goldener Kleestengel, ist das Wappen der Herren von
Hodenberg (vgl. s III, 1 a).
Komposition: Die beiden Figuren stehen einander zugewandt,
aber auffallend weit auseinandergerückt, so daß sie die Rahmen-
leiste überschneiden. Zwischen ihnen, die Füße teilweise über-
deckend, der gelehnte Stifterschild, der zur Hälfte den unteren
Rahmen überdeckt. Bildfeld mit Rankengrund, Rahmen mit
Laubstab und Eck vierblättern.
Farbigkeit, Technik: Die beiden Heiligen sind aus weißem Glas
geschnitten, die Flocken schwarz abgedeckt. Nimbus, Buchdek-
kel und -schnitt sowie Standfläche silbergelb. Rankengrund rot-
violett, Rahmen weiß, unten und rechts mit silbergelbem Stab;
die Eckvierblätter zeigen ein helles Graublau.
Das Ausradieren der Faltenzüge aus der schwarz abgedeckten
Flocke ist ungewöhnlich. Der Kleestengel im Adlerflügel des
Wappens ist aus dem Rotüberfang geschliffen und rückseitig
mit Silbergelb eingefarbt.

Stil, Datierung: Die ungelenke und derbe Zeichnung der wenigen
alten Teile erschwert eine sichere Beurteilung; sie weicht sehr
stark von Stil und Handschrift der übrigen kleinen Figurenschei-
ben und dem allgemeinen Bild der lüneburgischen Glasmalerei
um 15 00 ab. Die Scheibe kann auch in einer anderen norddeut-
schen Kleinwerkstatt von begrenzter Leistungsfähigkeit entstan-
den sein.
CVMA W 4548; B 1171 (vor Rest.)

AB SEGNENDER GOTTVATER Fig. 79, Abb. 209
Scheibenfragment. Originale Teile: H. 56 cm, B. 28 cm.


Erhaltung: Randstreifen und Laubstab sind Zufügungen des
19. Jh.; gleichzeitig wurden zwei Stücke im Nimbus und im
Strahlenkranz ergänzt.
Ikonographie, Komposition: Der segnende, bärtige Gottvater mit
der Weltkugel in der Linken folgt dem geläufigen Typ. Die
leicht nach links gewendete, aus einem Wolkenband herausra-
gende und von einer fast kreisrunden Gloriole umgebene Halbfi-
gur legt die Vermutung nahe, das Fragment könnte der letzte
Rest einer ursprünglich die Fensterbahnen füllenden Verkündi-
gungsdarstellung gewesen sein (vgl. auch S. 185).
Farbigkeit: Gottvater trägt über purpurfarbenem Gewand einen
leuchtend roten Mantel. Inkarnat weiß. Weltkugel und Strahlen-
kranz stehen goldgelb gegen hellblaue Wolken. Der helle, stahl-
blaue Nimbus trägt in dem alten Teil ein silbergelbes Blattkreuz.
Technik, Stil, Datierung: Die im Detail sehr plastische Modellie-
rung mit dichten Schattenschraffuren, den aus einem halbdek-
kenden Überzug radierten hellen Faltenstegen und den in dichten
Strichlagen radierten Höhungen, die brillante Farbigkeit und
der handschriftliche Duktus entsprechen — bis hin zur Wieder-
gabe des Geäders auf dem Handrücken — dem Benediktfenster
(s. S. 194!.). Die Scheibe stammt zweifellos von derselben Hand
und wird etwa gleichzeitig entstanden sein.
CVMA W 4549; B 1172 (vor Rest.)
Ulf-Dietrich-Korn

41 Vgl. etwa das Stundenbuch des Jean le Maingre vom Boucicaut-Mei-
ster, um 1405 (S. Braunfels-Esche, Sankt Georg, München 1976,
Abb. 165) oder das Duarte-Stundenbuch, um 1428-43, (E. Panofsky,
Early Netherlandish Painfing, Cambridge 1953,1, S. 122; II, Abb. 194).
42 C. Wolff, Kdm. Hannover III, 1, 1902, S. 77, Fig. 66, gibt nicht
die hier behandelte Scheibe wieder, sondern eine in vielen Einzelheiten
leicht veränderte Kopie des 19. Jh., bei der auch der etwas unglückliche
Scherben mit der Jahreszahl stilgemäßer korrigiert ist. Vermutlich ist
die Kopie während der Restaurierung der Fenster im 19. Jh. angefertigt
worden; im Kloster Walsrode ist sie nicht mehr nachweisbar.
43 J. Braun, 1943, Sp. 639; LCI VIII, 1976, Sp. 513—315.
 
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