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Steigerung der Brotpr eiſe, hat das französiſche
_ Volk in Erregung gebracht. Es erinnert die Situation

! und Brotwucher begehrte. Bekanntlich trat Marat

nach"Mitteln zur Abhilfe und gelangte zu dem soge-
S.. Allerdings vermochte man mit diesem mechanischen

wéitsz

. rer un d Aufkäuf er, die das Volk aushungern
_ wollen. Wie oft hat man diese Verſchwörung

. Gebäuden oder in Wäldern zuſammen; nein, am

. ie ſich, um das Volk auszu hung ern und

' Phraſen kommen, die ohne jeden Wert ſind.

_ ung in der Kammer am vergangenen Sonnabend

die Getreidepreiſe in die Höhe getrieben.

_ es auf den Lidern mit den langen Wimpern, als ob

î nicht oft hingehen, ich muß ſuchen, sie zu vermeiden,

ziehen wollte.

_ das Werihnachtsfeſt nahte mit seinen alle Hände be-





„Der ,„Deutſche Volksbote" erſcheint zweimal



Preis vierteljährlich durch den Brieftträzken..

üheilih. Fries tet. eôé: € HPadiſher Polksbote. – Watt am Rhein. 2 kit gßens grraht Mt 125-,sn Pole

Volksbote“ Heidelberg. Anzeigenpreis : Die
s-geſpaltene Petitzeile 10 Pfg.

! 1 Mk., von unserer Expedition abge-
holt s0 Pfg. Poſtzeitungsliſte Nr. 19644.





s SY. w t Heidelberg, Samſtag den 6. November 1897. 8. Jahrgang.





E

Die Kornwucherer.
„Die Teuerung in Frankreich, d. h. die eminente

an gewisse Epiſoden aus der ersten franzöſiſchen Re-
volution, wo das Volk sich hungernd zu den Ver-
sammlungen drängte und Hülfe gegen den Getreide-

damals heftig gegen die Wucherer und Auf-
käuf er (!) auf und wurde deshalb von seinen Gegnern
als „H etzer" (!) bezeichne. Aber man ſuchte doch

nannten Maximum des Preiſ es, d. h. es
wurden die Preiſe aller Waren behördlich festgesetzt.

Mittel das Uebel nicht zu beseitigen, weil der
Warenmarkt ſich nicht beliebig Gesetze vorſchreiben

„Wie vor einem Jahrhundert, so erhebt sich auch
Heute im ffranzöſiſha Volke ein Sturm
gegen die große Ver ſchwörung (!) der Wuch e-

als ein Phantom bezeichnet. Ach, sie iſt leider kein
Phantom. Sie besteht, seitdem es einen Waarenmarkt
giebt. Sie ift allerdings keine Verſchwörung nach dem
hiſtoriſchen Muster. Nicht in dunkler Nacht kommen
die Verſchwörer, vermummt und verlarvt, in entlegenen

hellen Tage, auf d er Börſe (!) verbinden

. den Rahm. von. den Erträgnisſen ſeiner
... Arbeit abzuſchöpfen ... . . q. |
| „Man ſpricht vom q,legalen" und ,,illegalen"
Handel. Allein wo hört denn der ,legale" Handel |
auf und wo fängt denn der g,illegale an? Das iſt
ſchwer zu bestimmen und die Händler und Wucherer,
sowie deren Patrone mögen uns nur nicht mit ſolchen

„Die franzöſiſchen Sozialiſten haben die Regier-

interpelliert. Mit Recht haben sie dabei die Frage
des Freihandels und Schutzzolls bei Seite gelassen,
denn die Theuerung entsteht aus anderen Ursachev.
Nicht das Ernteergebnis, sondern die B örſ ens p e ku-
lanten, sagte der Interpellant Gérault-Richard, hätten

„In der That, die Ernte mag ergiebig sein oder
nicht, die ſh am lose Spekulation mit ihren un-
sauberen Manövern weiß die Sache immer so auszu-
beuten, daß die B örſs enva mpyr e (!) den Gewinn
davon tragen und daß das Vo olk die Zeche bezahlen
muß. . . ." –~ |T. - :

