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_ yvVolksbote“ Heidelberg. Anzeigenpreis : Die

_ Redaktion der „Neuen Bad. Landesztg."
î wird. Es verlohnt sich nicht der Mühe, auf den ge-
wöhnlichen Klatſch und Quatsch auch nur mit einem



.1 Der „Deutſche Volksbote“ erscheint zweimal
td zt ue "Letttntickeäie

ßb-geſpaltene Petitzeile 10 Pfg.

D Hadiſer Volksbote. + Wacht am Rhein. 2-



Preis vierteljährlich durch den Briefträger
: feti f zus eh czy me 1 heit:
berg 1 Mk., von unserer Expedition abge-

holt 80 Pfg. Poſtzeitungslifte Nr. 1942.



FH 81.
| * Zu den badiſchen Landtagswahlen.

Der immer wieitere Fortſchritte machende Anti-
semitismus der deutſch-sozialen Reformpartei verursacht
nicht nur den Nationalliberalen, sondern allen links
stehenden Parteien großes ztopfweh. Ganz aus dem

Hâäuſel ift die Haupt-Judenpartei, diejenige Partei
welche ſich ſelbſt „deutſch" und ,freiſinnig“ schimpft.

IJhr Hauptorgan in Baden, die „Neue Badiſche

. Landeszeitung" des Hebräers Bensheimer in Mann-
heim, iſt ganz geſchwollen von ihrem eigenen Gift, das

sie für die ſchlimmen Antisemiten immer bereit hat.

_ Die Sonntagsnummer ſtellt regelmäßig zu einem großen
Teil einen bloßen Abklatsch des Denunziantenvereins-

Hlättchens dar, welches der Kürze halber gewöhnlich
uvJudenſschutzblatt“ genannt zu werden pflegt.

Freilich müssen wir dahingeſtellt sein lassen, ob nicht
das Judenſchutzblatt ſelbſt zum größeren ZÔt e pr

Worte zu antworten, uns genügt die Thatsache,
die Juden uns hassen und fürchten.
_ Hie groß dieſe Angst ist, das erſieht man wieder
recht deutlich aus einem Artikel des Bensheimerſchen
Blattes, der sich mit der bevorſtehenden Wahl in
Karlsruhe beſchäftigt. Es heißt da: ..j
_ „. .. . Man war im Gegenteil (in der Baden-

daß

_ Hadener Vertrauensmänner-Verſammlung und in der
kürzlichen Sitzung des geſchäftsführenden Partei-Aus-

schusses) der einmütig en (!) Ansich, daß vor

| î A. llem(!) die nat.-lib. Landtags mehrheit ge-

brochen wer den müſs e, und daß man nur in

Heidelberg-Land, um die Wahl eines Anti s emiten(1)

zu verhindern, den Nationalliberalen unter-
Htügtzen (!) könne = aber auch letzteres ſelbſtverſtänd-

lich ohne Anspruch auf irgend eine Gegenleistung." |

„Erkläre mir, Graf Orindur, diesen Zwiespalt

‘der Natur!“. – Also „die nationallib. Kammermehr-

dYeit muß «eigentlich unter allen Uw-

; ftänden gebrochen werden, aber da unsere

Partei eine Jud enpart ei iſt und aus der
Jud enkr ippe frißt, darum wollen wir lieber den
RNationalliberalen wieder zur Mehrheit in
Der Kammer verh elfen und auf Einführung des
. direkten Wahkhlrechtes verzichten , ehe wir einen
‘Gegner der Juden, wenn auch nur passiv unterſtützen."
Das iſt offenbar der Gedankengang bei den freiſinnigen

_ Pearteiführern.

