Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
. die . Misthaufen - Rede“

anders sein müßte.



„Deutſche Volksbote“ erſcheint zweimal

Ft lich. Verlag und Leitung: Heidel-
' rcsruetirghe * Frleratetdrehe.

s-geſpaltene Petitzeile 10 Pfg.

+ Hadiſher ICC — Watt am Rhein. 3-



Preis vierteljährlich durch den “Vriefteäger
frei in'z Haus gebrocht Mk. 1.25, am Poſt-
ſcholter oder durch unfere Boten in Heidel-
berg 1 Mk., von unserer Expedition abge-
r: 80 Pfg. Poſtzeitungsliste Nr. 1964 a.



M 76.
ö Eaubere Waffen.

„Intelligenz“ ~ „Bildung* ! Es ist wohl noch
niemals eine nationalliberale Rede geredet worden, in
der nicht „der geehrte Herr Redner" mit Pathos er-







.. LMklätt hätte, daß seine Partei, was Intelligenz und

Bildung anlange, gewissermaßen an der Spitze der
Menſchheit ſpaziere. Wenn man von großen Worten
auf entsprechende Th aten zu ſchließen berechtigt wäre,

_ dann allerdings müßte man heilloſen Respekt vor der

Bildung und dem Anstandsgefühl der Anhänger der
Jmationalen“ und liberalen“ Partei bekommen. In
| der Wirklichkeit schaut es jedoch mit den viel gerühmten
Eigenschaften oft recht windig aus. Wir erinnern

- nur an die Art und Weise, wie die nationalliberale

bad. Kammerfraktion unsern Abg. Pfister er nieder-
zuheulen verſuchte, um ihn einzuſchüchtern. Erſt als

dieser sich das „al:b ern e La ch en" verbat, ließ man

von den Aeußerungen gesellſchaftlicher und parlamen-
tariſcher Unbildung ab. – Wir erinnern ferner an
des nationallib. Heerführers
Fieſer, ein Muster „parlamentarischen“ Tones, für
das er bei irgend einer Prämiierung den erſten Preis
redlich verdient hätte. Auch die ,„berühmte" Karls-
nruher Rede des Oberbürgermeisters S < n e ler zeugte
bekanntlich von außerordentlichem ,Taktgefühl“.

Und nun gar erſt die nationalliberale Partei-
preſſe! Schimpfworte wechſeln in ſchöner Reihen-
folge ab mit Verdächtigungen, Denunzia-
tionen, Verdrehung en und Unwahrheiten.
Wer das Unglück hat, aus geschäftlichen oder dienſt-
lichen Gründen ein Exemplar einer gewissen Amtspresſe

hjalten zu müssen, wird uns, wenn er objektiv zu ur-

teilen verſteht, Recht geben. Diejenigen, welche am
lauteſten über den „Jeſuitismus" schreien, huldigen oft

elbſt am stärksten dem, jeſuitischen“ Grundsatz: „Der

Zweck heiligt die 'Mittel.“
_ In verſtärktem Maße entwickelt die nâtiozalli-
dberale Presse gerade jetzt ihre liebliche Eigenschaft. Da
erſcheint ihr kaum ein Mittel unangebracht, wenn es
nur imſtande ist, den politiſchen Gegner persönlich in
der Oeffentlichkeit herabzuſetzen; sie thut es ja zu dem
gjlöblichen* Zwecke, ihrer Partei der „Bildung“ ein
Landtagsmandat zu retten.

Der „D eutsch e Vo llksbote“ teilt auch gerne
kräftige und ſcharfe Hiebe aus, aber Au ge in Auge
und mit bla n ken Waffen; vergiftete Pfeile aus dem

_ Hinterhalt sind eines deutſchen Mannes unwürdig.

Wie aber kämpft die nationalliberale Partei ?

Es liegt uns fern, die Heidelberger Führer der Par-

tei mit ihrem Parteiorgan in denselben Topf zu
i ſiing’zse.t " lh lr z
t ſcharf mißbillig t, wir haben uns auch nicht be-

Heidelberg, Mittwoch den 22. September 1! 1897.

