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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 31,1.1917

DOI Heft:
Heft 3 (1. Novemberheft 1917)
DOI Artikel:
Weinel, Heinrich: Das Erbe der Reformation
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https://doi.org/10.11588/diglit.14422#0131

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klebt, im ganzen dre Brbel noch ungeschichtlrch betrachtet, das alte DoLma,
auch wo er es religiös überwunden hatte, mit Ehrfurcht als letzte Wahr-
heit behandelt rrnd von der damals ihre ersten Schritte machenden
Naturwissenschaft, zumal von der Astronomie, nichts wissen wollen.

«»-»nsere Aufgabe hat also zu sein, eine evangeiische V er fassrrn g-d er
^-Kirche zustande zu bringen, wie sie auf lutherischem Gebiet nur kurze
Zeit versucht, auf reformiertem, da Zwingli und Calvin günstigere Ver-
hältnisse und größere Liebe zur Sache hatten, viel mehr gefördert, anch
durch die Kirchenverfassnngen des s9- Iahrhunderts auf die meisten
lutherischen Kirchen stückweise übertragen worden ist. Durch die kon-
fessionelle Mischung und Verstadtlichung unseres Volkslebens ist sie erst
recht notwendig geworden. Lebendige Gemeinden, deren Glieder durch
wirkliche Mitarbeit sich als die Träger der Sache anzusehen gewöhnt
werden und die sich durch Wahlen selber ihre Führer setzen, zusammen-
geschlossen in den alten Landeskirchen nach den Stammeseinheiten des
Volkes, die Landesfürsten mit allen Ehren, aber ohne Zwangsgewalt,
alle Landeskirchen geeint in einer nach innen schaffenskräftigen, von außen
schwer zu erschütternden Reichskirche, so wird die religiöse Gemeinschaft
selbständig und lebendig. Mag die Zukunft uns die Trennnng von
Kirche und Staat oder die engere Verbindung beider bringen, nur dieses
in sich kräftige Gebilde wird sein, was es sein soll, wie der Staat sich
auch zu ihm stellen mag.

Im Staat haben wir seine Verchristlichung weiterzuführen als seine
Ambildung nach den höchsten Idealen der Menschheit: Gerechtigkeit,
Barmherzigkeit, Reinheit, Liebe. Sie ist in den letzten Iahrhunderten
mit seiner Entkirchlichung — seltsamer und doch verständlicher Weise —
Hand in Hand gegangen. Die Schule hat Luther selbst noch von der
Kirche an den Staat gewiesen als dessen heilige Pflicht. Die Befreiung
der Massen, die der Bauernkrieg versucht hatte, ist durch die Revolution
gekommen. Dazu ein menschlicheres Recht — Abschaffung des Hexen-
prozesses und der Folter, auch der wahnsinnig harten Eigentumsstrafen
aus primitiver Ilnterschätzung menschlichen Lebens und menschlicher Ehre,
Linführung der Lrziehung in die Strafe, Gefangenenfürsorge — sozialer
Schutz und soziale Hilfe, all das hat den Staat dem christlichen Ideale
immer näher geführt. Diese Arbeit ist nicht mehr den Revolutionären,
Philanthropen, Freimaurern und Schwärmern zu überlassen, sondern
— freilich nur durch die Klärung und Stärkung der Gewissen — der
Christenheit zurückzugewinnen, die solche Ideale der Welt geschenkt hat.
Endgültige Verchristlichung des Rechts zur Erziehung, volle Durchführung
sozialer Gerechtigkeit und Hilfe, Beseitigung des Krieges sind die vor uns
liegenden Ziele.

Der Wissenschaft ist ihr volles Recht zu geben. So selbstverständ-
lich es ist, daß der Kampf gegen die Eintragung vorchristlicher oder
unchristlicher Lebensideale durch philosophische Systeme nicht aufhören
kann, zumal wenn sie bewußt das Christentum ersetzen oder verdrängen
wollen, so selbstverständlich ist, daß das rein wissenschaftliche Weltbild
unserer Zeit mit dem christlichen Lebensgehalt vereinigt werden darf und
kann. Ia, es ist geradezu die noch ungelöste Aufgabe unserer Zeit, eine
einheitliche Lebens- und Weltanschauung zu finden, die, vom christlichen
Inhalt nichts verschüttend, alle uns neu zugewachsene Erkenntnis zu einein
 
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