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„Der ,„Deutſche Volksbote" erſcheint zweimal
wöchentlich. Verlag und Leitung: Heidel-
berg, Bahnhofstraße 9. Telegramm-Adresse :
Volksbote“ Heidelberg. Anzeigenpreis : Die

d-geſpaltene Petitzeile 10 Pfg.

ts§ gadiſher Volksbote. ~ Wacht am Rhein. 3-



_ Preis vierteljährlich durch den Briefträger
frei in's Haus gebracht Mk. 1.25, am Poſt-
ſchalter oder durch unfere Boten in Heidel-

holt s0 Pfg. Poſtzeitungsliſte Nr. 19644a.



I 80.





. Mos vierte Piecteljahr lat begonnen. |

_ Unsere Freunde, die das Abonnement auf den

„„Deutſchen Volksboten‘“ noch nicht erneuert haben
ſollten, bitten wir, dies umgehend zu thun.
Für Bestellung des Deutſchen Volksboten bei der Poſt

g: befindet ſich ein Bestellzettel auf der 4. Seite der

heutigen Nummer. l fs
W. Die letzten Wochen, in denen in Baden der
Landtags-Wahlkampf herrſcht, haben wieder so recht

î deutlich die Verlogenheit der liberalen und demokratiſchen

. Presse gezeigt. Sie haben bewiesen, daß derselben faſt
_ kein Mittel zu ſchlecht iſt, wenn es nur den Zweck er-
füllt, den politiſchen Gegner persönlich zu verletzen,

_ gzu beschimpfen, zu verdächtigen. Darum ist es in der

jetzigen Zeit mehr denn je notwendig, für die Per-

breitung unſerer deutſcz-nationaklen und anti-
ſemitiſchen Yreſſe zu sorgen, damit das gegnerische

V k
nicht nur selbſt auf den , Deutschen Volksboten“ zu

Lügengewebe ſchnell zerriſſen werden
Wir dbitten daher alle unsere

î_ abonnieren, sondern auch denselben in ihrem Bekannten-
îûú kreiſe einzuführen. Möge jeder bedenken, daß der

Ausfall der Wahl in Baden zum schr großen Teile
î abhängig iſt von der Verbreitung der Parteipresse.
Wenn in allen Orten der in Betracht kommenden

_ Walhlbezirke der „PDeutſche Volksbote‘“ in größerer

Anzahl gelesen wird, so wird er auch allgemein auf-
klärend wirken können, und der Sieg bei den Wahlen

. iſt unserer Partei dann ſicher.

_ Mit deutſchem Gruß
Schriftleitung und Verlag des

; Us ; „Deutschen Volksboten."

Theorie und Praxis in der Hand-

.. ! ewerkerſfrage. .. :

G ich Der „St. Ztg." wird aus Handwerkerkreisen ge-
hrieben :

_ HMit regem Interesse wird jeder, der es mit der
Erhaltung des Mittelſtandes ernst meint, den- Ver-
.. handlungen des ſozialpolitiſchen Congresses in Köln

î am Rhein gefolgt sein, und gewiß sind die Handwerker

îDeutſchlands den hochgelehrten Herren, die ſich dort
î Dmnit der Handwerkerfrage beſchäftigt haben, sehr dank-
bar für das lebhafte Interesse, welches sie dem Hand-

_ werkerſtande entgegenbringen. Aber eins muß zunächst
H ü jrfsefellt werden, daß die Herren Referenten über

izt) u wm.
. darüber nicht einig. üs . dürfte deshalb wohl nicht
_ übel gedeutet werden, wenn ein alter, im Dienste des

Handwerks ergrauter Handwerksmeister zu dieser wich-

. ..ttiigen Frage auch seine Meinung kundgiebt.

[L gas u Feuilleton. 37



_ Der Cine und der Andere.
_ Grzählung von Hans Warring.

(Nachdruck verboten),

UL:. „Aber s begann das Mädchen zaghaft. .Der

... IUtte aber ließ ſie nicht zu Worte kommen.