8. Jahrgang.



sonnen, e hr li che Gegnerschaft als solche anzuer -
kennen und die Sache von der P ers on zu trennen;
aber was soll man dazu sagen, wenn – wie es

wie der h olt geſchehen iſt – in den nationalliber-

alen Verſammlungen dem antiſemitiſchen Gegner von

einem nationalliberalen Redner mit Taſchenſpielerge-

ſchicklichkeit Behauptungen in den Mund gezaubert

werden, die dieser n i cht ausgesprochen hat, um auf

Grund solcher unterge ſcho b enen Behauptungen
über ihn herzuziehen und ihn womöglich zu verdächti-
t .f BU cg etiuther vc:
u vu ver .u niemand zu behaupten wagen. ss

iſt aber eine ſpeziell natio nallib era le Monier, die

politiſchen Gegner als Umſstürzler hinzuſtellen, um so
die Wähler von diesen „ſchlimmen Leuten" abzu-

schrecken.

_ Hand in Hand damit geht die reâelméßia wieder-
kehrende und von den verschiedensten nat.-lib. Rednern
gebrauchte Andeutung, als ob Se. Kgl. Hoheit der
Großherzog ein Mitglied der nationalliberalen
Partei sei; ja der Herr Bürgermeiſter B a rth e r von
Meckesheim ſprach es wörtlich aus: „Unser G ro ß-
herzog iſt ein nali onallibera ler Mann."
Dem Herrn Bürgermeiſt.: selbst nehmen wir die Worte

nicht übel, er sprach nur die Meinung aus, die Führer

der nationalliberalen Partei in ihrer Anmaßung
haben. Heißt das nicht,
den Großherzog, der ein Landesvater aller
seiner Unterthanen ist, der Parteilichkeit
beſchuldigen?! Es ſteht einer Partei, die mit
ihrer Fürſtentreue so arg protzt, ſehr ſ < lech t an,
den Namen des Landesfürsten in den Parteikampf
hineinzuzerren, um für Parteizwecke die Wähler
us Ewe irſwsctes
pfung Sr. Kgl. Hoheit des Großherzogs Friedrich.
Jeder badiſche Bürger, außer den Sozialdemokraten,
ſteht treu zu Kaiſer und Reich, zu Fürst und Heimat-
land, und nicht am wenigsten ein Deutſcher Re-
former, auf deſſen Banner der Wahlspruch ſteht :
„Für Deutschtum, Thron und Altar.“ Ein
Gegner, der solche Waffen, wie die oben genannten,
gegen uns braucht, kämpft einen unehrli chen Kampf,

dem Volke eingeimpft

seine Waffen sind s < m utz ig

Doch zurück zu der rutcrz;liberalen Parteipresse !
Wir haben unseren Lesern ja ſchon einige Proben aus
der vorzüglichen „Heidelberger Zeitung“ mitgeteilt, ſie

kennen also schon. ein wenig den g,gebildeten? Ton

derſelben, sie wissen, daß die Verunglimpfung von
Personen ihr Mittel zu Parteizwecken ist. Nur ein
Pröbchen aus der Nr. 218 wollen wir noch etwas
niedriger hängen. Es handelt sich um den Bericht
über eine nat. lib. Versammlung in Waldwimmers-

] bach, auf die wir noch an anderer Stelle zu sprechen

kommen werden. In der Einleitung des Artiklsee..

wird es zunächst als eine Heldenthat gepriesen, das
die nationalliberalen Herren (es waren übrigens 9 Mann

hoch in 2 Chaiſen) eine so weite Strecke, 21/1, Stun.

den (!), sich hinausgewagt hätten, um die Waldwim-
mersbacher Wähler zur allein glücklich machenden nati-
onalliberalen Partei zurückzubekehren. Leider haben
die Waldwimmersbacher diese große Reiſeanſtrenn.
ung und die hohe Ehre, die ihnen so kurz vor der

Wahl zuteil geworden iſt, nicht so recht geſchäßt, dam
die Herren Nationalliberalen mußten unverrichteter
Sache wieder abziehen und kamen bei ihren heimatlice.