Durch Hinzufügung von Redezeichen haben wir
angedeutet, daß wir dieſe Ausführungen einer anderen
Zeitung entlehnl haben. Das wird aber ein richtiges
„Agrari er-Hetzbb latt" sein, das so etwas schreiben
kann, wird ein biederer Liberaler, Demokrat und
Sozialdemokrat bei ſich denken, wenn er das Obige
liest. Aber mit nichten! Dieſe „Hetze“ gegen die
„Wucherer und Aufkäufer“, gegen dieſe „Verſchwörung
der Wucherer", gegen die „Börse und ſchamlose Speku-
lation“, gegen die „Börſsenvampyre“ mit ihren „un-
sauberen Manövern“ haben wir keinem andern Blatte
entnommen, als der – ſsozia lde mokratiſch en
„Volks stim m e'“ in Mannheim !! !

Was werden dazu die graußen Börfenmänner
sagen, welche die Sozialdemokratie so reichlich mit

Geldmitteln bedenken, aus denen der sozialdemokratischen

Presse der Löwenanteil zufällt? Es ist wirklich recht
unvorsichtig, ſo aus der Rolle zu fallen.

Wahrſcheinlich, um nicht gar zu sehr Anstoß zu |
erregen, bekommen die Agrarier, oder, wie ſich die

Antiagrarier außerdem noch auszudrücken pflegen, die
„Junker" auch ihren Teil ab. In der Einleitung
schreibt nämlich das genannte Sozzenblatt: „Die
preußiſchen Junker verlangen staatliche Maßregeln, die
ihnen geſtatten, den Kornwucher auf die Spitze zu
treiben und das garze Deutſche Reich auszupowern.
Die französischen Bourgeois (Aus dem übrigen Text
zyiebt st \ Bürſenſpekulaut, ". t's§s: | At .f
iſt. D. Red.) sind den preußiſchen Junkern im Korn-
wucher über und sie bringen es fertig, das Land aus-
ra: ohne ef Hz! hinz dabei mit gesetzgeberiſchen
Maßregeln zu Hilfe kommt.". | lécu ue dutsg d

Die Maßregeln aber, welche die „preußischen
Junker‘“ ~ und nicht die allein, sondern die gesamte
Landwirtschast treibende Bevölkerung, der Großgrund-
beſizer wie der kleine Bauer + verlangen, ſiellen
gerade das Gegenteil dessen dar, was man Kornwucher
P t Ms
ſie ein zu tiefes Sinken vermeiden.

Anerkennenswert iſt es jedoch, daß die sozialdemo-
kratiſche Zeitung den Börsenspekulanten als ein größeres
UVebel betrachtet als den ,,unersättlichen Agrarier“..
Warum aber, ſragen wir, nehmen denn die Herren

Sozzen stets die Börse in Schutz, wenn es gilt,

dieſer einige goldene Borsten auszuzupfen? Warum
haben gerade die Reichstagssozzen sich zur Leibgarde
der Börse erniedrigt, als es galt, ihr den schamloſen
Wucher mit dem Brote des Volkes zu verbieten?
Sollte jetzt nachträglich vielleicht der sozialdemokrati-
ſchen Partei ein kleines Licht aufgegangen sein? Wir
nehmen wenigstens an, daß die Auslassung der

Volksstimme nicht bloß „ Stegmüllerei‘“ iſt, sondern

die Anschauungen ihrer ganzen Partei wiedergiebt.
In Zukunft werden wir also keine ſozial-

demokratiſche Gegnerſcha t zu besorgen haben,

wenn wir dem GBöürsenſpekulantentum harr auf

dem Nacken sitzen. Die Volksstimme ist entrüſtet, daß
man den „großen“ Marat einen „Hetzer“ nannte,
als es den Getreideſpekulanten und Aufkäufern zu
Leibe ging. Ebenso nennt man uns „Hetzer“ wenn
wir das Kind bei dem richtigen Namen nannten. Wir

werden uns freuen, wenn wir in der Volksstimme eine
Bundesgenossin finden werden gegen den Kornwvuchen.



