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„Der ,„Deutſche Volksbote“ erſcheint zweimal
wöchentlich. Verlag und Leitung: Heidel-
berg, Bahnhofstraße 9. Telegramm-Adresse :
Volksbote" Heidelberg. Anzeigenpreis : Die
5-geſpaltene Petitzeils 10 Pfg.
+ Badiſher Yalksbote. - Wacht an Rhein. 3
Preis vierteljährlich durch den Briefträger
!! 1.21 ger h Me. 1.26. ar Poe.
berg 1 Mk., von unserer Expedition abzen
holt s80 Pfg. Poſlſtzeitungsliſte Nr. 1964 a.
&\ô BS.
Antisemiten, seid auf der Wacht!
tau Her Wahlkampf ist zuende, auf zum Wahl-
"yp!! lert Deutsch-soziale Reformpartei hat, wie Ihr
wißt, bei den badischen Landtagswahlen einen glänzenden
Sieg über die nationalliberale Partei errungen. Dieser
Sieg darf uns aber nicht verleiten, nunmehr besſchau-
licher Ruhe zu pflegen und der Erinnerung an er-
rungene Erfolge, nein, wir hoheti yr heuer Nut
Ziel .lt de Gt ! u reformeris chen
Gedanken immer mehr Geltung zu verschaffen, damit
er endlich in allen deutſchen Volksvertretungen der
h err \ <h end e werde, zum Besten des Volkes, zum
Wohle unseres teueren Vaterlandes. ;
Im nächften Frühjahr + vielleicht ſchon früher ~
stehen die Neuwahlen für den Reichstag be-
vor. Während die Landtage nur über das Wohl und
Wehe eines Teiles der deutſchen Bevölkerung zu be-
. raten und zu beschließen haben, treffen die Entſcheid-
ungen des Reich st ag es das deutſche Volk in ſeiner
t their ud tech Nett?ts ritr e:
Fragen zu beraten haben, Es herrſcht z. B. in ge-
wiſſen mächtigen Kreiſen das Bestreben, das allge-
meine, gleiche, dir ekte Wahlrecht einzu-
ſc<hränken. Dem s ächsis < en Volke haben Na-
tionalliberale und Konservative, kraft ihrer Mehrheit
î im Parlament, ſchon das direkte Wahlrecht ger a ubt;
in Baden haben die Nationalliberalen dem Volke das
direkte Gem eind ewah lrecht ebenfalls genommen,
und sie widersetzen ſich dem berechtigten Wunſche des-
selben nach Einführung eines allgemeinen direkten
Landta g swah lr echtes. Wird diese Partei nicht
auch die politiſchen Rechte des Volkes verraten, wenn
im Reichstag eine Einschränkung des jetzigen Wahl-
ſyſtems beantragt werden ſollte? Einer Partei, die in
dieser Hinsicht schon so viel auf dem Gewissen hat,
m u ß man so etwas wohl zutrauen. Darum gilt
es, ſtets auf der Wacht zu stehen, es gilt, der deutschen
Nation die politiſchen Rechte zu erhalten! !
Es werden aber auch in wirtſchaftlicher
Hinsicht schwer wiegende Fragen im Reichstage zur
Entscheidung kommen. Eine gründliche Steuer-
W'U12; zh ) h Su z,
Auch da ift es der Liberalismus, der bis zum heutigen
Tage hauptsächlich die Interessen des Gr o ß kap i ta ls
efördert hat. . . t . GÜ
| bet Es d auch, nicht am wenigsten, die Löſung der
Judenfra ge weiter durch einschneidende Gesetz-
gebung herbeizuführen, und in dieser Hinsicht iſt es
einzig und allein unsere antiſemitiſche Deutſch-
Heidelberg, Mittwoch den 3. November 1897.
g! eu Reformp artei, auf die man ſich ver-
assen kann. |
f Heiß und schwer wird der Kampf werden, da die
demokratiſchen und liberalen Parteien mehr oder
weniger von den Juder abhängig ſind und deshalb
vereint über uns und unsere Führer herfallen. Wir
werden aber trotzdem siegen, da das gute Recht auf
unserer Seite ift. Aber die Führer allein sind, selbst
wenn sie mit größter Selbftaufopferung sich der guten
Sache widmen, nicht imstande, allenthalben aufklärend
zu wirken. Ein jeder Antisemit muß dazu beitragen,
daß unser Parteiprogramm, unsere volksfreundlichen
Bestrebungen weit und breit bekannt werden. Wir
würden ſchon viel mehr erreicht haben, wenn nicht in
weiten Kreiſen der Bevölkerung ganz unrichtige
Ansichten herrschen würden über das, was wir wollen.
Woran liegt das? —~ Einzig daran, daß die
verjudete liberale und demokratiſche Presse weit und
breit gelesen wird. Die Unwahrheiten, Verdrehungen
und Entstellungen, welche diese feile Preſſe über unſere
monarchiſche, nationale und volksfreundliche Bewegung
den Leſern auftiſcht, werden geglaubt und erregen ein
V orurteil gegen unsere Partei, welches ſchwer aus-
zurotten ift. .