Noch greller wird die Selbstbeleuchtung des frei-

innigen Blattes durch die Erklärung, daß die frei-



innige Partei von Herzen gerne bereit sei, in Karls-
ruhe einem Sozial d em okr aten (!) zu einem
Landtagsmandat zu verhelfsen. ~ Also ein Anti-



Heidelberg, Vamſtag den 31. Juli 1897.

se mit, der doch auch für das d i r e kte Wahlrecht
eintritt und zudem für Thr on und Altar kämpft,
iſt ein „größeres Uebel‘ als ein S ozialdemofkrat,
der gegen das Chriſtentum,- gegen Kaiſer und
Großherzog und gegen die ganze staatliche Ordnung

ankämpft. Deutlicher läßt sich die inn er e Gemein-
ſchaft zwiſchen den Linksliberalen mit den Sozialdemo-

kraten wohl nicht darlegen. Das gemeinsame Band
aber iſt das internationale Jud entum, das
tyranniſche Gewalt in beiden „freiheitlichen“ Parteien
ausübt und ein Interesse daran hat, daß die innere

staatliche Entwickelung nicht in ruhige Bahnen gelenkt

wird. Das Unglück anderer iſt das Glück des Juden.

Die Stellungnahme der Freiſinnigen zu unserer
antisemitischen D.- s. Reformpartei empfehlen wir bei
den Wahlen unseren Gesinnungsgenoſsen in Baden
zur B e achtung, denn wenn uns die freiſinnige
Wichtigthuerei auch nur ein mitleidiges Lächeln ent-
locken kann, so ist es vielleicht nicht unangebracht, den
Herren Freiſinnigen zu zeigen, daß es auch noch in
anderen Wahlbezirken Antisemiten giebt, die dann den
Nationalliberalenals ein kleineres Uebel betrach-

ten könnten, als einen freiſinnigen Juden oder ver-

judeten Freisinnigen. i :

Einen ähnlichen Witz wie Herr Bensheimer leistet
sich au<rh Herr Löb So n nemann in Jeruſalem am
Main, indem die „Frankf. Ztg.° vorſchlägt, in Heidel-
berg-Land einen ,„volksparteilichen zugkräftigen Kandi-
daten“ zwischen die beiden ,„Agrarier Mampel und
Schuh“ zu stellen, „der ſich der Stimmen des Zen-
trums wie der Sozialdemokraten neben den volkspar-
teilichen Stimmen beider Richtungen versichert halten
kann." Vielleicht entschließt sich Herr B enshe imer
in selbſteigener Perſon das Opfer einer Kandidatur
für den Altar der Synagoge zu stiften. Wenn das
nicht zieht, zieht garnichts mehr.

Herr Bensheimer sowohl wie Herr Löb Sonne-
mann sind eigentlich etwas zu voreilig; denn noch iſt
Herr Stabhalter S chu h nicht als nationalliberaler
Kandidat proklamiert worden. In seiner Abwesenheit
wurde er zum Kandidaten auserkoren, unter der Vor-
aussetzung, daß er die Kandidatur annehmen werde.
Da ſich die nationalliberale Preſſe bis jetzt jedoch
über die Entſchließung des Herrn Schuh ausſchweigl,
ſo nehmen wir an, daß dieser noch keine diesbez. Er-
klärung abgegeben hat. Wir haben infolgedessen vor-
läufig noch keine Veranlassung, uns über eine Kandi-
datur Schuh auszuſprechen. ;

Was den 47 Wahlbezirk (Heidelberg-Wiesloch)

anlangt, so fand, wie unsere Leſer wissen, am vorigen

Sonxrtag in Kirchheim eine Besprechung unter einer
zu diesem ¿Zzweckperſönlich eingeladenen Anzahl ländlicher
Vertrauensmänner unserer Partei ſtatt. Es wurde die
Aufstellung einer antisemitiſchen Kandidatur beſchlofsen,



S. Jahrgang.

und fand der Vorschlag eines Kirchheimer Parteige-
noſſen, Herrn Fabrikant W. Köster aus Heidel-
b e r g die Kandidatur anzutragen, einhellige Zuſtim-

mung. Herr Köſter, der der Verſammlunn ls.

Parteivorsitzender beiwohnte, erklärte ſich bereit, dem
Ruſe der Partei Folge zu leiften, wenn fich kein ge-
Gf" or dea Bedit führte, §uklamicrte ſobtrs vii
ziell Herrn W. Köſter als Kandidaten der Deutſch-
sozialen Reformpartei für den 47. bad. Landtagswahlbe-

| zirk. Begeiſtert stimmten alle Anwesenden ein in ds
dreifache Heil, das der Vorsitzende auf den nunmein.

gen Kandidaten Herrn Köſter ausbrachte. Dieser ent-
wickelte ſodann in etwa zweistündiger, fesselnder Rede
die Ziele, die er, falls er in den Landtag einziehen
würde, zu verfolgen beftrebt sein werde.
kigen Worte machten allgemein großen Eindruck, der

ſich wiederholt durch lauten Beifall kund gab. Man

erhielt die Ueberzeugung, daß Herr Köſter ohne

Menschenfurcht für das Wohl seiner Wähler in de.