Penaten um !/22 Uhr Nachts (man höre!) wieder an.

Welche bösartigen Traumgebilde die Herren im Schlafe

umſchwebten, darüber schweigt ſich der Amtsverkündin

ger leider aus. ~ Sodann heißt es wörtlich weite.

in dem Bericht:

„Herr Goebel, Henexalſekretór der deutſchsozialen
Partei, traf mit einem Fuhrwerk des Herrn Konſul

Menzer aus Neckargemünd dort ein. Als Assiſtent des .

Herrn Goebel machte s durch Zwiſchenrzfe in der Ver-
ſammlung ein Herr Dr. Pfaff an der Freiburger Uni-
verſitätsvibliokhek bemerkbar, der in Waldwimmersbach,
rt tt ztiter, Gemahlin, ſeine Sommerfkriſche zu

Welche Absicht mag wohl der Nennung des Na-

mens M enz e r zu Grunde gelegen haben ? Solle_
es etwa ein wenig Neid sein, weil die Herrn vm

„Bildung und Besitz“ sich mit Lohndrosſchken begnügen

mußten? Es iſt auch gar zu empörend, daß einne.
t zm cours. c

„einen“ Dr. Pfaff. Gleicht die über ihn gemachte
Bemerkung nicht einer ganz gewöhnlichen D enu nzi a-
ti on wie ein Ei dem andern? Wir haben wenige.
stens von allen Leuten, die wir üher ihre Ansicht/
befragten, die Antwort erhalten:
das eine Denunziation bei der Freiburger Univerſitäts-
behörde sein!“ Vielleicht weiß die „Heidelberger Ztg.“s,
daß der derzeitige Prorektor Rosin der Freiburger Üni-
verſität ein Vollblutj u d e iſte. Ueber die Person
des Herrn Dr. Pfaff iſt allerdings die „Heidelberger
Ztg.“ nicht so recht orientiert. Der Herr iſt nämlich
d er in Freiburg wegen seines Wissens und seines
geraden und festen Charakters sehr b ek annt e und
h ochgea chte te Universitätsbibliothekner Dr. Pfaff.

M Warum auch deſſen Frau G emahlin in den

Amtsverkündiger hineingemußt hat, isi uns vollends
unerfindlich. Sie hat doch keine Zwischenrufe gemacht,
ja iſt über haupt nicht in der Verſammlung ge-

| wesen. – Alſo warum ? + darum ! — nationallibe-

rale Bildung! –

Der Schluß des Verſammlungsberichtes in der

„Heidelb. Ztg." iſt des Anfangs würdig:





Feuilleton.



Der Eine und der Andere.
Erzählung von Hans Warring.

(Nachdruck verboten.)

„Diesen Vorwnrf verdiene ich nicht, Martin.
Zch habe verſucht, es zu ändern," sagte Marianne mit
i y! Liyen - „aber ich ſtieß auf beiden Seiten auf
iderſtan
„Du gabſt dich zufrieden, weil deinem eigenen
; Kinde der Vorteil zufiel.'"
d Rudolf, der bis dahin unbeweglich gesessen hatte,
den Kopf in die Hand gestützt, trübe vor sich hin-
starrend, sprang bei dieſen Worten in die Höhe.
Ein ungeheuerer Zorn kochte in ihm, seine Augen
ammten.
„Du wagſt es, ſo zur Mutter zu fprecheir ! Un-
dankbarer Burſche !" rief er.
Martin wandte ſich mit einer ſeiner läſſigen,
‘trägen Bewegungen halb nach ihm um. Es lag etwas

_ unaussprechlich Uebermütiges, Ueberhebendes in der

Art, wie er, ihm die Schulter zukehrend, ihn von oben
bis unten maß. /
HvWagen! Wähle deine Worte besser !"