Darum, Antisemiten, sorgt dafür, daß auch Eure
Presse, die Preſſe, welche Eur e eigenſten Interessen
vertritt, die Verbreitung erlangt, die ihr gebührt, was
eine unerſchrocken geleitete Zeitung bedeutet, das haben
ja die badiſchen Landtagswahlen klar bewiesen. Der
HvDeutſche Volksbote“ war sofort auf dem Plane,
sobald von unseren Gegnern Unwahrheiten über unsere
Partei ausgeſtreut wurden; er deckte alle Umtriebe
derſelben auf, so daß unsere Freunde stets in der Lage
waren, falſche Behauptungen und Unterstellungen auf
ihren wa hr en Wert zurückzuführen. .
Daß unsere Partei im 49. bad. Wahlbezirk einen
so hervorragenden Sieg errungen hat, daß iſt ſicher-
lich zum großen Teile auch dem Deutschen Volks-
b o ten zu danken. Wenn ihr also wünſcht, daß auch
die Reichstagswahlen unserer Partei neue Siege
bringen, so sorgt bei Zeiten dafür, daß der Volks-
bote allenthalben Eingang findet. Werbet Abouneuten,
denn da der Volksbote keine gut bezahlten Juden- und
Schwindelannoncen aufnimmt, welche die H a up te i n-
na h me der ganzen gegneriſ cen Presse bilden, so
ift er faſt nur auf den Ertrag des Abonnements
angewiesen. Abonniert kann j e d erzeit werden, z. B.
jezt für die beiden Monate No v em ber und D e-
z emb er, und der Bezugspreis isſt ein ſo geringfügiger
daß j e derm ann ſich denselben leiſten kann. Je
weitere Verbreitung eine Zeitung hat, desto mehr wird
sie auch in „oberen Regionen“ beachtet werden, deſto
größer iſt ihr Einfluß auf die Gesamtpolitik, deſto
förderlicher wird sie unserer guten und gerechten Sache
S. Jahrgang.
sein können. Darum nochmals : Abonniert sſelbſt und
werbet in Eurem Bekanntenkreiſe für den ,
„Deutſchen Volksboten !‘\
Blütenlese aus dem Wahlkampf
in Heidelbergkan.
_ Wir haben ſchon wiederholt die unanständige Art
und Weise niedriger gehängt, wie die „vornehme“
nationalliberale Partei den Wahlkampf gegen uns ins
Werk gesetzt hat. Gehäsſsiger wie es von jener Seite.
geſchehen ist, kann überhaupt wohl nicht gekämpft.
werden. Den Anfang machte das „,elegante" Heidel-
berger Partei-Organ, die „Heidelberger Ztg.“, mit
einer Beſchimpfung unseres Abgeordneten Mampel,
und immer ärger, immer toller ging es in diesem
Blatte fort. Sehr stolz dürften die Herren, welche an
der Spitze der nat.-lib. Partei in Heidelberg ſtehen,
und von denen auch wir einige persönlich sehr hoch.
achten, nicht sein auf solche Preßvertretung.
Aber nicht die Zeitung allein hat einen unedlen
Kampf geführt. Ein gleicher Vorwurf gebührt ge-
wissen nationalliberalen Wortführern. Ist es z. B.
nicht ſchmählich, daß ein Geistlicher, der Pfarrer Volk
in Heddesbach, und nach ihm noch andere, die in der
Gesellſchaft eine hervorragende Rolle zu spielen be-
rufen sind, dadurch unserer Partei Abbruch zu thun
ſuchten, daß. sie die Strafen des antisemitischen Rednees
Herrn Reuther inj übertriebener Weise aufzählten?
Die Strafen des Herrn Reuther find nicht ehren-
rühriger Natur; er kann trotz derſelben jedermann
frei ins Gesicht ſehen. Wenn wir dagegegen die
nati ona ll ib er ale Partei nach der Beſtrafung
ihrer Wortführer beurteilen wollten, ſo müßte man
sagen, daß sie eine Betrüger p arte i sei.
Wir erinnern nur an die zahlreichen Bestrafungen
nationalliberaler Ortshäuptlinge wegen Unterschlagung
und sonstiger Betrügereien, die im letzten Jahre allein
im südlichen Deutſchland vorgekommen sind. Einer
ihrer Matadore ſitt ja noch in Mannheim in
Unterſuchungshaft wegen raffinierter Betrügerei und
| Hehlerei. Wir haben nichts davon bei der Wahl-
agitation vorgebracht, weil wir dies für un anständig
halten. Die „vornehme" Nazzenpartei hat andere
Moralbegriffe..Ö Y
: Man hat uns vorgeworfen, wir machten Ver-
ſprechungen, die nicht gehalten werden könnten. Den
Beweis dafür blieb man uns aber ſchuldig. Wenn
aber von Versprechungen die Rede sein soll, so wollen
wir uns doch einmal die Nationalliberalen ansehen.
Die hervorragenste Leiſtung in dieser Hinsicht, der
„beſte Record“ würde der Sportsman sagen, iſt unter
aller Umständen die des dreifachen Abg. Konsul Weber,
Feuilleton.
Der Eine und der Andere.