_ „Laß mich mit deinem „Aber“ in Ruhe!“ brauſte
er auf. „Sage einmal, was verſprichſt du dir vom
Leben? Das kann ich dir sagen: so ein Glück wie

dieses kommt nicht noch einmal wieder! Man müßte

dich ins Jrrenhaus sperren, wenn du nein ſsagteſt !
î Du denkst wohl noch an den Burſchen, den jungen
Schreiner, der eine Zeitlang für den Erben des

Müllers galt. Antworte: hat er verſprochen, dich zu
jhekrgten?n : | sehnt sich so nach ein wenig Liebe! Der Vater ist zu

„O nein, Vater!“ sagte Eva, während ihr

Gesicht dunkelrot wurde und große Thränen ihr in
die Augen traten. f ;: j
_ „Na also! Uekberdies kann ich dir sagen, der
junge Schreiner denkt nicht ans Wiederkommen. Was
oll er auch hier? Der Vater, obgleich krank, wird

ihm die Wirſsſchaft noch nicht abtreten, zudem ist er

mehr für den Mühlenbetrieb als für die Landwirtschaft
vorbereitet. Er wird ſich auswärts eine Stelle ſuchen
und nicht eher zurrückkommen, als bis der Vater die
Augen zumacht, und das kann noch Jahre dauern."
_ yWer ſagt das ?" fragte das Mädchen tonlos.

Der es am besten wiſſen muß : der junge Lip-



Heidelberg, Mittwoch den 6. Oktober 1897.

S. Jahrgang.



Die Vorwürfe, daß das Handwerk nicht . mehr
leiſtungsfähig sei, trifft im allgemeinen doch ni cht

zu. Man darf in dieſer Beziehung nur auf die ver-
ſchiedenen Weltausstellungen und aux die Leistungen
des Handwerks auf der vorjährigen Berliner Kunſt-
ausstellung hinweifen. Aber daß se it Einführung
der Gew erbefreiheit einRückgang in der
Ausbildun g der Lehrlinge ſtattgefunden hat,

muß auch jeder Unparteiiſche zugeſtehen. Denn nach-
| dem das freie Spiel der Kräfte jahrzehntelang ge-

waltet, und während dieser langen Zeit nur dort, wo
gesetzmäßige Innungen bestanden, eine geregelte Lehr-
lingsprüfung noch stattfand, wird doch niemand in
Abrede stellen können, daß die unbeschränkte
Gewerbefreiheit die Haupt ſchuld am Ni e-
dergange der Leiſtuugs fähia ke it des Hand-

werks trägt, da jeder ſelbſtändige Handwerker Lehrlinge

ausbilden durfte, ohne daß irgend welche Kontrolle
des Lehrverhältnisses stattfand ; genügte es doch, daß
ein junger Menſch 3 bis 4 Jahre bei einem Schuh-
macher, Schneider, Tiſchler ec. in der Lehre war, daß

der Lehrherr einen einfachen Schein bei der Entlassung |

gab, daß der betreffende 3.04 Jahre das Handwerk
gelernt habe, der Ortsvorsteher oder die sonstige maß-
gebende Behörde einfach den Amtsstempel unter dieses
Schriftstück drückte und der Handwerksgeselle war

fertig. Wenn nun solche Zuſtände über ein halbes

Jahrhundert herrſchen, kanu und darf man ſich nicht

wundern, wenn die techniſche Ausbildung der Hand-

werker nicht gleichen Schritt mit der immer mehr
fortschreitenden Entwickelung unseres Erwerbslebens
gehalten hat. Die Thatsache läßt sich alſo unbedingt

nicht mehr hinwegleugnen, daß die Einführung der

ſchrankenloſen Gewerbefreiheit die Haupturſache des

Niederganges des Handwerks iſen.