„Um Gottes willen, haltet Ruhe !‘’ flehte die
Mutter. ,„Vergesset nicht, daß der Vater drinnen tot-
krank liegt. Und Martin spricht mit einem Anſschein
des Rechts. Auch ich habe mir oft gesagt, daß es

Aber so oft ich auch eine Aen-

| verstorbenen Mutter ähnelte.
_ | mehr und hätte ihm sein Eigentum lieber hinterlassen,

verbarg,



derung beabsichtigte ~ ich drang bei den beiden Männern
nicht durch. Dein Vater, Martin –~"

„Ja, ich weiß wohl," unterbrach er sie, „mein
Vater mochte mich nicht, vielleicht, weil ich meiner
Er liebte den Fremden

als seinem eigenem Kinde. Erſt in der Todesſstunde

erwachte sein Gewissen, und da hat er verſucht, gut

zu machen, was er sein Leben lang an mir gesündigt,

und ſelbſt da noch ließ er dir ein Hinterpförtchen offen."

M „Du haſt dich nie um ſ eine Liebe bemüht,
artin !‘

„Nein, denn ich wollte nicht betteln, wo ich ein
Recht 'hatte zu fordern! – Jch bin daran gewöhnt,
zurückgesetzt zu werden – der andere" — und er
blickte auf seinen Milchbruder herab, der auf einen
Stuhl geſunker war und sein Gesicht in den Händen |
„der andere hat ja alle Herzen im Sturm
erobert. Aber ich kann auch so leben, ich verlange
mein Recht und weiter nichts! Bis auf den letzten
Augenblick ist es mir streitig gemacht worden, jetzt
werde ich es zu verteidigen wisſen! ~ Jch "werde
noch heute um einen längeren Urlaub einkommen und

mein Gesuch damit begründen, daß mein Pflegevater,

yr ' mein Erbteil verwalten sollte, totkrank darnieder-
iegt."

Er stand noch ein paar Augenblicke neben dem
Tiſche, vielleicht wartete er auf eine Antwort. Da
keine erfolgte, zündete er sein Licht an und verließ
mit einem „Gute Nacht" die Stube.

Es blieb lange Zeit still zwiſchen den beiden
Zurückbleibenden. Marianne betrachtete mit trübem



Blick den jungen Mann, der beide Arme auf den.

Fi slot und den Kopf darin vergraben, ihr gegen-
er sa

„Wirst du mir auch Vorwürfe machen, mein
Sohn ?“ fragte sie endlich mit Thränen in der Stimme.
Der junge Mann richtete ſich langſam empor.

„Nein, Mutter, niemals! Ich weiß ja, daß deine
Absicht stets gut und gerecht iſt. Aber – Mutter ~
weshalb haſt du mich heranwachsen lassen in der
Ueberzeugung, daß ich das Kind aus der Mühle sei,
daß ich ein Recht hatte, auf alles was ich dort em-
pfing? Jeder Tag, den ich dort verlebte, hat die Ueber-

zeugung fester in mir gemacht, daß jener schöne Erden.

fleck meine rechte Heimat sei, - jedes Winkelchen in
dem Hauſe iſt mir teuer, – jeder Baum im Garten
~ jeder Halm auf dem Felde! Wie oft hat der Ohm
mir. gesagt : Das soll einmal dir gehören, ~ du haſt
t!ô : aft ct dit f wert ift qu z yy
iſt ein anderer dort der Herr — einer, dem ſich keine
liebe Erinnerung daran knüpft und ich bin aus-
gestoßen und heimatlos !"

Er ließ den Kopf wieder auf seine Arme ſinken,
und "h lautloses, leidenschaftliches Weinen erschütterte
einen Körper.
| “Gott verzeihe mir, – ich habe gegen mein
Liebſtes am schwersten gesündigt !" sagte nach langer
Pauſe die Frau mit tonloſer Stimme.

„Aber eine Entschuldigung habe ich, Rudolf : Ich
habe "hin und her geschwankt und zu keiner Ueber-
zeugung kommen können.

(Fortsetzung folgt.)

„Natürlich ſſ
 
Annotationen