2. bad. Kammer eintreten werde. „Furchtlos unn
lreu," nach diesem Wahlspruch, so ſchloß der Redner,
werde er handeln; als alter Soldat und unabhängiger

Mann werde er ſich auch nicht ſcheuen, unnachsichtig

vorhandene Schäden aufzudecken, und was er verſpro-
chen habe, das zu halten sei er von jeher gewöhnt.

Seinem Worte wie seinen Wählern werde er sten.

Treue hatten: wird unter den Parteigenossen die Kan-
didatur des Herrn Köſter für eine sehr glückliche ge-

halten. Nachdem seitens der Antisemiten ſchon ein

Landwirt, Herr Stabhalter Pfiſterer, in den
Landtag entsandt, und in Herrn M a mp el aus Kirch-

heim ein weiterer La ndw irt als Kandidat augen.

stellt worden ist, die beide aus ihrer praktiſchen Er-
fahrung heraus Vorschläge zur Besserung der bäuer-
lichen Verhältniſſe zu machen, hervorragend befähigt
sind, iſt es gewiß von großem Werte, außerdem einen
solchen Vertreter der deutſch-sozialen Reformpartei ab-

zuordnen, der auch in ſtaatsrechtlichen und sonsſttgen.

rein politiſchen Fragen bewandert iſt. Durch das

Zuſammenarbeiten reſp. durch die Teilung der Arbe.

unter den Genannten wird ein umso größerer
E rf olg für die Durchführung unserer politiſchen und
wirtſchaſtlichen Ziele in Baden gesichert. Herr Köſter,
der ja auch Mitglied des Bundes der Lan d-
w irte iſt, hat ſich zudem seit Jahren eingehend mit

landwirtschaſtlichen Fragen beschäftigt, ſo daß er fir

sich allein auch schon das volle Vertrauen der länd-
lichen Wähler beanspruchen darf. .
Wie in Heidelberg-Land, so gehen wir auch in
Heidelberg-Wiesloch mit frohem Mute in den Wahl-
kampf, uud lassen uns durch liberale und demokratische
Preßmanöver nicht verblüffen. Unsere Parteiziele



JFeuilketon.



Der Eine und der Andere.

_ Erzählung von Hans Warring.

Rudolf Schreiner wurde nicht nur der Lieblings-

| t schüler des Lehrers, der ihn für manche anderweitig
nuylos verschwendete Mühe entschädigte, er wurde

auch für ſeine Mußestunden sein Gefährte. So wurde

in dem Kinde Interesse für mancherlei geweckt, was

in einem Bauernhauſe nicht leicht Eingang findet.

' Mariannes Herz klopfte vor freudigem Stolze,
wenn der Junge mit leuchtenden Augen und hochroten

. Wangen heimkam und von Dingen berichtete, die er

in der Schule gelernt. Er hatte eine hübſche Gabe,
das Gehörte wiederzugeben, und als er einmal von

der Schlacht bei Fehrbellin, dem großen Kurfürsten
_ und seinem treuen Stallmeiſter erzählte, da erhielten

die Gestalten in seiner Darstellung eine Lebenswahrheit,
daß die Mutter vor Rührung Thränen in den Augen
hatte, und daß ſselbſt Martin gestehen mußte: „„Ja,
der Rolfchen verſteht's!!! + Nach einer Pauſe setzte

er mit einem Lächeln, das der Mutter nicht ganz ge-

fallen wollte, hinzu: „Der Rolfchen muß Schulmeister

werden!“ Marianne fühlte wohl, daß auch in diesem
_ Ausspruche eine gewisse Ueberhebung lug.

