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Landtags-Wahlkampf herrſcht, haben wieder so recht

. füllt, den politiſchen Gegner persönlich zu verletzen,
zu beschimpfen, zu verdächtigen. Darum ist es in der |

.: Ausfall der Wahl in Baden zum schr großen Teile

hzaorcht hatte, wickelte ſich sacht in die Decken, und fast

. die schweren Damaſtvorhänge von den Fenstern, und



„Der ,„Deutſche Volksbote“ erscheint zweima

f sherUth volt gr T Gus;

Volksbote" Heidelberg. Anzeigenpreis : Die
5-geſpaltene Petitzeile 10 Pfg.

„Ns 78 .



iht

Heidelberg, Mittwoch den 29. September 1897.



Preis vierteljährlich dur den Briefträger
frei in'e Haus gebracht Mk. 1.25, am Poſt-

erg 1 Mk., von unserer Expedition abge-
holt s0 Pfg. Poſtzeitungsliſte Nr. 196442.

+ Hadiſher Volksbote. + Wacht am Rhein. I> Water güer bub, tacfere Hoich in helbsl

S. Jahrgang.





Das llitte VPiertellalr iſt zu Ende.
_ Unsere Freunde bitten wir, damit keine Unter-
brechung in der Zustellung des Deutſchen Volks- |
Boten eintritt, das Abonnement möglichſt umgehend
zu erneuern. Für Bestellung des Deutſchen Volks-
boten bei der P ost befindet ſich ein Bestellzettel auf
der 4. Seite der heutigen Nummer. :

Die letzten Wochen, in denen in Baden der

deutlich die Verlogenheit der liberalen und demokratischen
Presse gezeigt. Sie haben bewiesen, daß derselben faſt
kein Mittel zu schlecht iſt, wenn es nur den Zweck er-

jetzigen Zeit mehr denn je notwendig, für die Ber-
breitung unſerer deutſch-nationalen und anti-
ſemitiſchen Yreſſe zu sorgen, damit das gegneriſche
Lügengewebe ſc<nell gzerrisſn werden kann.
Wir bitten daher alle unsere Parteifreunde,
. nicht nur selbſt auf den „Deutschen Volksboten“ zu
abonnieren, sondern auch denselben in ihrem Bekannten-
kreiſe einzuführen. Möge jeder bedenken, daß der

abhängig ist von der Verbreitung der Parteipresse.
Wenn in allen Orten der in Betracht kommenden
Wahlbezirke der „Deutſche Volksbote‘“ in größerer
Anzahl gelesen wird, ſo wird er auch allgemein auf-
klärend wirken können, und der Sieg bei den Wahlen
iſt unserer Partei dann sichen. :
Mit deutſchem Gruß
Schriftleitung und Verlag des
„dDeutſschen Volksboten."









* Zwei Könige.

(Ein Traumbild aus der ,„Zukunft.")
: Leiſe glitt der Hofzug über die Schienen ......

Nach des Tages vielfachen Erregungen ruhte der Fürſt,
das junge Haupt in die seidenen Kissen geſchmiegt .. ...
Stille und Finsternis nach rauſchender Musik und
Massenjubel . . ÿ . Wie ein ehrwürdiges Wiſpern
gings durch die lange Wagenreihe: „Der König
schläft!‘ KAengstlich hielt, wer noch wach war, den
Atem an, im Vorgemach leerte das Gesinde leiſe den
lezlen vecher, der Leibdiener, der vor der Thür ge-

lautlos glitt der Hofzug durch die Nache.Ö

_ Aber der junge König schlief diesmal nicht lange.
Erst wars ihm, als tappe auf dicken Filzſohlen etwas

um sein Lager, dann, als zöge eine zitternde Hand

endlich, als spürte er dicht an seinem Ohr das Pochen
Menſchenherzens. Er hob, ärgerlich über die