Zum Verſtändnis der Sturmſihung im
öſterreichiſchen Abgerordnetenhaule

über die wir in voriger Nr. berichtet haben, dien.

tit; fel t9?es. rritkuatmme der das Deutſchtum der
Sudetenländer auf's ſchwerſte treffenden Badeniſchen

Sprachenverordnungen für Böhmen nnd Mähren zu

U T Le N quer. a ue,the!
Fraktionen von vornherein mit einer energiſchen Ob-
struktion eingesetzt und es durch geschickte Ausnutzung
der Geschäftsordnung des Hauses dahin gebracht, daß,
abgesehen von den Wahlen zu den Delegationen und
der Notstandsvorlage, über welche eine große Meinungs-

verſchiedenheit überhaupt nicht obwalten konnte, bishee
nur die erſten beiden Anträge der Minderhiet aft.

Versetzung d es Ministeriums B adeni in
Anklagezuſtan d, und zwar diejenigen wegen des
Erlasses vom 2. Juni d. J., betreffend die Ueber-.
machung politiſcher Versammlungen, nnd wegen der
Vorgänge in Eger, erledigt werden konnten. Für den
Grafen Badeni, der ſich, wie man allgemein annimmt,

dem Kaiser Franz Joſef gegenüber zur Durchführunn.

des Ausgleichsprviſoriums verpflichtet hat, wurde unter
diesen Umständen die Lage immer bedenklicher. Während
von jenseits der Leithe, wo das Parlament das
Provisorium inzwiſchen bereits genehmigt hat, sehr

deutliche Drohungen herüber klangen, daß Ungarn,

falls der Ausgleich nicht auch in Oesterreich auf ver-
fassungsmäßigem Wege. d. h. unter Zuſtimmung des
Parlaments, zuſtende kommen ſollte, aufgrund des
§ 66 des Ausgleichsgesetzes vom Jahre 1867 ſelbst-
ständig über die gemeinſamen Angelegenheiten ent-

scheiden werde, hatte die öſterreichiſche Oppoſitiinmn in.

ihrer dritten Miniſterank lage wegen der
Badeniſchen Sprachenverordnungen eine weitere bequeme
Handhabe, die Anberaumung der Beratung über das
Ausgleichsproviſorium beliebig lange hinzuziehen, sie
auch ganz zu vereiteln. Um dem vorzubeugen, hatte
uun Graf Badeni die Mehrheitsparteien zu einem





Feuilleton.

Der Eine und der Anderee.Ô

Erzählung von Hans Warring.
(Nachdruck verboten.)



DWie hatte Marianne sich seit jenem sonnigen
Sommertage, wo er sie zuerſt gesehen hatte, verändert !
HWie hatten damals die braunen Augen ihn angelacht,
jetzt lachten die Augen nicht mehr, wie ein Drucé lag

ſie sie nicht recht zu heben wagte. „Da kann niemand
helfen, ich am allerwenigsten," sagte Rudolf zum Ab-
ſchluß seiner Gedanken halblaut vor ſich hin, „ich darf

wenn ich ehrlich und rechtſchaffen gegen den Bruder
handeln will. Auch ihr bin ich das ſchuldig, denn
auch ſie '

' : brach sein Selbstgeſpräch plötlich ab. Das
Blut floß ihm ſiedend heiß durch die Adern, wenn er
ihrer Thränen beim Wiederſehen, ihrer mühſam be-
kämpften Erregung gedachte und daraus ſeine Schlüſſe

Die Wochen vergingen und wurden zu Monaten,
schäftigenden Vorbereitungen. Im Schreinerhof wurden

Honigkuchen eingeteigt und eine große Gänſe-
ſchlächterei gehalten, wie alljährlich. Die Mutter wirt-