Sie wußte, daß dem Jungen die Schule, das
Lernen und der Lehrerſtand sehr geringe Dinge von

. (Nachdruck verboten),



untergeordneter Bedeutung waren. Für ſich ſelbſt
hätte er das Ansinnen, Lehrer zu werden, gewiß mit
Entrüſtung zurückgewieſeu, für den Bruder aber schien
es ihm gerade gut genug. Ihr miütterliches Herz
empfand dies wie eine Kränkung für Rudolf, der, so
tüchtig er in der Schule war, im Hauſe doch ſtets
gegen Martin zurücktreten mußte.
waren die Jungen etwa zwölf Jahre alt. Martin
überragte an Länge alle seine Altersgenossen, er war
breitſchulterig, von starkem Knochenbau, etwas ſchwer-
fällig in der Bewegung, aber von wuchtiger Kraft.
Dieſe Körperkraft gab ihm ein Uebergewicht, das oft
in Uebermut und Gewaltthätigkeit ausartete und ihn
zu einem gefürchteten Gegner machte. In der Schule
hatte er sich zum Alleinherrſcher gemacht und sich ein
Regiment angemaßt, dem, willig oder nicht willig, sich
alle fügen mußten. Er war bei seinen Gefährten ge-

fürchtet, aber nicht beliebt. Freilich fehlte es ihm auch

nicht an Schmeichlern, die ihm Weihrauch ſtreuten und
sich dafür seines gewichtigen Schutzes für alle Fälle

verſehen konnten. :
_ Hu der Schule von Clauſen + so hieß das
Dorf, neben welchem als Abbau der Schreinerſche
Hof und die Waſſermühle des Lippert lagen – ge-
hörten noch zwei andere Ortſchaften: Gertlauken und
Damern, zwei Dörfchen, die bedeutend kleiner als
Clauſen waren und naturgemäß auch eine viel kleinere
Anzahl ſrchulpflichtiger Kinder zur Schule
Nuweriſch hatten alſo die Clauſer ohnehin das
Uebergewicht, und dieſes wurde noch verſtärkt durch
die Kraft und Ansehen ihres Oberhauptes Martin.
So kam es, daß die Damerer und Gertlauker überall

Um diese Zeit

sandten.



den kürzeren zogen, und daß sie im Spiel und Kampf
~ da nach Martins Anordnung eine ſtrenge Schi-

dung nach Ortschaften stattfand — stets ſchmählich

unterlagen. Die Sieger beuteten nach Kinderart ihre
Macht ungroßmütig aus, verlangten unbedingten Ge-
horsſam und standen wie ein Mann zuſammen, wenn
es hieß, die Schwächeren zu unterdrücken. Das gab
böſes Blut, und zu Martins großem Zorn ſelbte.
zwiſchen ihm und seinem Bruder, der ſich einfallen

ließ, ſich seinem Willen zu widersezen und sich um..

Anwalt der Vergewaltigten zu machen.
Von den Fenstern seines Wohnſtübchens aus be-

obachtete der Lehrer eines Tages eine ſehr stürmische

Scene, in der Rudolf eine gerechle Abzählung, eine
Scheidung in zwei große Parteien verlangte, und in
welcher Martin hartnäckig und stierköpfig auf seinem
Willen beharrte, troßdem der Kleinere ihm leiden-

schaftlich sein Unrecht vorhielt, ja sogar soweit ging,
ihm niedrige, jämmerliche Feigheit vorzuwerfen. Dazu

lachte der Große und decretierte im Bewußtsein seiner
unantaſtbaren Macht, daß alles beim alten bleiben
sollte. Hierauf geſchah etwas noch nie Dagewegjenes :
Rudolf beharrte auf seinem Widerſtand und ging
schließlich, da kein Einvernehmen zu erzielen war, mit

fliegenden Fahnen, begleitet von einer kleinen Schar

Gleichgesinnter, zum Feinde über. Jetzt standen ſiiheV
die Heere in faſt gleicher Stärke gegenüber, wobei

die Clauſener immer noch im Vorteil waren, da ihr

Anführer es mit Fünfen aufnehmen konnte. Der
Schulhos wäre der Schauplatz eines erbitterten Bruder-
kampfes geworden, wenn der Lehrer, der die ungleichen
Kräfte der beiden Heerführer kannte, nicht rechtzeittg

Seine mne.
 
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