allzu frühe Störung seiner Nachtruhe, das Haupt,
rieb die Augen und sah in dem fahlen Hrau des
dämmernden Morgens einen weißbärtigen, ſehnigen
Greis, der sich eben über den Schläfer gebeugt haben
mochte und sich nun, wie ein Vater oder vertrauter
Freund, auf den Bettrand setzte, daß der lange
schleppende Purpurmantel auf dem weißen Bezug
einem großen Blutfleck in friſchem Schnee glich . . ©
Wirklich : der Greis war in einen Purpurmantel ge-

hüllt und trug auf dem faſt kahlen Kopf eine alte,

ſchon ein hischen beulige Krone mit großen, grob ge-
faßten Edelsteinen. Ein König ? Der junge Monarch

wollte aus dem Bett springen, aber die welke Hand

des Alten drückte ihn ſanft in die Kissen.
*

HvHBleib nur ruhig liegen, viellieber Vetter, Bruder
und Freund; ich sitze ſo ganz gut, ganz bequem, und
wir können behaglich plaudern. Nun erzähle mir mal
von Deinem Leben. Biſt Du mit Deinem Tagewerk

zufrieden?"

„Wenn eines Königs Blut in Deinen Adern
rinnt, wenn Gottes Gnade Dich mit Krone und Purpur

geſchmückt hat, wirst Du verstehen, daß ich zufrieden

sein darf. Nicht in träger Ruhe habe ich mich auf

dem ererbten Thron geräkelt, nicht müſſig im Genuß

der von den hochseligen Ahnen gesammelten Schätze
geſchwelgt. Raſtlos bin ich von Land zu Land ge-

zogen, habe vieler Menschen Städte gesehen und mich

immer bemüht, meinem Volk neue Freundschaft zu
werben. Und meinen Mühen lächelte der Erfolg :
überall ward ich glänzand, begeistert empfangen, konnte
in ſchwungvoller Rede für die Wohlfahrt der Völker
wirken und unlösliche Bande knüpfen.“.

_ „Und wie lange dauert Das nun wohl ſchon ?“"

„Bald sind zehn Jahre verstrichen, seit ich den

Thron bestieg." :

„Und Du bist sicher, daß Du in dieser Zeit

Dein Reich gemehrt und die Wohlfahrt Deines Volkes

nach Kräften gefördert haſt ?

„Ich bin ſicher. Ich muß es ſein, denn die
ganze Welt iſt meines Lobes voll und nennt mich
preiſend einen Eroberer der Herzen. Nicht meine
Unterthanen nur, nein, auch Fremde, die unserem Land
früher feindlich gesinnt waren, rühmen mich. Weshalb
ſollten Fremde, denen ich keine Guzft, keine Gnade zu
rr nt "Weil Da, Here Bruder, ein König
biſt, der höchſte Vertreter eines starken Staates, dem

Deine Ahnen in der Welt Macht und Ansehen gesichert

haben und mit dessen Schwergericht auch der lauernde

Feind rechnen muß. Zu meiner Zeit wurden wir

Könige immer ängstlich, wenn Fremde uns allzu laut
lobten; wir fürchteten dann, mit unserer Macht könnte

es ſacht zu Ende gehen, und der Boden, auf dem wir

stehen, heimlich unterwühlt sein, ohne daß wirs auch
nur ahnten. Und zu meiner Zeit konnte ein König
doch viel mehr noch als jetzt, da er zwischen die engen
Gitter einer Verfassung eingezwängt iſt. Auf fremdes
Lob solltest Du, Lieber, nichl geben, sondern nur sorgen,
daß Du im eigenen Lande den Sinn der Besten gel
winnsſt. Js Das Dir gelungen ?
der Bürger gewachsen, die von Herzen der Monarchie
und ihrem Träger zugethan snd’?
„Ich . . ja, ich glaube es. Mißvergnügte und
Unzufriedene, die hetzen und wühlen, findet man freilich
überall; aber im Ganzen .
sein. Und ich kann auch den Wert der Huldigungen,

die mir in der Fremde ſo reichlich dargebracht worden,

nicht gar so gering anschlagen. Die Kaiser und Könige,
die mich umarmen und küſſen, ſind mir in aufrichtiger

wegt, lieben mich wirklich.“ .

