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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 31,3.1918

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Heft 14 (2. Aprilheft 1918)
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Avenarius, Ferdinand: Rembrandts "Faust"
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https://doi.org/10.11588/diglit.14373#0049

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Die Religion war ihm Erleben, die Bibelgestalten sah er um sich; was er
um sich sah, sah er biblisch. Ilm sich und in sich fühlte er aber auch die großen
Sehnsuchtstimmungen der Menschheit. Seine sinnenden Philosophen erinnern
ja an Dürers Hieronymus im Gehäus, auch wo er sie nicht so nennt, ver-
weilen wir aber bei ihnen, so merken wir bald, daß sie sich nicht dem
gottseligen Heiligen gleich mit Biblischem allein beschäftigen. Ls ist auch
Sehnendes in ihnen, das kein so sicheres Ziel sieht, Faustisches. Rem--
brandts eigentlichstes Gegenstück zu Dürers „Melancholie" aber ist dem
Gehalte nach eben sein wunderbares Blatt vom Faust. Gemäner, mit
Büchern, „mit Fnstrumenten vollgepfropst", mit „alten Pergamenen", die
„ein angeraucht Papier umsteckt". Ieht: in den Scheiben leuchtet es auf.
Der alte Grübler erhebt sich. Mcht überrascht, noch gar entseht, denn er
selber rief, nur ehrerbietig, wie sich das vor großem Gaste geziemt. Die
mystische Schrift leuchtet. Als Heiligstes in ihrem innersten Kreise steht,
was auf dem Bande über dem Gekkeuzigten stand: Rembrandt ist

Christ. Doch sieht er auch die Geisterhände, von denen die rechte auf die
Scheibe weist, welche die Linke trägt. Faustens Blick forscht. Wird er
erkennen, was da steht? Wird es ihn stillen, „den Durst, der ewig brennt"?
Oder sieht er nur — im Spiegelbilde sich selbst? Dann käme hier in
andrer Weise und mit ganz andrer Stimmung ein Gedanke zum Ausdruck,
wie ihn dritthalb Iahrhunderte später Klinger mit seinem „Philosophen"
gestaltet hat. Hinter Faust der Totenkopf. Während eines Zustandes der
Platte hat er Haut und Augen — es ist Dämonisches auch in ihm.

Fch habe unwillkürlich Goethifche Worte benutzt. Hat schon der junge
Goethe dieses Blatt gekannt? Vielleicht weiß unter unsern Lesern ein
Kenner da besser Bescheid, ich habe nichts Bestimmtes darüber gefunden.
Innere Gründe sprechen in Fülle dafür. Die Verwandtschaft erscheint
Zunächst so groß, daß man die Verschiedenheiten ganz übersieht. Die sind
aber auch da. In Nebensächlichem und in sehr Wichtigem, Innerlichem.
Goethe sowohl, als anch Rembrandt haben im Faustus sich gefühlt. Der junge
Goethe den rastlosen Drängcr, der den Bund sogar mit dem Teufel ein-
geht, um seine Kraft zn verhundertfältigen. Der alte Rembrandt dagegen
hat im alten Faust den gefühlt, der sich dem „ewigen Gesang" „entsageni
sollst du> sollst entsagen" — ergeben hat. Welches Verzichten, welche Weh-
mut in Nembrandts Faustgestalt — und zugleich welche Würde! Faust
als Entsager. Kann denn Faust ein Entsager sein? Das ist ganz Rem-
brandt, ist aber gegen Goethe, ist auch ganz gegen die alte Sagengestalt.

Doch ist etwa Fausts endliche Erlösung nicht auch gegen die? Gegen die

ist in den hundert Faustdichtungen hunderterlei. So gewiß der Fauststoff

ein Stoff vom Menschensehnen ist, so gewiß ist er ja neu und anders
immerfort, stets unausgedichtet nnd für das, was wir Menschen Ewigkeit

nennen, unausdichtbar. And so gewiß ist auch eben das denkbar als seines
Weges Schluß, was den Faustgeist selber aufhebt, der endgültige Verzicht.

Es ist unwahrscheinlich, daß Rembrandt das alte, tiefsinnige Volksbuch
vom Faust gekannt hat, denn es wurde ja bald von Widmanns schlechter

Bearbeitung so gut wie verdrängt. Aber dieses reiche Buch hatte gesät,
und neben all den gleichgültigen Zaubergeschichten trieb da und dort inrmer
wieder etwas von seinem Adelgehalt. Und daß Rembrandt Marlowe ge-
kannt hat, ist doch wohl anzunehmen. Immerhin: wenn im einleitenden

Monologe des Marloweschen Faust sehr viel vom Goethischen Fauste keimt,
so treibt doch zum Rembrandtischen hin weder hier etwas noch sonstwo

in Marlowes Werk. Rembrandts Faust ist ganz sein eigener. So wird
uns klar, daß man eine sehr wesentliche Gabe von Rembrandts Kunst bis-
her noch kaum beachtet hat, Rembrandt der Maler-Poet gehört zu den
wichtigsten Vertiefern des Faust-Mythus im deutschen Volke, zu
den Vor-Dichtern des Goethischen Faust.* Der Poet, da hätten wir wieder

* Man wolle die beiden Illustrationen als Proben davon beachten, wie

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