_ Seit Einführung der Gewerbefreiheit hat sich das
kap italiſtiſche Element ins Handwerk hinein-

gedrängt und hat Tauſende von Handwerker-Exiſtenzen

ruiniert. Das C onceurs- und Submissi ons-
unwes en und andere sozialpolitische Gesetze gaben

dann der Kapitalmacht, welche das Handwerk decimirt

hat, erſt recht die Mittel in die Hand, die Ausbeutung

im Großen zu betreiben. Deshalb besteht das Gros.
der Handwerker auf der Forderung, daß die Bildung

von Zwangs-Innungen und Befähigungs-Nachweis zur
Hebung des Handwerks unentbehrlich sei. Wenn Prof.
Dr. Philippovich aus Wien nun auf dem Sozial-
politischen Kongreß zu Köln erklärt hat, die Zwangs-
genossenschaft und der Befähigungsnachweis in Oesterreich

hätten den öſterreichiſchen Handwerkern keinen Nutzen |

gebracht, so iſt zuzugeben, daß sich in Deutſchland die-
ſelbe Erscheinung zeigen würde, wenn die Regierungs-
und Verwaltungsbehörden die Handwerker nicht prak-
tiſch unterstützen : die nackten Paragraphen des Gesetzes

] pert. Er hat mir auch erzählt, daß zwiſchen dem

alten Schreiner und dem Sohn nicht alles im Reinen

| iſt. Der Alte hat ihn ~ den Pflegesohn ~ stets

lieber gehabt als den rechten."

„Wie iſt das möglich!" dachte das Mädchen,

aber sie ſprach es nicht aus. Der Vater ging, und
ſie ſaß still bei ihrer Handarbeit und hatte Zeit nach-
zudenken. Welch eine Flut von Gedanken und Ge-
fühlen wühlte in dem jungen Kopf und in dem jungen

Herzen ! Da war zuerſt der eine, der nicht wieder-

kommen wird. An ihn zu denken iſt Thorheit, es

war ein Traum, jener Sommertag, ein ſchöner Traum, |
aber der iſt vorbei, und nun kommt die Wirklichkeit :
der andere! Das Herz des Mädchens krampft sich

schmerzhaft zuſammen. „Das ist undankbar !" sagt
ſie vorwurfsvoll zu sich ſelbſt. „Er muß mich doch
ein bischen lieb haben, weshalb würbe er sonst um
mich, er, der soviel Reichere haben könnte! Und sie

Hauſe immer mürriſch, er brummt über jede Kleinigkeit,
die ſie braucht. Die alte Magd keift den ganzen Tag
im Hauſe herum, ach, das Leben iſt so ſchwer, so
schwer. Einen haben, an den sie ſich lehnen kann,
der sie ein wenig verhätſchelt, der ihr gern giebt, was
ſie braucht. Sie wird ja stets bescheiden sein in
ihren Wünſchen und nicht vergeſſen, daß sie nichts in
die Ehe gebracht, daß sie alles seiner Großmut ver-
dankt. Und dann hat sie ein eigenes Haus, das ſie
ihm und sich selbſt zu einer lieben Heimſtätte machen
wird. „Ein eigenes Haus", wie ſchön das klingt!
Und Liebe darin und Friede ! : ,
Cs war ein Tag des Triumphes für Martin,

| v. er hatte nur winken dürfen, und sie wen



genügen allerdings nicht; man vergebe Regierungs-

und städtiſche Bauten nicht an Bauunternehmer, sondern

lasse solche Arbeiten von g ele.rnten Hand werks
m eiſter n ausführen, man gebe die Lieferungen von
Uniformen für Post- und Eiſsenbeamte nicht an Kauf-

leute, sondern an gelernte Handwerker zur Anfertigung,

hebe Ofsicier und Beamten-Consumvereine in der
heutigen Form auf und lasse die dort gebrauchten
Handwerks-Gegenſtände von gelernten Handwerks-
meiſtern liefern; außerdem werden in den verschiedenen
Waiſen- und Krankenhäuſern und anderen Anstalten
so viele Handwerksgegenstände gebraucht, welche, den

Handwerkern zur Anfertigurg übergeben, noch vielen

Tauſenden von Handwerksmeiſtern und -Gesellen eine
menschenwürdige Existenz gewähren würden. Wenn
nun, wie in den meiſten Fällen alle diese Gegenstände,
auf Submission den Kapitaliſten zur Lieferung über-
geben werden, s o wird der Handwerksmeiſter

dem Kapitalisten gegenüber tributpflich

tig, der Handwerksmeiſter muß nun wieder seinen

Gesellen die kargen Löhne zahlen, weil er selbst gen.

