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| Volksbote“ Heidelberg.

fangenenen Sagte ruhig fort :



„Der ,Deutſche Volksbote“ erſcheint zweimal
wöchentlich. Verlag und Leitung: Heidel-
berg, Bahnhofstraße 9. Telegramm-Adresse:
Anzeigenpreis : Die
hr-geſpaltene Petitzeile 10 Pfg.



+ Hadiſher Polksbote. Wacht am Rhein.



frei in'e Haus gebracht Mk. 1.25, am Poſt-
schalter oder durch unsere Boten in Heidel-
berg 1 Mk., von unserer Expedition abge-
holt s80 Pfg. Poſtzeitungsliſte Nr. 1964a2.



M 85.



| Mordanſchla und Auf-
î ruhr, durch Iuden an-
t velifiet -

. Walldorf (Kreis Wiesloch), die derzeitige



: Residenz des verstorbenen jüdischen „„Menſschenfreundes‘“

Wolf G ieſ er, hat den traurigen Ruhm, daß dort zur
Unterdrückung einer politiſchen Partei Mittel ange-
wendet worden ſind, wie sie sonst nur professionierte
Mordbuben gebrauchen. t Ñ

Für Mittwoch Abend war eine antiſemitiſche
Versammlung in dem Gaſthaus „zur Post“ in Wall-
dorf einberufen worden, in der unser Landtagskandidat
Fabrikant Köster uud der Reichstagsabgeordnete

Fritz Bindewald ſprechen sollte.

Als unsere Parteigenossen anlangten, fanden sie
den Saal schon von einem betrunkenen Mob ange-
füllt, der ein „Büreau‘’ gewählt hatte.
Wort führte der jüdiſche Tabakhändler B erh a rd
Kr a mer aus Walldorf. In der Mitte des Saales stand
ein großes Faß Bier, aus dem den Arbeitern gratis
verſchenkt wurde, nachdem sie sch on v o r her ziemlich be-
trunken gemacht worden waren. Auch C igarr en wurden
in reichlicher Menge verteilt. Wer der Spender war,
unterliegt keinem Zweifel, da der genannte Kramer
dabei beobachtet worden iſt, wie er dafür
20 Mk. bezahlte. Als Strohmänner wurden aller-

dings zwei chriſtliche Arbeiter (Wolf und Funk) benutzt,

die von Kramer als die Bier- reſp. Cigarrenſpender
öffentlich genannt wurden. j ;
Yußer den G ebrüde rn Kramer that ſich der
jüdiſche Lehrer Li s berg er (der nebenbei bemerkt,
4s :s is der protestantischen Schule Unterricht erteilt)
hervor. . . ig
: Selbstverſtändlich verzichtet-n unsere Parteigenossen

darauf, in dieſer vom Judenbier aufgeregten Menge

zu ſprechen und zogen fich in das Nebenzimmer zurück.

_ Als aber auch hierher die Judenknechte drangen, da
î wurde beſchloſſen, in das Gasthaus „zum Lamm“ zu

gehen. Unterdessen löſte der Bürgermeiſter Abel

_ die Versammlung auf, unterließ es aber, da sich nie-
mand daran kehrte, die Leute zum Auseinandergehen

aufzufordern. Von der Thätigkeit der Polizei war über-
haupt nicht s zu merken, weder jetzt, noch nachher. Auch
von der Gendarmerie war nichts zu ſehen, obwohl
dieselbe schon um 5 Uhr darauf aufmerkſam gemacht
worden war, daß Frei bier in der „Poſt“ ver-

Jſchenkt werde, so daß ihre Anwesenheit in der Ver-

sammlung jedensalls sehr erwünscht wäre. :
Im ,„Lamni“ sammelten sich ca. 50 Personen,

ämtlich ältere Bürger. Auf deren Wunsch referierte

hier Herr Abg. Bindewald über die Landtagswahl

Zeichen gegeben.



Heidelberg, Hamſtag den 23. Oktober 1897.