Wirklich? Was haſt Du, Herr Bruder, denn
für sie gethan, daß ſie Dich lieben sollten? Sie jubeln,
weil Du buntes Leben in ihre Städte bringst, die
Massen herbeiziehſt und ein Schauſpiel bieteſt, für das
man kein Eintrittsgeld zu zahlen braucht. Sie werden
noch lauter jubeln, wenn nach Dir mit noch größerem

Troß Dein Todfeind ihrem Herrscher einen Besueh

abſtatte. Wer auf den Beifall der Menge, auf die

wechselnde Laune der Massen, die Königsmacht gründe,

hat auf Flugsand gebaut. Und die Küſsſe der viellieben
Vettern! Weißt Du nicht, was seit Gethſemane oft
Männerküsſen gefolgt iſt?
nicht selten ~ meinetwegen auch immer ~ ehrlich;
aber in unserem Geschäft herrſcht nicht das Gefühl,

kennst die Geschichte wahrſcheinlich besser als ich alter.
Schattenkönig und weißt wohl, daß die Umarmungen
der Monarchen häufig das Vorspiel zu Kriegen waren,
in denen die Völker Gut und Blut opfern mußten.“

„„Und wäre Alles so, wie Du sagst : iſt es etwa
auch wertlos, daß ich auf meinen Reiſen mir den
Gesichtskreis weite, in allen Ländern unseres Weltteiles
die Einrichtungen, Sitten und Stimmungen eifrig enn.
forſche und sehe, wie in den verschiedenſten Städte.

| ſich die Verwaltung bewährt, wie das Volk lebt um

stirbt, ſchafft und gemeßt ?[“ : .
„Liebster, wir sehen ja nichts. Schon für den
einfachen Sterblichen wird das inner e Erleben stets

wichtiger sein, als die bunteste Fülle äußerer Einn.

drücke. Wir Könige aber, – wir Armen ~ mögen die
ganze Welt durchwandern : wir sehen nichts Neues,
ſehen was wir immer sahen. Glaubteſt Du, irgend
ein Land oder Volk zeige Dir sein wahres Gesicht?

| _ eines
I N CH G G S G G G G G G G zn ;

Feuilketon.



Der Eine und der Andere.
îErrgzählung von Hans Warring.
(Nachdruck verboten.)

“Martin ſchlägt nach seiner Mutter, –~ das war
eine Frau," sagten die Leute.

Der junge Menſch fand überall, wo er sich auch
zeigen mochte, Bewunderer und Schmeichler. Selbst
solche, die ihn früher seiner Herrſchſucht und Gewalt-
thätigkeit wegen gemieden hatteu, fanden sich jetzt zu
ihm und warben um ſeine Freundſchaft.

Es dauerte nicht lange, ſo war er zu einem
Gegenstand des Neides für alle jungen Leute der Stadt
und Umgegend geworden. „Wer es so kann," sagten

ſie und blickten ihm nach, wenn er vorüberfuhr im ele-
ganten, leichten Wägelchen und seine beiden mutigen
Grauſchimmel lenkte. Und nicht nur die Augen der
Männer folgten ihm, er merkte bald, daß auch die
Blicke der Frauen mit einem Ausdrucke auf ihm ruhten,
der ſein Blut in raſchere Wallung brachte. Der junge,
reiche Lippert aus der Buſchmühle war für die Töchter
des Landes eine bedeutſame Persönlichkeit geworden.
Früher hatte man ihn übersehen, — jetzt huldigte
man ihm und versuchte, seine Aufmerkſamkeit zu
erregen.

/ äs war klug genug, den richtigen Grund hierfür
wohl einzuſehen. Er wußte wohl, daß er immer ein
hübſcher, stattlicher Burſche gewesen war, aber er



mußte erſt zu Geld gelangen, ehe man ihn gelten ließ.
Dieſe Erkenntnis blieb nicht ohne Wirkung auf die
Entwickelung seines Eharakters. Sie erhöhte in ihm
den Hang zur Ueberſchäzung des Geldes und dessen,
der es beſaß, und verſchärfte den Zug zur Menſchen-
verachtung - wenigstens desjenigen Teiles der Menſchen,
die er wegen ihrer Besitzlosſigkeit wegen „armſeliges
Gesindel‘ nannte – ein Zug, der schon immer in
ihm gelegen hatte. Jenes Lächeln, das die Oberlippe
höhniſch emporzog, erſchien immer öfter auf seinem
Gesichte, seine übermütige Selbstüberhebung trat immer
deutlicher hervor, und über seine Herrſchſucht und die
Nichtachtung der Rechte anderer fingen an allerlei
Gerüchte umzugehen.

