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Der ,„Deutſche Volksbote“ erscheint zweimal

f sheutlih. ufer(20, "V Leitung. Heißer:

„Volksbote“ Heidelberg. Anzeigenpreis : Die
' 5-geſpaltene Petitzeile 10 Pfg.

+ Badiſcher Volksbote. + Wacht am Rhein. 2-



Preis vierteljährlich durch den Briefträger ;
frei in's Haus gebracht Mk. 1.25, am Poſt-
ſchalter oder durch unfere Boten in Heidel-
rer vt Prit t













F 62. Heidelberg, Mittwoch den 4. Auguſt 1897. S. Jahrgang.
Das Geſchäftsgebaren der Ramjch- nehmern und dem großen Publikum machen mußte. | Die Sprknlation auf die Dummheit der Menſchen

bazare.

Das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb,
welches nunmehr seit längerer Zeit in Wirksamkeit
ift, hat einen entschieden günstigen Einfluß auf das
geſchäftliche Gebaren ausgeübt und man hat auch von
einer ganzen Reihe von Prozessen gehört, durch welche
insbesondere jüdiſchen Handeltreibenden die Grenzen
klar gemacht worden sind, welche das Gesetz ihrer
Reklame zieht. Zwar hat man die Beobachtung
machen können, daß die Rechtsprechung nicht gleich
mit der vollen Schärfe eingesetzt iſt, aber die öffent-
liche Bekanntmachung der Urteile, auch wenn diese
Ut ehe t: qusſanen V k t .ru
Dadurch eine gewisse Aufklärung in die breiten Schich-
ten des Volkes getragen wird. Daß durch das neue
Gesetz die Schundware der Ramſchbazare verdrängt
werden würde, durfte man nicht erwarten. Die Sucht,
für wenig Geld viel einzukaufen, ist von den Ramſch-
bazaren leider bereits künstlich großgezogen worden;
'ſie trübt das Urteil, verdirbt den Geschmack und läßt
fhttehliq des Käufer mit dem S chein der Ware zu-
frieden sein. z
f Eine bedenkliche Seite des Geſchäftsgebarens
der Ramſchbazare wird indessen von dem Gesetz nicht
getroffen, uud es dürfte schwer sein, außer dem Wege
der Selbsthilfe und großer Vorſicht dagegen einzu-
schreiten. Der „Sächſ. Bürgerztg." entnehmen wir
darüber folgendes: Es ging vor einiger Zeit eine
Meldung durch die Blätter, daß ein großer Ramſch-
bazar sich, auf Umwegen einen Poſten Ware vom
Jabrikanten zu erheblich billigeren Preiſen als dieser
sonst sich zahlten ließ, dadurch verſchaffte, daß er dem
Fabrikanten vorspiegeln ließ, die Ware ginge ins
Ausland. Diese Meldung wurde zwar für unrichtig
erklärt, aber sie entſprach zu sehr den Gepflogenheiten
dieser Geschäfte, als daß man nicht hätte annehmen
müssen, daß wenigstens der Verſuch gemacht worden
‘wäre, auf diese Weiſe die Konkurrenz zu unterbieten.
Kuüürzlich iſt aber ein solcher Fall festgestellt. Eine Nürn-
berger Lebkuchenfabrik verkaufte einen großen Poſten
Ware an ein Hamburger Haus zur überseeiſchen Aus-
fuhr und bewilligte, da Barzahlung geleistet wurde,
einen erheblich niedrigeren Preis als ihren sonftigen
Abnehmern. Das Hamburger Haus handelte aber
nur im Auftrage eines Nürnberger Ramſchbazars.
In dessen Laden wanderten die wasserdicht verpackten
Lebkuchen und der Ramſchbazar verkaufte sie nun
billiger als der Fabrikant (!) selbſt, der auch ein offenes
Geſchäft hat. Man kann ſich denken, welch eine Ent-
rüſtung den Fabrikanten ergriffen hat und welche un-



angenehmen Erfahrungen er bei seinen sonstigen Ab-

Das Anrufen des Gerichts blieb natürlich erfolglos,
denn gegen ein solches Verfahren giebt es im Gesetz
t" 1tr routrer puetttarerekeve PeuruuÑses:
sein Nürnberger § r ſſ zuuiq aowor den Lebkuchen
verkauft hat und wird sich in Zukunft vorſehen, daß
t zh . einmal eine ſo peinliche Erfahrung

Man kann dem Fabrikanten auch gar nicht den

Vorwurf mangelnder Vorsicht machen, denn unter
deutschen Geschäftsleuten iſt das Vertrauen auf das
Wort und die Erklärungen des Geschäftsfreundes noch
zit & cut der Eci hen hr Moki
bazare notwendig wird, in jedem Falle genau zu
prüfen, ob nicht doch die Möglichkeit vorhanden iſt,
daß die Ware ganz andern Zwecken als den ange-
gebenen dienen soll. Der Grund, warum diese Gefahr
immer dringender wird, liegt darin, daß die Ramſch-
bazare ihre Geschäfte nach ganz anderen Gesichtspunk-
ten führen als die ſonstigen Ladenbesitzer. :

Im allgemeinen iſt es bekanntlich üblich, daß

der Kaufmann auf seine Waren einen nach Prozenten
berechneten Aufschlag macht, der ihm Ladenmiete,
sonstige Spesen und einen angemessenen Gewinn ſichert.