ſchaftete friſch und fröhlich im Hauſe herum wie eine

junge Frau, und ihre Stimme klang warm und er-
quickend heiter in des Sohnes Zimmer herein, wenn

sie ihren Mägden Befehle gab oder ihrem Andrees
die Zeit verplauderte. Für ſie war wirklich das Glück
gekommen. Jeder Tag war ſcc<hön, und die
Arbeit, die er brachte und die sie vorher mit dem
Sohne überlegt und verabredet hatte, gehörte mit zu
dem Schönen, das er mit sich führte. Aber das Schönſte
waren. doch die Abende, wenn die Läden vor den
Fenstern geſchlossen waren und der große, grüne Kachel-
ofen behagliche Wärme aussſtrahlte. Der alte Andrees
nickle im Lehnstuhl daneben, die Lampe brannte hell,
das Spinnrad ſurrte leiſe, und Rudolf kam mit seinen
Büchern herbei, um vorzulesen. Nur eins trübte
dann ihr vollbefriedigtes,. wunſchloſes SBlück: daß
drüben der Martin eine so freud- und ſegenslose

Wirtiſchaſt führte, und daß die liebe Kleine es nicht

auch ſo gut haben konnte wie fie. Wenn ſie in tas
Herz ihres ſtets ſo heiter und ruhig aussehenden
Sohnes hätte blicken können, dann wäre es freilich
mit ihrem ſchönen Glücke vorbei gewesen. Da hätte
ſie allerlei entdeckt, was ihr Sorgen, ſchwere Sorgen
gemacht hätte, dann hätte sie erfahren, daß sein heiteres
Gesicht nur eine Maske war, hinter welcher ſich ein
bedrücktes, ſorgenvolles Gemüt verſteckte.

Wie die Dinge jetzt in der Mühle standen, hatte
er nicht abſchlagen können, dem Bruder bei der Füh-
rung der Bücher beizuſtehen. Der Martin war faſt
den ganzen Tag in der Mühle, wo es wetterte und
Hure: und allwöchentlich ein Wechsel der Leute vor
ich ging.

„Solch ſchlechtes Gesindel ist nie früher in der
Mühle gewesen," hieß es in der Umgegend.

Und die junge Frau klagte der Mutter : „Jmmer



giebt es Zank und Streit, die Mühlknechte stehlen sich

gegenseitig Kleider und Geld weg, da werden sie unſee

Eigentum noch weniger ſchonen.“

„Ein Jammer ist es, wie die Eva aussieht, gane

hohläugig und vergrämt,"“" sagte die Mutter.
„Da mußt du helfen, Rudolf, schon ihret-
wegen !"

ß Er hatte gezögert, ſo lange es ging, endlich gab
er nach. Täglich brachte er ein paar Stunden in der
Mühle bei den Rechnungsbüchern zu. Da Martin
die jenſeits des Flures gelegene Schreibſtube nicht
heizen ließ, war er mit ſeinen Arbeiten auf Evas
Wohnstube angewiesen, wo ein großer Tiſch für ihn
an das eine Fenster gerückt worden war, während Eva
vor ihrem Nähtiſchchen am anderen ſaß. Sie waren

beide fleißig und sahen nicht oft von ihrer Arbeit auf,.

aber wenn sie es thaten, ſo war es wunderbar, wie
rot Eva oft wurde, und wie lange Rudolf dann da-

saß, den Kopf in die Hand gestützt, ohne doch in ſine.

Arbeil vorwärts zu kommen. Und über ihre Lippen
aber kam nichts, und es ſollte auch ewig unausge-

sprochen bleiben, das war ihr redlicher und feſtee

Entschluß. ;
f.. ar am Weihnachtsabend, als Rudolf in
früher Nachmittagssſtunde in Evas Wohnſtube trat, die
er wider Gewohnheit leer fand. Die Thür zum Neben-
zimmer war geſchloſsſen, doch that sich jemand leiſe darin
bewegen. Etwa zehn Minuten später wurde die Thür
leiſe aufgeklinkt, und die junge Frau trat ein. Er
sah sogleich, daß sie geweint hatte, obgleich sie augenschein-
lich, um die Spuren ihrer Thränen zu vertilgen, Gesichts
und Augen mit Waſſer gekühlt hatte. (Forts. folgt.)
 
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