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Becksmann, Rüdiger; Korn, Ulf-Dietrich
Die mittelalterlichen Glasmalereien in Lüneburg und den Heideklöstern — Corpus vitrearum medii aevi - Deutschland, Band 7,2: Berlin: Deutscher Verlag für Kunstwissenschaft, 1992

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https://doi.org/10.11588/diglit.52868#0361

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246

WIENHAUSEN • KLOSTER

Der übrige Bestand der meist kleinen und kleinsten Scherben dieses Fundes enthält siebzehn bemalte Stücke
(Abb. 293)125. Zwei (Nr. if.) sind nach Glasart und gestupfter Bemalung in das späte 15. Jh., die übrigen in die
1. Hälfte des 14. Jh. zu datieren. Vier Scherben (Nr. 3, 5, 9, 11) stammen aus Gewandpartien, einer (Nr. 4) gehört
vermutlich zu einem Kopf; mit seinen schwungvoll gezeichneten rotbraunen Linien auf hellrosa Glas erinnert er
stark an die Haarzeichnung in den Scheiben der zweiten Werkstattgruppe im Chorgang (s. S. 220)126. Scherben
Nr. 12 ähnelt mit seinem Punktrosettenmuster auf rotviolettem Glas zwar der Borte des Noli me tangere im Chorgang
(Abb. 237), muß aber wegen des anderen Zuschnitts und des schräg verzogenen Ornaments aus einem anderen
Zusammenhang stammen. Teil einer solchen Borte dürfte dagegen Scherben Nr. 16 mit dem sonst in Wienhausen
nicht belegten Muster einer ausradierten Blattranke auf kobaltblauem Glas sein. Fragment Nr. 7 gehört wie die
Rosettenfragmente (Nr. i3f.) zu den Ornamentgrisaillen der ersten Nonnenchorverglasung (s. S. 236); das gelbe Frag-
ment (Nr. 10) könnte Teil einer kleinen Adlerscheibe aus Fenster SÜD IX (Abb. 214) sein. Nicht näher einordnen
lassen sich die beiden moosgrünen Scherben Nr. 6 und 8.

2. Der Scherbenbestand aus dem Grossen Armarium

Gingen im Kloster Glasgemälde durch Alter oder Unglücksfälle mannigfacher Art zu Bruch oder wurden beschädigte
Scheiben repariert, so hat man die defekten Stücke nicht weggeworfen, sondern sorgsam aufbewahrt. Auf diese
Weise kam im Laufe der Zeit ein rund 200 Fragmente umfassender Bestand zusammen, der 1967 im Großen Armarium
lag. Darunter befand sich auch die noch fast vollständig erhaltene Wappenscheibe des Cord Lange (Abb. 253), die
1968, restauriert und vervollständigt, in das südliche Fenster des Glockenganges eingesetzt worden ist.
Der gesamte Bestand war 1967 gesichtet und 1985 im Westfälischen Amt für Denkmalpflege, Münster, geordnet,
bearbeitet und photographiert worden. Er umfaßt mehrere Scherbenkomplexe, die sich, wie folgt, erhaltenen bzw.
überlieferten Farbverglasungen zuordnen lassen:
— Fragmente aus der ersten Hälfte des 14. Jh., meist aus den Fenstern des Chorgangs bzw. des Glockengangs sowie
des Nonnenchores (Abb. 281 f.)
— Scherben aus dem späten 15. Jh. in der Art des Töbing-Fensters von 1471 im Nonnenchor (Abb. 284)
— umfangreiche Reste von Wappenscheiben aus dem zweiten Jahrzehnt des 16. Jh. (Abb. 285, 290, 292, 294), die
sich der erhaltenen Serie im Kapitelsaal und einzelnen Zellenfenstern zuordnen lassen, jedoch nur zum Teil abgebildet
werden
— eine Gruppe von Bruchstücken (Abb. 284), die sich nicht näher bestimmen bzw. keinem der genannten Scheibenbe-
stände zuweisen lassen.
Im ersten Komplex (Abb. 281) fallen neben roten, weißen und purpurvioletten Gewandteilen (Nr. 1—4, 13—15, 20)
zwei lappig marmorierte, smaragdgrüne Scherben (Nr. 6f.) auf, die an die Marmorierung des Sarkophags Christi
in der Auferstehungsscheibe der Allerheiligenkapelle (Abb. 220) erinnern, wegen der abweichenden Farbgebung jedoch
nicht aus dieser Scheibe stammen können. Zwei Gesichtsfragmente (Nr. 9 h) gehören augenscheinlich zu ergänzten
oder verlorenen Figurenscheiben der zweiten Werkstattgruppe im Chorgang, während die bärtige Kinnpartie (Nr. 11)
auf Grund der skizzenhaften Malweise einer Scheibe der ersten Werkstattgruppe zuzuweisen ist, ebenso wie das
grüne Gewandfragment Nr. 17 (vgl. Abb. 228, 236). Für das ausradierte Treppengittermuster auf blauviolettem Glas
(Nr. 19) fehlen Vergleichsstücke, ebenso für die ausradierte Vierblattborte auf grünlichweißem Grund (Nr. 21;
Abb. 282). Neben ihr stehen zahlreiche Fragmente aus dem Nonnenchorfenster SÜD IX (Abb. 214): Stücke der

gen wie seine Thematik legen vielmehr eine Herkunft aus der 1510
auf Veranlassung von Anna von Nassau, Herzogin von Braunschweig-
Lüneburg, verlegten und 1531 von Herzog Ernst den Bekenner zerstör-
ten Annenkapelle nahe. Vgl. hierzu K. Maier, Kdm. Wienhausen, 1970,
S. 6if. Spätestens zu diesem Zeitpunkt könnte das Fragment, aus seinem
ursprünglichen Zusammenhang herausgelöst und andachtsbildartig ge-
rahmt, bewahrt worden und in dieser Funktion mit den zahlreichen
anderen Gegenständen der privaten Andacht unter die Bohlen des Chor-
gestühls geraten sein (angemerkt von R. Bbcksmann).

125 Die Abbildung zeigt nur sechzehn Stücke; ein dunkelpurpurvioletter
Scherben mit Gewandzeichnung war so opak, daß von einer Aufnahme
abgesehen wurde.
126 Da die Südfenster des Nonnenchores um 1330 ganz ornamental ver-
glast worden waren, belegen diese Scherben die oben ausgesprochene
Vermutung (s. S. 235), daß das Westfenster um 1330 eine zu Teilen
figürlich-architektonische Farbverglasung erhalten hat, die — dem Befund
zufolge — von der für den Kreuzgang tätigen Lüneburger Werkstatt
geliefert worden sein muß (angemerkt von R. Bbcksmann).
 
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