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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 31,3.1918

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Heft 17 (1. Juniheft 1918)
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Vom Heute fürs Morgen
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https://doi.org/10.11588/diglit.14373#0147

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nehmen als ein „patriotisches Opfer"
rühren, wer welchen hat, der wird be-
friedigt, wenn auch nicht feierlich an
das Sprüchel vonr Schlagen zweier
Fliegen mit einer Klappe denken.

Ständen vielleicht auch sonst noch
fchwere Bronzesachen oder gar Rein-
kupfersachen (Braukessel?) zur Verfü-
gung, die keinen oder nur einen so°
genannten Kunstwert haben? Man
sagt es, aber ich bin da zu wenig im
Bilde, um mitsprechen zu können. Wir
bitten nur dafür: mit den unmittel-
baren Eingriffen in die Wohnungen
und an den Hausrat doch ja so vorsich-
tig zu sein wie nur irgend möglich.
Das verkangt jetzt wirklich die „Durch-
Halte-Psychologie".

Geschmackebildung durch die Leipziger
Messe

regt unser Mitarbeiter Fritz Schu-
macher jetzt in der „Tat" an:

er es ernst nimmt mit den Be°
strebungen zur Hebung des Ge°
schmackes in unserem Volke, blickt schon
lange voll stärkster Anteilnahme aus
die Leipziger Mustermesse. Was nützen
uns die schönsten künstlerischen Er-
kenntnisse, was nützen uns die lebens-
vollen Reformen unserer Fachschulen —
was nützt uns all das gute Können in
unseren Werkstätten —, was nützt uns
die ganze grotze Sehnsucht nach einer
harmonischen Umwelt, die durch Tau-
sende und Abertausende unseres Volkes
geht, wenn das, was auf den wirklichen
Markt kommt und von dort in den
eigentlichen Blutkreislauf unseres Ge°
schmackslebens übergeführt wird, nicht
diese Ergebnisse und Reformen, dies
Könuen und dies Sehnen widerspiegelt.
Für die Frage, wie es mit uns in dieser
Hinsicht steht, ist die Leipziger Messe
dcr wertvollste Gradmesser. Was wir
hier vor uns haben, hat eine doppelte
Bedeutung: es ist gleichsam Ernte und
Aussaat in einer Lrscheinung zusam-
mengefaßt. Manche Anläufe sind ge°
macht, um einzelne Inseln des guten
Geschmacks in diesem Meere dcr Er°
scheinungen zu schaffen, diese Inseln
haben sich tapfer gehalten und sind in
ihrer Art wichtige Stützpunkte für R«°
fornrarbeit; aber im allgemeinen ver-
mögcn sie doch nicht maßgebend hervor-
zutreten; sie haben die Abhängigkeit

breiter Kreise unserer Kunstindustrie
von den ungebildeten Instinkten der
Masse nicht zu erschüttern vermocht.
Es wird viele geben, die auf dem
Standpunkte stehen, daß sie überhaupt
nicht zu erschüttern sei; dennoch darf
man nicht ablassen, immer wieder neue
Versuche dazu zu machen und sich zu
fragen, wo Ansatzpunkte für solche Ver-
such« vorhanden sind.

Mir scheint vor allem wichtig zu
sein, daß man von doppelter Richtung
aus zu kämpfen beginnt. Die eine,
selbstverständliche, ergibt sich daraus,
daß man dem anspruchsvollen „künst-
lerischen" Tand, der billig prunken will,
künstlerisch empfundene Dinge gegen-
überstellt, die zwar sehr viel einfacher
und bescheidener wirken mögen, aber
die echt sind. Man hat in dieser von
unten kommenden Richtung erfolgreiche
Vorstöße vom Boden der Volkskunst
aus gemacht, aber man sollte sich nicht
etwa auf diese Note beschränken. Der
Kreis der Erscheinungen, die hier in
Wettbewerb treten können, ist, wie bei-
spielsweise das „Dürerbund-Waren-
buch" * zeigt, schon groß genug, um
das Bedürfnis jedes Suchenden auch auf
einem neutraleren Geschmacksboden zu
befriedigen. Denn nicht immer vermag
die Volkskunst, so wertvoll sie auch
ist, zu helfen; es gibt Großstadt-Zu-
sammenhänge, wo sie nicht mehr den
Ton angeben kann, sondern ein noch
herberer Klang gediegener Sachlichkeit
nötig ist, um die erwünschte Grund-
stimmung richtig zu treffen.

Dieser stille, zähe Kampf des ge-
diegenen Einfachen gegen das ungedie-
gene Reiche ist gar nicht hoch genug
anzuschlagen, aber es liegt in seincm
Wesen, daß er gerade durch seine Tu°
gend der Anspruchslosigkeit bei Mas-
senaufgeboten einen schweren Stand
hat. Deshalb muß dieser Kampf von
unten her gleichzeitig ergänzt werden
durch einen von oben her. Man muß
nicht nur zeigcn, wie man den unechten
Luxus durch echte Einfachheit ersetzen
möchte, sondern muß ihm auch den

* Vom Verfasser abgekürzte Be°
zeichnung des „Deutschen Waren-
buches" der Dürerbund-Werkbund-
genossenschaft mit dem Sitz in Dresden--
Hellerau,
 
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