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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 31,3.1918

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Heft 15 (1. Maiheft 1918)
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Vom Heute fürs Morgen
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https://doi.org/10.11588/diglit.14373#0084

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für einen großen Toren an. Man
stelle sich nur vor, daß jemand, der
im Grabe gelegen war, daraus hervor-
gegangen und dann aufwärts geschwebt
sei, natürlich durch die Wolken hin-
durch und an den Sternen vorbei bis
dahin, wo die Welt aufhört und der
Himmel beginnt? Kann es denn etwas
Widersinnigeres geben? Die hier an-
gewandte Methode ist uns durchsichtig
geworden. Ein geistiger Vorgang, der
wie alles Geistige nur symbolisch aus-
gesprochen werden kann, wird ver-
gröbert, als äußerlich und sinnlich
wahrnehmbar aufgefaßt und bequem
ad absurdum geführt. Wir wollen nur
gerecht genng sein, um die Schuld
nicht nur bei den Gegnern, sondern
auch bei den Freunden des Hinrmel-
fahrtsglaubens zu suchen. In den Kir-
chen ist bisweilen von den zartesten
geistigen Dingen sehr körperhaft ge-
redet worden. Der Materialismus, der
von den Vertretern der Religion so
tapfer bekämpft wurde, hattx sich bei
ihnen selber eingeschlichen, und gerade
die Materialisierung der rcligiösen
Vorstellungen, an der die Urkunden der
Vergangenheit unschuldig sind, hat bc-
wirkt, daß der moderne Mensch mit
einem Lächeln an ihnen vorüberging.

Aber cs ist eine Tatsache, daß es
zwei Welten gibt. Iedenfalls ist es
sür den eine Tatsache, dcr in beiden
zugleich lebt. Wer mit den Füßen
im Staub der Erde steht und das gei-
stige Auge zn einer anderen Welt
emporhebt, versteht recht gut, was die
Botschaft von der Himmclfahrt meint,
und gibt ihr im Herzen recht, wenn sich
auch der Verstand noch lange mit dcn
Einwänden wird herumschlagen müs-
sen, die er sich selber macht nnd machen
muß. In zwei Welten leben heißt, in
zweierlei Bewußtsein leben. Sehen wir
nicht die Frühlingsnatur mit Lem Sin-
nesauge und dem Geistesblick zugleich
an? Ahnen wir nicht hinter dem
Phhsischen etwas Wetaphysisches, hin-
ter dem Sichtbaren ein Unsichtbares,
hinter dem Materiellen etwas Geisti-
ges? Flutet nicht diese andere Welt,
alle vom Zweifel entgegengestellten
Dämme dnrchbrechend, in unsre Seele
herein, wenn wir das Wunder einer
Gebnrt und das nicht klcinere des
Todes erleben? Gewiß, unser gegen-

wärtiges Seelenleben ist vom Körper
abhängig und seine Fortsetzung über
den Zerfall des Körpers hinaus kann
nicht vorgestellt werden. Aber löst sich
denn nicht im Dichter und Propheten
jetzt schon ein anderes Bewußtsein von
dem sinnlich bedingten los? Was
Plato mit den Worten: „Soma Sema",
der Leib ist ein Grab, meint, das ist
ja doch ein Erlebnis, das in irgend-
einem Grade jeder kennt, der in zwei
Welten lebt. Vor kurzem hat der alte
Hans Thoma das Schriftchen heraus-
gegeben: „Die zwischen Zeit und Ewig-
keit unsicher flatternde Seele", das mit
den Worten beginnt: „Als der ewige
Vater die Seelen auf die Welt schickte,
um den toten Staub zu beleben, chat
er jeder Kreatur als Heimatschein die
Sehnsucht ins Felleisen mitgegeben;
eine Beglaubigung, daß sie wiederkom-
men muß, daß sie ein Recht zu dieser
Heimkehr hat." Das hat ja unsre
tLeele schon immer gewußt, daß sie nicht
im Staub ihre Heimat hat. Darum
ist ihr der Himmelfahrtsglaube etwas
Natürliches. Er ist Glaube an die
Rückkehr in die Heimat der Seele.

Christian Geyer

Strindbergs „Nach Damaskus",
diese großartige Trilogie eines uner-
bittlich gegen sich selber wütenden Be-
kenner- und Märthrertums, hat jeht
in ihrer Gesamtheit das Berliner Les-
singtheater für die Bühne zu ge-
winnen versucht. Mit nur halbem Er-
folge und zweifelhafter Wirkung. Dies
Werk ist nun mal, besonders in sei-
nem hier zu einem Abend vereinigten
zweiten und dritten Tcile, so sehr aus
Zerrisscnheit und Selbstzerfleischung
geboren, daß auch die vorsichtigste nnd
geschickteste Bearbeitung nur Fetzen
geben kann, und die Nabelschnur, die
es mit dem schmerzzerquälten Mut-
terleibe untrennbar verbindet, läßt sich
so wenig verbergen, daß die Fragen
nach dem Persönlichen und Einzel-
schaftlichen die auf das Allgemeine
und Ewige zielende Wirkung immer
wieder überschatten. Man braucht für
das letzte Verständnis und den be-
freiten künstlerischen oder seclischen
Genuß dieser Lebensbeichte und Ab-
rechnung kaum wcniger Vorkenntnisse
und -studien, zumal biographischer Na-
 
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