niert; denn die Einhegung des Ge-
rneindelandes machte ihm die Vieh--
haltung unmöglich. Der kapitalisti-
sche Farmer, der land- und rückgrat-
lose Landarbeiter und der Krämer
wurden zu Werkzeugen der Zer-
störung im Dienste des von Adam
Smith, Ricardo und Malthus ver-
herrlichten rücksichtslosen Kommer-
zialismus. Der englische Landbe-
wohner war diesen Mächten umso
hofsnungsloser preisgegeben, als ihn
die herrschende Klasse völlig isoliert
hatte. Die anglikanische Geistlichkeit
ist volksfremd. Sie war in England
nie bauernfreundlich wie in Frank-
reich und Deutschland. Ebenso volks-
fremd ist die englische Anwaltschaft;
die ländlichen Anwälte sind gewisser-
maßen Angestellte der Gemeinde-
kassen, auf die das .niedere Volk
nicht den geringsten Einfluß auszu-
übeu vermag. Noch nach mehr als
hundert Iahren seit dem Siege des
Parlamentarismus über den Abso-
lutismus war im englischen Parla-
ment vou irgend welchem Einfluß
der breiten Massen der Bevölkerung
kein Hauch zu spüren. Im Iahre
1793 richtete die Society of Friends
of the People eine Petition an das
Unterhaus, worin berichtet wurde,
daß 137 Mitglieder von 84 Personen
ins Parlament geschickt wurden und
150 anders Mitglieder von der Emp-
fehlung durch 70 mächtige Personen
abhingen. Aber die Beziehungen
dieser Mitglieder zu ihren Patronen
sagte Fox im Iahre 1794: „Wenn
die Gentlemen bevölkerte Städte und
Ortschaften vertreten, dann ist es eine
Streitfrage, ob sie der Stimme ihrer
Wähler oder der ihres eigenen Ge-
wissens folgen sollen. Wenn sie aber
einen edlen Lord oder einen edlen
Herzog vertreten, dann gibt es kei-
nen Zweifel mehr, und der wird nicht
als ein Ehrenmann angesehen, der
nicht augenblicklich den Befehlen
eines einzelnen Wählers gehorcht."
In 46 Städten, die 90 Mitglieder
wählten, betrug die Zahl der Wäh-
ler damals weniger als 50, in 19
anderen, die 37 Mitglieder wählten,
weniger als 100. Diese Konzentra-
tion der Macht in den Händen weni-
ger macht es verständlich, daß noch
in der zweiten Hälfte des 18. Iahr-
hunderts nahezu 5 Millionen Acres
Bauernland durch Parlamentsakte
zur Etnhegung bestimmt wurden.
Als die Demokratisierung des eng-
lischen Parlamentarismus begann,
hatte die Masse der englischen Bevöl-
kerung allen wirtschaftlichen Rückhait
zur Ausübung ihrer Rechte verloren.
Sie konnte mit der ihr bescherten
politischen „Freiheit" so wenig an-
fangen, wie die kontinentalen Völ-
ker mit der Freihandelslehre, durch
die sie die englischen „Klassiker" der
Nationalökonomie menschenfreund-
licherweise der Mühe eigenen wirt-
schaftswissenschaftlichen Nachdenkens
zu entheben suchten. Starke pluto-
kratische Züge trägt übrigens das
englische Wahlrecht noch heute, und
die größten Erweiterungen hat es
erst in den letzten Iahrhunderten und
während des Krieges erfahren.