drückt wird, und so geht es Schritt für Schritt mit
dem Handwerk zurück, und die Reih en d er S oz i a l-
demokratie vermehren sich in ſ<reck en-
erreg ender Weiſe. . &

Nicht die Handwerker tragen die Schuld an dem
Niedergang des Handwerks, sondern die Gesetzgebung,
welche die Kapitalmacht schützt und unterstützt und das

ehrlich arbeitende Element stiefmütterlich behandele..

obwohl der Kapitaliſt doch wieder des gelernten
Handwerkers sich bedient, um die ihm zur Lieferung
übergebenen Handwerks-Artikel aller Art fertig zu
stellen. Mögen die verantwortlichen leitenden Kreisen
beherzigen, daß der Handwerkerſtand einen wesentlichen
Teil des Mittelſtandes, des Dammes bildet, der die



revolutionären Elemente zurückdämmt und weite Kreiſe.

der Besitzenden vor Angriffen, ſselbſt vor Vernichtung
schützt. Ist erſt dieser Mittelſtandsdamm vernichtet,

dann kann und wird die Revolution mit elementärere
Kraft hereinbrechen, eine wilde ſchäumende Flut, die

alles verwüſtend und verheerend vor ſich niederwirft.
Schon manche Lücke hat der früher festgefügte Damm
aufzuweiſen, durch die die ſozialdemokratiſche Flut

| langsam, aber unwiderstehlich hindurchſickert ; es iſt die.

höchſte Zeit, ſeiner Widerstandsfähigkeit nachzuhelfen;
denn einmal durchbrochen, läßt er ſich nicht wieder
schließen. Darum Schutz dem deutschen Handwerk,

| nichl durch Worte, sondern durch Thaten!



I

Ein intereſſanter Nachtrag zum Tauſch-Yrozeß.
Im ſozialdemokratiſchen Vorwärts lesen mir:
„In Sachen Normann-Schumann ſehe ich mich

veranlaßt, Folgendes zu erklären: Mein. Parteigeuoſſe

als er das Jawort erhielt. Jetzt hatte er den Ver
weis geliefert, daß er alles. haben konnte, was er be-
Das hübſcheſte Mädchen der Stadt war sein

ihm .zugefallen. Viele . hatten nach ihr gesehen und

hatten sie sich gewünſcht, aber die armseligen Gesellen

hatten sich das nicht leiſten können. Er konnte es !
Und er hatte sie nicht umſchmeichelt und umwedelt wie
die anderen ; das fehlte nur noch, daß er sich ſo zum
Narren machte, er hatte einfach gesagt : ich will, und
er hatte ſie. ; “tts

h W U cicheltee Stolz, befriedigte Eigenliebe, die
waren es, die ihm in diesem Falle das ersetzten, was
andere Glück nennen. Und dann war noch ein Etwas
dabei, das der Sache einen ganz besonderen Reiz gab:

er hatte über den Anderen gesiegt, über jenen, vor dem

er immer hatte den kürzeren ziehen müssen. Nun hatte
sich das Blatt gewendet, nun war er der erſte, er hatte
ijn autgeftochen, sowohl was das Geld, als was die
Liebe betra . we
Die U hutit folgte der Verlobung sehr ſchnell,
es war um die Mitte des September, als Martin
seine junge Frau in sein Hausführte. Daß er be-
sondere Anstrengungen gemacht hätte, dasselbe für sie
zu schmücken, konnte man nicht sagen. Das Haus
war eingerichtet von der Mutter und Großmutter
her, er hatte daher auf eine Ausstattung verzichtet,
er hatte die Ahnung, daß er hinterher dieselbe
doch hätte bezahlen müssen. Und eine Arme, die
selbſt nichts ins Haus brächte, müſſe zufrieden sein
mit dem, was ſie vorfand.
' j (Fortsetzung folgt.)

î_ berg 1 Mk., von unserer Expedition abgen.
 
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