Diesen Ausschlag legt er gleichmäßig auf alle Waren,
ſodaß der Käufer bei ihm die Sicherheit hat, ſtets
einen dem Einzelverkaufswert der Waren entsprechenden
ess zu zahlen, mit andern Worten reell bedient zu
werden.

Ganz anders gehen die Ramſch-Bazare vor. Sie
haben zunächſt das Bestreben, unter allen Umständen
und mit allen Mitteln das Publikum in ihre Geschäfts-
räume hineinzubringen. Um dieses zu erreichen, unter-

bieten sie die Konkurrenz in einigen besonders gang-
baren Artikeln und zwar ohne Rücksicht darauf, ob

ſie hierbei noch auf ihre Kosten kommen oder gar zu-
ſezen. Sehr beliebt iſt es z. B. bei Ramſchbazaren,
daß sie Nahrungs- und Genußmittel, wie Kakao, unter
dem sonst üblichen Ladenpreis abgeben, ferner kleine

Nähartikel, die von den Frauen in großer Menge

gebraucht werden u. s. w. Die Thatsache, daß ſie
dieſe Sachen billiger verkaufen, wird natürlich mit
allem Aufwand von Reklame verkündet, und das
große Publikum gelangt dann zu der törichten An-
ſicht, daß die Preiſe der andern Waren ebenso niedrig

gestellt ſind. Selbſstverſtändlich iſt das unmöglich,

denn der Ramſchbazar braucht ebenſo hohe, wenn uicht
noch höhere Aufschläge für Miete, Besoldung ſeines
zahlreichen Personals, Verzinſung des von ihm ange-
legten Kapitals und für einen angemessenen oder viel-
mehr recht großen Geschäftsgewinn, der doch der ein-

zige Hweck der Begründung solcher Geschäfte.



ſchlägt selten fehl und dieſe Lockwaren ziehen eine
große Menge Käufer an. Der jüdiſche Bazarinhaber
verſteht es nun vortrefflich, dem einmal in sein Lokal

getretenen Käufer gründlich die Vorzüge seiner Sean.

darzulegen, und erreicht es so faſt ſtets, daß ihm
außer den wirklich billigen Waren noch andere abge-
nommen werden, auf die er meiſt einen weit höheren
Aufschlag gelegt hat als seine Konkurrenten. Diese
Schundwaren werden eigens für diese Bazare ange.
fertigt, sie ſehen ſo aus wie solide Waren und an
diesen werden natürlich Unſummen verdien. Das
Publikum ist nicht in der Lage, ſich ein Urteil über
den wahren Wert der Sachen zu bilden und free
sich seines ſcheinbar billigen Einkaufs. Ö
Dieſe Schundwaren werden natürlich immer die
Hauptrolle in den Ramſchbazaren spielen und nicht

nur das Publikum schädigen, sondern auch den Rx |

und die Leiſtungsfähigkeit unserer Induſtrie.

Der Ramſchbazar braucht aber auch wenige
ſtens einige Waren wirklich anerkannter Firmen, und-
selbſtverständlich hat er auch das Bestreben, diese Waren
billiger als seine Konkurrenten abzugeben. Viele solcher
Firmen geben nun den Bazaren überhaupt keine
Waren, einmal aus löblicher Abneigung gegen diesen
ganzen Geschäftsbetrieb und dann, um ihre anderen
Abnehmer nicht zu ſchädigen. Bei vielen solchen Waren
j auch der Einzelpreis vorgeſchrieben, resp. der Ver-
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ht! solche ihm auf geradem Wege nicht pugénglichen t
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neues Lockmittel für die große Menge zu gewinnen,
schlagen die Ramſchbazare krumme Wege ein. So
kommt es denn oft genug vor, daß berühmte Firmen
ß ihrem E ſlaunen zrtghren, daß "n Hautſchhqsar ihre
roaren r rat § O MUL. sis
demſelben abgelehnt haben.

Die Fabrikanten können sich gegen ein solches
Geschäftsgebaren nur sehr ſchwer schützen. Ste werdev
die größte Vorsicht bei Abſchluß von Verträgen an-
wenden müssen und namentlich dann, wenn ihnen außer-
gewöhnlich große Poſten abgefordert werden, zu natür-
lich recht billigen Bedingungen, genau nachzuforſchen
haben, welchen Zwecken diese Ware dienen soll. Viel-
fach wird schon die Perſon des Vermittlers in solchen
Fällen zu Bedenken anregen. Auf gesetzlichem Wege
wird dagegen sehr ſchwer einzuſchreiten sein, da man

die Weiterveräußerung von Waren nicht gut une.

binden kann. Außerdem iſt zu empfehlen, daß alle
solche Fälle schonungslos der Oeffentlichkeit zur Be-
urteilung unterbreitet werden. :





: Feuilleton.



Der Eine und der Andere.
Erzählung von Hans Warring.
(Nachdruck verboten.)