Das that aber seinem Ansehen bei dem größten
Teil der Menſchen keinen Einirag.

„Der verſtehts ~ der wird in die Höhe kom-
men, das Zeug dazu hat er!“ hieß es. Aus dem
Städtchen kamen ihm allerlei Aufforderungen zu Festen
und Vereinen zu, und nachdem er die sich um ihn be-

mühenden Väter der Stadt eine Zeitlang auf seine

Entscheidung hatte warten lassen, entſchloß er ſich,
ihrer Ressource beizutreten. Seitdem sah man das
kleine, leichte Gefährt mit den beiden Grauſchimmeln
oft durch die Straßen der Stadt dem „weißen Hirſch"
zurollen, wo sich die Mitglieder zu ihrem Abend-
schoppen zu versammeln pflegten. Auch von dem
Fenster des Schreinerhofes aus, wo der alte Andrees
im Lehnstuhl saß, beobachtete man diese Fahrten des
jungen Besitzers. Die Augen des Mannes leuchteten
auf, wenn er ihn sah, und jedesmal rief er Marianne
herbei, damit sie ſich auch an dem Anblick erfreue.

„Wer hätte das jedacht, Marianne, daß es unserem
Sohne so gut gehen werde! Sieh doch, iſt er nicht
ein Prachtkerl ? Wie er die Pferde im Zug hat! Auch
vu u Vethet hält er am Schnürchen, – der
verſteht’s !" | w.
_ und nicht ein Wort von Rudolf, der fern von
der Heimat des Königs Rock trug und im Staub und
Schweiß des Exerzierplazes in Sehnsucht der Eltern
gedachte! Nicht ein Gedanke der Anerkennung für
ihn, der ohne Sträuben die ſchwere Dienstpflicht auf
sich genommen hatte, während der andere die ihm da-
durch gewährte Freiheit genoß, wie etwas, das ihm
unfraglich zukam ! :

Der Mutter Herz zog ſich in solchen Augenblicken
sſchmerzhaſst zuſammen, und sie hatte Mühe, die bittere

unterdrücken. Aber auch der Sorge um Martin konnte
sie ſich nicht entſchlagen. Seine häufigen Fahrten be
unruhigten sie und ließen sie fürchten, daß der junge
Mann seine ungewohnte, früh erlangte Freiheit miß-
brauche. Und eines Tages, als er einen seiner ge-
wöhnlichen Besuche zur Beaufsichtigung der Wirtſchaft
machte, gab sie dieser Sorge Worte.

„Darüber kannst du ruhig sein, Mutter," sagte
er, und jenes Lächeln, das seine weißen Zähne bloß-
legte, umſpielte seinen Mund. „Jch gehöre nicht zu
jenen Dummköpfen, die ſich leicht hinreißen lassen, ich
gehe nie weiter, als ich will. Du darſſt auch nit
glauben, daß dieſe Abendſchoppen mit den Bierphili-
stern mir große Freude machen. Ich betrachte sie nicht



als Zweck, ~ sie ſind mir nur das Mittel –". Er
verſtummte plötzlich. (Fortsetzung folgt.)

Und iſt die Zah-.

. . Nein: ich darf zufrieneen.

Freundſchaft ergeben, und die Völker, deren stürmische.
Jubelruf an mein Ohr dringt und mein Herz tief ben.

Gewiß ſind die Küſſennſn

sondern die Sucht, einen Vorteil zu erliſten oder zu
ertroßgen, und sobald dieser Sucht Sättigung winke.
| sind ſchnell selbſt die zärtlichſten Küsse vergesſen. Dn

Klage, die sich ihr auf die Lippen drängen wollte, zue
 
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