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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 31,1.1917

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Heft 1 (1. Oktoberheft 1917)
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Neurath, Otto: Das umgekehrte Taylorsystem: auch etwas zur Auslese der Tüchtigen
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Vom Heute fürs Morgen
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https://doi.org/10.11588/diglit.14422#0043

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trrebsorganisationen, Berufsanordnungen untersuchen können. Man würde
sich bemühen, in Versuchsanlagen den Linfluß des Wechsels landwirtschast-
licher und industrieller Arbeit zu erproben, der nicht zum wenigsten auf
der Hoffnung beruht, welche der Linzelne in sich hegt, daß es nun bald
„Agrarferien", daß es nun bald „Industrieferien" gibt. Urlaube und Re°
konvaleszentenfürsorge werden oft durch einen Wechsel der Beschäftigung
ersetzt werden können. Freilich erfordert dies alles, daß der heute sich
mächtig entfaltende Wille, die Kriegswirkungen möglichst rasch zu über-
winden, ein klares Ziel vorfindet. Dann ist es möglich, daß wir nach
dem Kriege durch organisatorische Reformen nicht nur die dauernden Schä-
digungen, welche der Krieg mit sich bringt, wett machen, sondern darüber
hinaus ein glücklicheres Dasein schaffen, als vor dem Kriege bestanden hat.

Es wäre für die gesamte Kriegsfürsorge, für die gesamte Sozialpolitik
und nicht zuletzt für die gesamte Volkswohlfahrtspflege von Bedeutung, das
„umgekehrte Taylorsystem" praktisch auszugestalten, von Bedeutung, so
viel verschiedenartige Berufsformen, so viel verschiedenartige Organisations-
typen zu haben, daß möglichst zahlreiche Menschen ihren Fähigkeiten und
Neigungen entsprechend beschäftigt werden können. Schafft geeignete
Berufe und geeignete Organisationsformen für geeig-
nete Menschen! Otto Neurath

Vom Zeute fürs Morgen

„Gottesstaat"

as war einmal ein kühner Traum,
den das Mittelalter ausspann,
der höher und gewaltiger noch ins
Himmelblau hineinwuchs als seine
stolzen Dome: Die ganze Menschheit
auf Erden in innigem harmonischen
Heilsverbande zu einigen, geläutert
und bereitet für das himmlvche Got-
tesreich im irdischen Gottesstaat. Wo
hätten wir heute der großartigen
Geschlossenheit und Einheit dieser
Idee Entsprechendes entgegenzu-
setzen? Wo hätten wir etwas, das,
gemäß der planetarischen Erweite-
rung unseres tzorizontes, politisch so
wuchtig über Einzelgeschick und Völ-
kerleben hinausragte?

So weit Menschen wohncn, so weit
wirren und wallen Gegensätze in er-
bitterter gegenseitiger Befehdung.
Ist das Ringen uferlos, hoffnungs-
los geworden? Wird das Ende Zer-
rissenheit bleiben — oder sollte jener
mittelalterliche Traum von der Eini-
gung der Menschheit mehr als mit-
telalterlich sein?

Wer ein feines Ohr hat, wird in
diesem Weltgetöse nicht bloß die paar
Stimmen frommer Katholiken hören,
die ihre Zuversicht an die Verwirk-
lichung des gottesstaatlichen Gedan-
kens aus ihrem Glauben schöpfen
— ist ihnen doch die ganze Ewigkeit
zu dem Erringen ihres Ideals ge-
geben. Nein, er wird allenthalben
in der Welt das tiefe Sehnen der
Menschen und der Völker rauschen
hören nach einer ideellen Ordnung
aller staatlichen Zustände auf unserm
Planeten. So viele Völker, ja, so viele
Menschen, so viele verschiedene Far-
ben hat dieses Sehnen. Aber alle die
Einzelträume vom gemeinsamen Le-
ben kristallisieren sich um einzelne
wenige große Ideenkerne, wie an den
republikanisch-demokratischen und den
monarchisch-demokratischenGedanken.
Wird aus diesen heraus, wie aus
den Nebelhaufen dieSonnen werden,
die eine große Ideensonne rollen,
die der Menschheit den Weg weist?

Die bewegende Kraft ist da, ist
lange d«. Iene eine gewaltige Sehn-

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