Iedenfalls ist es recht und billig,
die englische „Demokratie" nach ihren
Früchten zu beurteilen. Was hat
diese angebliche Volksherrschast für
das eigentliche Volk geleistet? Ein
so wenig der Befangenheit gegen-
über den freiheitlichen Formen des
politischen Lebens in England ver-
dächtiger Beurteiler wie Franz Op-
penheimer sagt darüber: „In keinem
anderen Lande westlicher Zivilisation
ist die soziale Schichtung so bös wie
in Großbritannien; nirgends ist die
Grundlage aller Volkskraft, Volks-
wohlfahrt und Gesittung, der Grund
und Boden so verderblich verteilt;
nirgends lebt die untere Klasse in
so tiefer Anterdrückung, Verwahr-
losung, Armut und Hoffnungslosig-
keit. . Denn nirgends darf sich ein
wüster, hemmungsloser Kapitalismus
im Raubbau am Glück und Leben
W2
rneindelandes machte ihm die Vieh--
haltung unmöglich. Der kapitalisti-
sche Farmer, der land- und rückgrat-
lose Landarbeiter und der Krämer
wurden zu Werkzeugen der Zer-
störung im Dienste des von Adam
Smith, Ricardo und Malthus ver-
herrlichten rücksichtslosen Kommer-
zialismus. Der englische Landbe-
wohner war diesen Mächten umso
hofsnungsloser preisgegeben, als ihn
die herrschende Klasse völlig isoliert
hatte. Die anglikanische Geistlichkeit
ist volksfremd. Sie war in England
nie bauernfreundlich wie in Frank-
reich und Deutschland. Ebenso volks-
fremd ist die englische Anwaltschaft;
die ländlichen Anwälte sind gewisser-
maßen Angestellte der Gemeinde-
kassen, auf die das .niedere Volk
nicht den geringsten Einfluß auszu-
übeu vermag. Noch nach mehr als
hundert Iahren seit dem Siege des
Parlamentarismus über den Abso-
lutismus war im englischen Parla-
ment vou irgend welchem Einfluß
der breiten Massen der Bevölkerung
kein Hauch zu spüren. Im Iahre
1793 richtete die Society of Friends
of the People eine Petition an das
Unterhaus, worin berichtet wurde,
daß 137 Mitglieder von 84 Personen
ins Parlament geschickt wurden und
150 anders Mitglieder von der Emp-
fehlung durch 70 mächtige Personen
abhingen. Aber die Beziehungen
dieser Mitglieder zu ihren Patronen
sagte Fox im Iahre 1794: „Wenn
die Gentlemen bevölkerte Städte und
Ortschaften vertreten, dann ist es eine
Streitfrage, ob sie der Stimme ihrer
Wähler oder der ihres eigenen Ge-
wissens folgen sollen. Wenn sie aber
einen edlen Lord oder einen edlen
Herzog vertreten, dann gibt es kei-
nen Zweifel mehr, und der wird nicht
als ein Ehrenmann angesehen, der
nicht augenblicklich den Befehlen
eines einzelnen Wählers gehorcht."
In 46 Städten, die 90 Mitglieder
wählten, betrug die Zahl der Wäh-
ler damals weniger als 50, in 19
anderen, die 37 Mitglieder wählten,
weniger als 100. Diese Konzentra-
tion der Macht in den Händen weni-
ger macht es verständlich, daß noch
in der zweiten Hälfte des 18. Iahr-
hunderts nahezu 5 Millionen Acres
Bauernland durch Parlamentsakte
zur Etnhegung bestimmt wurden.
Als die Demokratisierung des eng-
lischen Parlamentarismus begann,
hatte die Masse der englischen Bevöl-
kerung allen wirtschaftlichen Rückhait
zur Ausübung ihrer Rechte verloren.
Sie konnte mit der ihr bescherten
politischen „Freiheit" so wenig an-
fangen, wie die kontinentalen Völ-
ker mit der Freihandelslehre, durch
die sie die englischen „Klassiker" der
Nationalökonomie menschenfreund-
licherweise der Mühe eigenen wirt-
schaftswissenschaftlichen Nachdenkens
zu entheben suchten. Starke pluto-
kratische Züge trägt übrigens das
englische Wahlrecht noch heute, und
die größten Erweiterungen hat es
erst in den letzten Iahrhunderten und
während des Krieges erfahren.
Iedenfalls ist es recht und billig,
die englische „Demokratie" nach ihren
Früchten zu beurteilen. Was hat
diese angebliche Volksherrschast für
das eigentliche Volk geleistet? Ein
so wenig der Befangenheit gegen-
über den freiheitlichen Formen des
politischen Lebens in England ver-
dächtiger Beurteiler wie Franz Op-
penheimer sagt darüber: „In keinem
anderen Lande westlicher Zivilisation
ist die soziale Schichtung so bös wie
in Großbritannien; nirgends ist die
Grundlage aller Volkskraft, Volks-
wohlfahrt und Gesittung, der Grund
und Boden so verderblich verteilt;
nirgends lebt die untere Klasse in
so tiefer Anterdrückung, Verwahr-
losung, Armut und Hoffnungslosig-
keit. . Denn nirgends darf sich ein
wüster, hemmungsloser Kapitalismus
im Raubbau am Glück und Leben
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