Erzählung von Hans Warring.
(Nachdruck verboten.)
" . yDas kann ſchon ſein," sprach Marianuve, „er
ſchleicht ohne Freude hier im Hauſe herum. –~ Mein
î_ Mann ist kein Freund von Hunden."
_ HjJIch nehme das Tier gern — lieber heute als
| morgen," sagte Rudolf.
„O, Ihnen gebe ich es –~ das wäre das Beste!
Aber das muß erſt ſo nach und nach. kommen. Ich
werde es bei Gelegenheit vorbringen."
„Aber er mag ihn doch nicht."
„Ja, aber wenn er merkt, daß andere ihn mögen –~"
Sie brach plötzlich ab, und eine ſschamvolle Röte be-
deckte ihr Gesicht. Wie klang doch manches, das sie
sagte, so gehäsfig, – was mochte der Schwager nur
von ihr denken. Und doch war sie sich bewußt, nichts
Unwahres geſagt zu haben. Rudolf half ihr über
ihre Verlegenheit hinweg.
| „Das iſt der richtige Martin, wie er ſchon als
Kind war!" sagte er lachend. „Gegen ein Spielzeug
wan er so lange gleichgültig, bis es einem andern
| gefiel, ] dann erſt gingen ihm die Augen für seine
| EH auf. Darin ſcheint er sich nicht verändert zu
| haben." .
_ r stand auf, um Abschied zu nehmen.
„Ich möchte nicht gehen, ohne Martin gesehen
zu haben," sagte er, ihr die Hand reichend’ ,ich
denke, ich werde ihn in der Mühle finden.“
„Ja wohl, in der Schneidemühle, da giebt es
jetzt viel zu thun wegen der großen Bauten in War-
genau. Bitte, grüßen Sie die Eltern herzlich."
Er ging. Schon auf dem großen Platze vor
der Mühle, wo die großen Hölzer lagen, die zu
Dielen geschnitten werden sollten, hörte er Martins
laute, ſcheltende Stimme. Er war wieder einmal im
Streit mit Witte, dem Werkmeiſter; er heftig bis zur
Unzurechnungsfähigkeit, Witte ruhig, aber mit einer
Schärfe antwortend, die von einem geringen Grade
von Respekt gegen ſeinen Prinzipal zeugte.
~ „und kurz und gut, Herr Lippert, ich habe
nicht nötig, mir von einem hineinreden zu lassen, der
von der Sache nichts verſteht. Entweder Sie lassen
mich ſelbständig arbeiten oder ich gehe."
„Mir recht, je eher, je lieber," schrie Martin.
„Also in vierzehn Tagen, zum Erſtenn.
„Meinetwegen auch gleich !“
„Mir recht, ~ also ſchon heute:"
Er wandte ſich kurz ab und schritt dem Hauſe
zu, wo in einem Giebel sein Zimmer lag.
Hy„H Witte, Sie wollen die Buſchmühle, die Sie ſeit
faſt 15 Jahren geführt haben, wirklich im Stiche
lassen ?" fragte Rudolf, vorwurfsvoll.
„Ich will nicht, aber ich muß! So kann es nicht
weiter gehen! Herr Gott, was hat Ihre Mutter ge-
thay, als sie uns den da hier in die Mühle hinein-
etzte !"
z; „Doch nur, was ſie thun mußte, Witte !"
Wenn der Verſtorbene, als er sein Teſtamen
machte, noch seine volle Ueberlegung gehabt hätte, wäre
es anders gekommen. – Ich will Ihnen sagen, was
kommen wird: in ein paar Jahren hat der dort ~
er wies mit einer Kopfbewegung nach Martin hin –
die Mühlenwerke heruntergebracht, daß sie wertlos
ſind wie ein Butterbrot. Na, mir kann es recht ſein,
~ mir thut nur die Frau leid!" |
Er ging.
„Wie wirſt du so raſch einen anderen Werk-
tie bekommen ?" fragte Rudolf den herantretenden
ruder. :
„Das werd ich dir sagen : ich werd mein eigener
Yertuciſter sein. Auf dieſe Weise spare ich Aerger
un eld!“ |
H „Aber, Menſch, du verstehſt doch von der Sache
nichts !‘ .
„Soviel wie so ein Kerl verſteh ich allemal.“
„Du unterſchätzeſt den alten Witte.
seltener Tüchtigkeit und Fachkenntnis. Dem Ohm war
er wie seine rechte Hand.’
Der andere lächelte. .
„Den Ohm konnten ein geschmeidiges Weſen und
glatte Manieren bestechen ~ ich seh tiefer!“
Hier war weder zu raten, noch zu helfen, das
ſah Rudulf. Er sagte Adieu und ging. . Ihm war
das Herz ſchwer, wenn er alles überdachte, was er
geſehen und gehört hatte, und vor allem that ihm die
junge Frau leid. Sie ſah nicht aus, als ob ſie leichte
Tage hätte; in ihren Augen lag auch jener hilfesuch-
ende, traurige Blick, den er bei dem alten, wahrsehein-
lich oft mißhandelten Tiere wahrgenommen hatte.
(Fortsetzung folgt.)
Er iſt. van