8. Jahrgang..



und erhielt reichlichen Beifall. Außerdem wurde der
Beſchluß gefaßl, daß die Anwesenden sich als ge-

schlossene Geſsellſchaft betrachteten. Mitten im Vortrag

erschien tro dem der oben erwähnte jüdiſche Lehrer
Lisber ger unter Deckung einer Anzahl Arbeiter.

Sogleich bei seinem Eintritt und ohne irgendwie ge-

reizt zu sein (die Judenfrage war von dem Redner

überhaupt noch nicht berührt worden) warf er unserm
Abgeordreten unflätige Schimpfworte ins Geſsicht.
Gleich darauf drängten immermehr Judengenossen in

den Saal, der dem Zimmer benachbart war, in dem

ſich unsere Ges innung freun d e befanden.
Nach Beendigung des Vortrages wurde die

Haltung des Mobs immer drohender. Es waren zu-

meist jüngere Burſche, und aus denselben war augen-

scheinlich eine Le ibg arde auserwählt worden. Einer
derſelben, ein „Athlet,“ drang in das Nebenzimmer

und suchte die Anwesenden zu ſtören. Es entspann
sich zwiſchen ihm und einigen Leuten, die der Thüre
Das greßs I tönte ein Pfiff, und nun begann ein Getöse und ein
Geheul unter den Judenbiertri nkern, gegen welches das
berühmte „Jndianergeheul“ eine Symphonie genannt
werden kann. Zu gleicher Zeit flogen Gläser, Flaſchen |

zunächſt saßen, ein Wortwechſel, da — plötzlich er-

Stühle 2c. durch den Saal nach der Thüre des Neben-
zimmers. Die rasende Menge ſchlug blind auf die-

jenigen los, welche sich zum Schutze vor unsern Kan-

didaten Köster und die Abg. Bindewald und
Pfiſt erer geſtelt haenn. :
Dieser Rotte Widerstand zu leiſten, wäre sinnlos

gewesen. Es galt also, sich zu flüchten. Nun aber
war offenbar von den Leitern des Angriffs ganz
planmäßig vorgegangen worden: -Alle Haus- reſp.
Hofausgänge waren von einzelnen Abteilungen besetzt,
sodaß niemand hindurch gelangen konnte. Durch Horn-

signale wurden – jedenfalls vorher verabredete

_ Vor Allen hatte man es unzweifelhaft auf unsern

Landtagskandidaten, Fa br ik ant Köster, und auf

den Reichstagsabgeordneten Bin dew a ld abgesehen

Demlletteren gelang es, über den Hof in einen Garten

zu flüchten. Faſt wäre er dem Pöbel in die Hände

gefallen, der mit Ae xt en das Thor zum Hof ein-

ſchlug und an ihm — ohne ihn in der Dunkelheit zu
sehen — vorbeiſtürmte. Er wäre sonst unzweifelhaft tot-

geſchlagen worden. Hrn. K öſt er und Hrn. Pf iſter er
glückte es, über eine enge Stiege in den zueitty Stgs.

des Hauſes zu kommen. Ihm nach
Abteilung der von den Juden aufgeregten Leute, doch

ſtellte ſich ihnen der Lammwirt, Herr K o ppert, der

sich überhaupt an dem Abend geradezu h el den müt ig
benommen hat, entgegen.
kommt ihr hinauf‘’, rief er ihnen zu, und zugleich packte
er einige der Kerle und warf sie zurück.