„An dem haben Sie ein Prachtexemplar er-
zogen, Frau Marianne,‘“ sprach ſodann der Müller
eiter. iu dem ändérén nicht auch ? Loben Sie mir |
sette sie hinzu,
weniger aus eigenem Antriebe als ihres Andrees
"wegen, der in Martin doch nun einmal sein eigen
Fleiſch und Blut erkannt haben wollte. Is der
Martin nicht auch ein prächtiger Burſche? Kräſte
j!t et für zwi, und was er anfaßt, hat Hand und

den einen nicht vor dem andern,“

„„Ja gewiß, er ist von einem tüchtigen Schlag,

‘er wird einmal ein guter Landwirt werden !‘’ gab der
Müller zu. Aber das klang kühl und gleichgültig, so

daß Marianne, deren Ueberzeugung, daß Martin der
"Sohn der reichen Niederungsbäuerin ſei, sich immer
mehr gefestigt hatte, ihm ob seiner Lieblosigkeit einen

“mißbilligenden Blick zuwarf. Andrees Eiferſncht aber,
der die beiden stets scharf beobachtete und dieſen Blick

aufgefangen hatte, erwachte wieder in alter Stärke.
Die beiden Burschen aber hatten ihre Arbeit be-



endet, ſich am Brunnentrog den Staub von Gesicht
und Händen gewaschen und kamen jetzt die Haustreppe

_ ] empor. In der letzten Zeit war das Verhältnis der

beiden Milchbrüder nichl mehr ein so ungetrübtes ge-

| wesen wie früher. Es wollte Martin nicht mehr

gelingen, sein Uebergewicht aufrecht zu erhalten, er
hatte schon mehrmals die Erfahrung machen müssen,
daß Rolf gleiche Rechte wie er beanspruchte. Das

| hatte allerlei kleine Reibungen gegeben, aber einem

ernsten Konflikt waren beide, von einer inneren Stimme
gewarnt, vorſichtig aus dem Wege gegangen. Als
sie jetzt vom Hofe hereinkamen, hatte Rudolf die Treppe
mit ein paar leichten Sätze genommen. er kam dadurch
Martin in den Weg, der langsamer emporgesſtiegen
war und den Bruder mit kräftigem Stoße seitwärts
schob. Vielleicht war der Stoß stärker ausgefallen
als es in Martins Abſicht gelegen hatte, jedenfalls
meinte Rudolf ihn nicht ruhig hinnehmen zu dürfen.
Er erwiderte ihn daher nicht weniger kräftig, ſo daß
Martin ein paar Stufen rückwärts geſchleudert wurde.
Er kam nicht zu Fall, aber er wäre gefallen, wenn
er sich nicht am Geländer gehalten hätte. Das Blut
schoß dem Burſchen zu Kopf, aber noch hielt er fest
an sich.
fich . ~ dul!" sagte er, indem er über die Schulter

dem Bruder einen bösen, verächtlichen Blick zuwarf.
Rudolf hat‘e den Blick verstanden.

„Ma — was?“’ fragle er mit herausforderndem
Lachen. ;
„Du hast mich gestoßen !‘“

„Du auch – und was weiter ?‘

„Du wirſt in letzter Zeit etwas frech!‘ ;

„Oho = gegen dich! Warum ſoll ich nicht gleiches
mit gleichem vergelten! |



„Warum? Weil es dir noch einmal ſchlecht
hekonucs könnte! Ich werde dir einen Denkzettel
geben!“

„Oder ich dir!‘

Weiter wurde kein Wort gesprochen. Sie stan-
den sich gegenüber am Fuße der Treppe. Und als
Martin in das lachende Geſicht des anderen sah, über-
kam ihn eine ſsinnloſe Wut, er hob die Fauſt und
ſchlug zu blindlings, ohne Ueberlegung. Der
Schlag hätte Rudolf zu Boden gestreckt, wenn er ihm

nicht ausgewichen wäre. Mit der ganzen Gewandtheen. B

seines geschmeidigen Körpers bog er ſich und ſchnellte
elaſtiſch empor, duckte sich rechts uud links, wich zurück
und sprang wieder vorwärts. Jedem in die Lnft ge-
führten Schlage seines Gegners folgte ein wohlgezielter
von ihm. Der eine brüllte vor Wut, der andere
lachte, ~ der eine sette für seine in die Luft ver-
ut v Sr
Utz jeder traf und vermehrte die Wut des Ge-
roffenen. :

f Da ſchob sich plötzlich ein Männerarm zwischen
die Kämpfenden, – sie ſahen des Müllers lachendes
Gesicht, neben sich, – des Vaters drohend zuſammen-
gezogene Brauen. Sie hörten der Mutter schmerz-
lichen Ausruf : „„O Kinder! Kinder ! Daß ich das an
euch erleben muß !‘’ :

„Wenn das noch einmal vorkommt,“ ſ ſagte

| Andrees ſehr ernst, „ſo muß einer von euch aus dem

Hor? l§ her nehmt das doch nicht so schwer, ' lachte
der Müller, der dieſe brüderliche Rauferei für ein
 
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