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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 31,3.1918

DOI Heft:
Heft 16 (2. Maiheft 1918)
DOI Artikel:
Corbach, Otto: Letztmals: Geld und Freigeld
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https://doi.org/10.11588/diglit.14373#0114

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warum solche Versuche in der Vergaugenheit ihren Zweck dennoch verfehlten.
Zellstoff gibt es in zn großer Masse, als daß daraus in absehbaren Zeiten ein
Monopolgut werden könnte. Ans Mangel an Geldstoff kann es niemals
Mangel an Geld geben, sobald alles Geld aus Papier hergestellt wird. An-
dererseits kann aber bei einer Papierwährung der Kreis der Personen, deren
Einfluß unmittel- oder mittelbar für die Ausgabe von Papiergeld maßgebend
ist, das Geldangebot willkürlich regeln. Die Voraussetzung sür jede wirksame,
das Geld in reines Tauschmittel verwandelnde Reform ist daher eine Re-
gierung, die den gemeinen Nutzen wirklich will und nicht den Autzen irgend-
einer privilegierten Klasse oder Kaste. Mit audern Worten: Keine Geld-
reform wird der Allgemeinheit dauernd zugute kommen,
der nicht eine Lösung der sozialen Frage vorausgeht. Das
ist die Kleinigkeit, die der Freigeld-Freiland-Bund wie alle andern sozial-
politischen Vereine, die das soziale Elend durch irgendeinen „Kniff" weg-
schaffen zu können wähnen, übersieht. Als ich einmal Zeuge war, wie einer
ihrer Hauptvertreter die Gesellsche Lehre Mitgliedern eines Vereins sozia-
listischer Arbeiter mundgerecht zu machen suchte, wurde ihm aus der Mitte der
Versammlung vorgehalten, daß sich über das Gesellsche „neue Geld" reden
ließe, „wenn es keine Kapitalisten gäbe". In dieser Außerung kam deutlich das
instinktive Mißtrauen zum Ausbruch, mit dem die Massen der Handarbeiter
als die Hauptträger der sozialen Bewegung jeder sozialen Heilslehre gegen-
überstehen, die nicht in erster Linie die überkommenen politischen Macht-
verhältnisse ändern will. Sind wir erst einmal soweit, daß der Staat ein?
wirkliche Organisation der allgemeinen Interessen darstellt, dann tut es ein
einfaches Papiergeld auch, da die Geldausgabestellen dann jeder Neigung zu
ungesunder Schatzbildung sofort entgegenwirken können. Die Einführung der
Gesellschen Form des Freigeldes ist schon deswegen bedenklich, weil es in den
Händen der einfachen Konsumenten der Verschwendung Vorschub leisten würde.
Man würde, irrdem das Geld an Wert verlöre, je länger man es behielte,
dafür bestraft, wenn man sich in seiner Lebensführung einer weisen Mäßigung
befleißigte. Man kann doch unmöglich jede, in noch so engen Grenzen sich
haltende Ansammlung von Kaufkraft für sozialschädlich halten. Was meine
Vehauptung anlangt, schon in der gegenwärtigen Gesellschaftsordnung könne
man in zunehmendem Maße dem Monopol des Metallgeldes auf die Surro-
gate ausweichen, so empfehle ich den Anhängern Gesells eine kleine Schrift
Otto Neuraths, die mir nach Erscheineu meiner Aufsätze zu Gesicht kam: „Die
Wirtschaftsordnung der Zukunft und die Wirtschaftswissenschaften" (Verlag
für Fachliteratur G. m. b. H., BerlinW., Wien I). Neurath führt darin aus,
wie die im Kriege stark geförderte zunehmende Ersetzung der Verkehrswirt-
schaft durch eine „Verwaltungswirtschaft" auch eine „Entthronung des Geldes"
anbahnen helfe. Man mag Neuraths Ideal einer rein geldlosen Wirtschafts-
ordnung für utopistisch halten, so zeigen die von ihm angeführten Beispiele
doch, daß ganz moderne Organisationsbestrebungen dem Monopol des herr-
schenden Geldes auf den verschiedensten Wegen, die bis zur modernen Natural-
wirtschaft führen, auszuweichen vermögen, und zwar nicht auf Kosten, sondern
zugunsten ihrer Wirtschaftlichkeit. Wenn Industrieunternehmungen zur Pro-
duktion von Lebensmitteln für den Bedarf der eigenen Arbeiterschaft über-
gehen und einen Teil der Löhne in Naturaleinkommen verwandeln, wenn
große Industrieverbände durch Verhandlungen die Preise für die von ihnen
hergestellten Waren unmittelbar in Beziehung setzen, wenn im Außenhandel
unmittelbar Warenmengen ausgetauscht werden, so verschwinden dadurch doch
zweifellos Riesengewinne, die bisher aus reinen Geld- und Zwischenhandels-
geschäften gezogen wurden.

Auf tausenü Gegenwartspfaden strebt die soziale Bewegung dem Reiche
sozialer Gerechtigkeit zu; wer sie auf einen einzigen Weg als den angeblich
allein zum Ziele führenden beschränken will, bewirkt damit nur, daß sie sich
staut und um so langsamer vom Fleck kommt. Otto Corbach
 
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