„Nur über meine Leiche

Doch nur kurze Zeit gelang es, die Raſenden
aufznhalten. Was ſie bisher vollbracht hatten, das war
noch ein Spiel gegen das was nun folgte. Die Fenster
wurden zertrümmert, die Thüren mit Balken und
Schmiedehämmern eingeſchlagen, eine Thüre mit einem
Spieß (!) eingeftoßen, und zwar mit solcher Wucht, daß
das Eiſen dem Herrn Koppert, welcher hinter der Thüre
stand, in die Hand fuhr. Unter der Führung des

Lisberger .noch Zeit fand, eine dort wohnende Frau,

Bette geeilt war, zu beläſtigeen. Ein Mann,
den man in der Dunkelheit wahrſcheinlich für Herrn
Köster hielt, wurde mit dem Messer bearbeitet.
Herr Pfiſterer, auf den die Attentäter stießen unuan an
deſſen Kleidern sich noch Flecken, die von bl utigen
Händen herrühren, befinden, hatte glücklicherweiſe

Außerdem scheute man sich wohl, an ihn Hand anzu-

weitere Treppe emporgeſtiegeen. ; :
Eine ungeheuere Wut -ergriff die Bande, als sie
vergeblich nach ihren Opfern ſuchte, tretzdem ſie jeden

Winkel durchforſchte. Ihre Hoffnung bestand nur

gebracht, die Menge johlte, ſchrie und stieß Drohungen

schlag gemacht worden ſein, das Ha us anzuzünd en,
um die darin Gefindlichen zum. Verlassen desselben u
zwingen. Auch andere Bürger Walldorfs, die sich
auf die Seite unserer Parteifreunde gestellt hatten,

| wurden mit Demolierung ihrer Häuſer bedroht. Kurz,

bei einer Revolution konnte es nicht schlimmer zugehen

Ortspolizei einzuſchreiten nicht den Mut fand, durch Eil-
boten Hilfe von Wiesl och zu requirieren? Wenn

es dieſes Verhalten der von den Juden aufgeſtachelten
Menge. Wir haben nicht gehört, daß Herr Bürger-
meiſter Abel die Aufruhrakte verlesen oder Gendarmerie
gerufen hätte. Nur Herr Gemeinderat Laut hat den

Bis '/,4 Uhr Morgens trieben sich die alkoholi-
sierten Arbeiterrotten auf der Straße umher, ſchickten

„Lamm'’. Es war also alles aufs genaueſte organisiert.
Erſt am Morgen war es den Belagerten möglich,
sich nach dem Bahnhof zu begeben und nach Heidelberg
zurückzukehren. Unterwegs konnte man – es war

EGG UG

.. Feuilleton.



Der Eine und der Andere.
. Erzählung von Hans Warring.
g _ (Nachdrutk verboten.)

Darauf sprach Martin weiter: „Jetzt ſind wir
Nachbarn, ich mein’, wir thäten gut, wieder in ein
besseres Verhältnis zu kommen, sc<on der : Mutter

î wegen, die gern alles glatt und gut haben mag. Und

wenn wir uns also gegenseitig gefällig sein können"
. „Du haft recht, Martin! Ja, ich will dir von
Herzen gern gefällig sein, und was zwischen uns ge-
legen hat, sind doch nur eigentlich Kleinigkeiten ge-
wesen ~ Temperamentsverſchiedenheiten und dergleichen.

4Jch will mir redlich Mühe geben, Martin.!“

Ma, und ich auch, und weil ich jetzt auch end-
lich zu meinem Recht gekommen bin und jett keinen
Grund mehr habe, dich –" 1/4

_ Er zögerte doch ein Weilchen, das auszuſprechen,
was der eigentliche Grund seiner Mißſtimmung ge-
wesen war: Neid. Aber Rudolf fuhr in dem ange-
„Mich zu beneiden,
nein, dazu haſt du jetzt gar keinen Grund ! Dir iſt

alles zugefallen, was du gewünscht haſt. Db es. dein

Recht ist, kann niemand mit Beſtimmtheit sagen, selbst
unsere gute Mutter nicht. Aber nehmen wir an, es
ift dein Recht, ich habe mich darein gefunden und
gönne dir dein Glück von Herzenn.



