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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 31,1.1917

DOI Heft:
Heft 5 (1. Dezemberheft 1917)
DOI Artikel:
Hoffmann, Paul Theodor: Deutsche Militärische Jugenderziehung
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https://doi.org/10.11588/diglit.14422#0195

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geberischen Arbeit muß eine auf dem Grundsatze der Freiheit beruhende Er-
ziehung zur selbstverantwortlichen Persönlichkeit sein". Als Hauptforderungen
für den Inhalt eines deutschen Iugendgesetzes stellt Felisch folgende auf: l. Maß-
nahmeu zugunsten der Iugend (VorbeugUng, Schutzerziehung, Ersaherzichung,
Arbeit, Regelung von Einzelheiten im Leben der Iugendlichen, Eingriffe in die
Rechte der Gewalthaber, Schaffung von Iugendfürsorgeämtern usw.). 2. Maß-
nahmen zugunslen der bürgerlichcn Gescllschaft gegen gewisse Iugcndliche (Krimi-
nalität, Iugendgerichte). 5. Wirtschaftliche Maßnahmen (Erziehung zur Wirt-
schaftlichkeit, Hhgiene, Besserung der Wohnungsverhältnisse). Eingliederung
der Fürsorgetätigkeit der bürgerlichen Gesellschaft, die heute, namentlich bei der
Waisenpflege, viel zu unorganisiert ist. Ferner fordert Felisch eine einheitliche
Iugendpolitik: „Icdes Einschrciten gegen einen Iugendlichen muß die gleich-
zeitige Förderung von dessen Heil erstreben. Nichts darf geschehen, um die Iugend
sich für bestimmte Zwecke zu crobern, alles nur, um ihr zu dienen und sie sclbstlos
zu fördern." Aus dem weiteren Inhalt der überaus lcsenswerten Schrift sei noch
hervorgehoben, daß Felisch auch cine Verständigung mit österreich-Angarn über
die Grundlagcn des Iugendgesetzes fordert und auf die Rechte der Einzelstaaten
gegenüber dem Reichsgesetz eingeht.

Für vergleichende Gesichtspunkte in dcr militärischen Iugenderziehung wird
auch die Schrift von F. Kemsies * von Wert sein, die nebcn Felischs Sonder-
arbeit sich als recht bedeutsam erweist. Kemsies gibt nicht nur die zuletzt ge°
wonnenen Resultate, sondern er bringt auch ihre gedankliche Entwicklung. Es
gelingt ihm, bei gründlicher Behcrrschung des Stoffes zugleich auch über diesem
zu stehen. Daher vermag er das Ganze zu überschauen und sich vor einseitiger
Einstellung auf das Militärisch-Körperliche mit Vernachlässigung des Geistigen
zu bewahren. Sehr wertvoll sind seine Ausführungen, wie sich die Forderungen
dcr Iugendwehr zu denen dcr bestehenden Schuleinrichtungen und der Hhgiene
stellen. Das Buch ist das beste Mittel, sich gründlich über alle zu streifenden
Fragen zu unterrichten.

Gegenüber Moh und Graevenitz hebt Kemsies besonders die Bedeutung deS
pädagogischen Momentes hervor: „Die nicht unberechtigte Befürchtung, daß ein
zu straffer Soldatengeist und blinde Gehorsamsforderung in die Erziehung ein-
ziehen könnten, dürften die Lehrer in crster Linie abzuwehren in der Lage sein,
indem sie Iucht und Strafgewalt iiu pädagogischen Sinne auffassen. Nicht der
Korporal, der das Vorgcsctztenvcrhältnis hcrauskehrt, sondern der Erzieher,
dem die Iugend volles Vertrauen entgegenbringt, ist der rechte Mann." Es
kommt Kemsies auf eine möglichst vollkommene Ausbildung des künftigcn
Deutschcn nach allen Seiten hin an.

Außerordentlich beachtenswert scheint uns die Schrift von Fr. W. Focrster
und A. von Gleichen-Nußwurm über „Das Reichs°Iugendwchr-Gesetz".**
Die strittige Frage wird hier, wie sonst nirgends, von allen Seiten her aus-
giebig beleuchtet. Für jedes besondere Gebiet spricht hier ein erfahrener Fach-
mann. Leonard Nelson, Fr. W. Foerster und Gleichen-Nußwurm untersuchen
die ethische und pädagogische Bcdcutung der soldatischen Iugeuderziehung.
Nelson warnt vor „Militarisierung" in dem Sinne, daß ein äußercs Zwang-
shstem die freie Entwicklung der Iugend unterbinde, er weist auch auf die
schlimmen politischen Folgen hin, die ein derartiges Vorgehcn haben würde,

* F. Kemsies, Die vaterländische und militärische Erziehung der Iugend.
Voß, Hamburg l9l5.

** 87 S. Verlag Naturwissenschaften, G. m. b. H., Leipzig (9(7.
 
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