„Glück?! Na, wenn man es in der Nähe beſieht, |
iſt noch manches daran auszuſezen. Man denkt ſich

die Sache eben ganz anders, wenn man nicht mitten
horu ht ivas. giebt es denn, was haſt du ?‘
„Da iſt erstens die alle Großmutter. Sie hat
nicht im Hauſe bleiben wollen und iſt in die Stadt
? Das kannt du ihr nicht verdenken, sie kannte
zich kaun. ſie hätte doch darauf Rüchsicht nehmen
können, daß wir im Hauſe überflüsſſig viel Raum
haben. Und nun muß die Miete in der Stadt bezahlt

werden, und immer fehlt es an irgend etwas, bald an

diesem, bald an jenem. Zinsen zahlen, und dann noch
das Ausgedinge, das unvernünftig hoch angesetzt ift:
Ih habe schon mit einem Rechtsanwalt gesprochen,

„Höre Martin, ich hoffe du wirst der alten Frau, |
die ihr Lebelang keine Sorgen kennen gelernt hat, ihr

Recht nicht verkürzen, damit sie ihre letzten Tage in
Sorge verleben muß.!"

„Nicht eine Perſon ~ zwei oder drei könnten
von dem Ausgedinge leben !‘’ schrie Martin, den selbst
der geringſte Widerſpruch zum Zorn reizte.

„Laſſen wir das, du mußt ja am besten wiſſen,
was du dir und deiner alten Großmutter ſchuldig

bet „Ja wohl, das weiß ich schon! Aker das ist
nicht alles, ich sage dir, die. Ausgaben wachſen mir

über den Kopf, man muß beständig die Hand in der

Taſche haben.'"

| ratur nötig.“

„Das iſt richtig, bei einem solchen Betrieb fehlt
es bald hier, bald iſt da eine Ergänzung oder Repa-

„O, wenn das Gesindel nur ordentlich mit den
Dingen umgehen möchte !‘' ‘ |

„Das liegt in den seltensten Fällen an den Leuten,
es nuzt sich eben bald dieser, bald jener Maſchinen-
f. E redeſt wie der Hallunke von Werkmeister.‘

„Wenn es derselbe iſt, der ſchon beim Ohm war,
so iſt der Mann kein Hallunke!-‘ .

„Jhm iſt eben damals nicht auf die Finger ge-
ſehen worden, damals konnte jeder wegnehmen, was
? welt-: irrſt du dich doch! Der Ohm machte zwar
weder sich noch ſeinen Leuten das Leben durch klein-
lichen Geiz sauer, aber betrügen oder beſtehlen ließ er
ſich nicht, dazu war er zu klug und ſcharfblickend.'"

Rudolf sah wieder das Lächeln, das ihm so ver-
haßt war, über das Gesicht des anderen gleiten. Er
wandte sich raſch ab, ihm war die Erkenntnis aufge-
pz ~ tmr lr leu wee ot
Ihn soviel wie möglich zu vermeiden, das riet ihm
y ?:: herüber zu den Eltern,“ ſagte er ab-
„ui rein wie iſt es mit der Buchführung in der

e.'' ;



„Ich will es verſuchen, aber wohlverftanden,
Martin, ich verſpreche noch nichts.‘ :
; (Fortſezung folgt.)

Preis vierteljährlich NN

Lisberger drang eine Horde nun die Treppe emo.
um Herrn Köster zu ſuchen, bei welcher Gelege<nenteten.

die, um ihren Mann besorgt, im Hemd aus dem '

einen Revolver bei sich, der die Angreifer zurückschrecktten.

legen, da er viele Verwandte in Walldorf besitzt. .
| Herrn Köſter ſelbſt fand man nicht, er war noch eine

darin, die Herren Köster und Vindewald beim Ven.
laſſen des Hauſes zu überfallen. Auf der Strafen.
wurden von Juden Reden gehalten und Hoch's ausn

aus, aus denen ſich ergab, daß es auf das Leben dee.
Bedrohten abgesehen war, ja, es soll ſogar der Von.

Wäre es da nicht angezeigt geweſen, wenn ſchon die
etwas die Bezeichnnng „Auf r uh r“ verdient, ſo wen

Tumultuanten Ruhe geboten, allerdings ohne Erfolle.

Patrouillen aus und bewachten die Zugänge zum uw
 
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