Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Beck, Paul [Hrsg.]; Hofele, Engelbert [Hrsg.]; Diözese Rottenburg [Hrsg.]
Diözesan-Archiv von Schwaben: Organ für Geschichte, Altertumskunde, Kunst und Kultur der Diözese Rottenburg und der angrenzenden Gebiete — 20.1902

DOI Artikel:
Beck, Paul A.: Die weiland "Truchsessengalerie" zu Wurzach und die Multscherbilder
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.18298#0131

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
123

wie die Malerei stand und daß somit der
Bildhauer c^uasi als die Hauptperson des
gesamten Altarwerkes dastand. Diese
nicht selten vorkommende Uebergabe bezw.
Ueberuahme des gesamten Auftrages,
also sowohl des skulpturelleu als des
malerischen Teiles des bestellten und zu
liefernden Altarwerkes durch einen Meister
(„Maler", Bildhauer) führte bezw. ver-
leitete manchmal zu der durchaus irrigen
Annahme, demselben die Doppeleigeu-
schaft eines Bildhauers und Malers
beizulegen, während derselbe in Wahrheit
nur eines war. Ebensowenig ist unter
„Bildmacher" etwa ein Bildmaler
zu verstehen; vielmehr ist dieses Wort
gleichbedeutend mit Bildhauer. Noch
weniger spricht die Stellung eines „Werk-
ln an ne s" für die M a l e r eigenschaft;
eil» solcher Werkmann, welcher jedenfalls
nichts mit dem Berufe eines MAers ge-
mein hat, war wohl zu damaliger Zeit
in der Reichsstadt Ulm der Obmann des
Werkhofes, in welchem die zum gemeinen
Wesen nötigen Zimmerarbeiten rc. vorge-
nommen wurden; oder drückte dieser Titel
(nachNeber, „H. Multscher von Ulm",
München, 1808, S. 27) eine Art amt-
licher Stellung bei den Arbeiten am
Munster von Ulm und eine Mitgliedschaft
au der dortigen Bauhütte aus, wie z. B.
in einer Münsterrechnung von 1387
Maister Hainrich als Werkmauu lauft
(Pr esse ls Münsterfestschrift, S. 23);
schon vorher, 1356, kommt ein Berchtold
Muntscheller, vielleicht ein Vorfahre un-
seres Meisters, als geschworener W. beim
Mühlenwerk in Ulm vor und auch schon
vor M. findet sich der Beruf eines
Schnitzers mit der Stellung eines Werk-
manues vereinigt, so Jos Hierenloß und
Leonh. Lieber, „Schnizer und Werkmann
in Ulm 1424" (Jäger, Ulm im M.-A. rc.
I S. 578). Im schwäb. Wörterbuch von
Schmid findet sich keine Erklärung für
den „Werkmann" der damaligen Zeit,
denn die von Schmid angeführte Gleich-
bedeutuug des Wortes mit einem Auf-
seher über das Geschütz trifft auf Multscher
und seine Zeit noch nicht zu. Wenn end-
lich die auf S. 114 dieser Abhandlung mit-
geteilte Chrouiknotiz des Augsburger Bene-
diktiners Johs. Frank vom St. Ulrichs-
kloster über die Fertigung des Palm-

I esels im Jahre 1456 durch einen
Meister, d. h. Bildhauer von Ulm,
welcher denselben geschnitten habe u. s. w.,
sich auf Haus Mult sch er bezieht,
woran auf Grund einer längst feststehen-
den Tradition sowie der von Neber
a. a. O. S. 26/27 uachgewiesenen „ge-
radezu schlagenden Ähnlichkeit derChristus-
gestalt auf dem Palmesel mit der Christus-
halbstgur aus der Apostelgruppe der
Sterziuger Altarpredella" nicht zu zweifeln
ist, so kann weiter kein Zweifel mehr
darüber walten, daß Multscher bloß
Bildhauer und nicht auch Maler
war, denn sonst hätte Multscher diese
Nebenarbeiten doch selbst ausgeführt und
hätte mau die Figur nicht noch dem
Maler Jörg in Augsburg zum Be-
malen und Fassen übergeben! Man wende
nicht ein, daß eigentliche und bessere
Maler sich nicht mit Faßmaleu u. dgl.
abgegeben haben; gerade das Gegenteil
war in früheren Jahrhunderten, wo die
^ Grenze noch nicht so scharf bestimmt war,
wie heutzutage, der Fall. Selbst die
größten deutschen Meister Dürer und
Holbein konnten fick oft solchen unter-
geordneten Arbeiten nicht entziehe». Bessere
Meister mußten sich vom 14.—16. Jahr-
hundert hin und wieder selbst zum Au-
streicheu verstehen!
Dann spricht gegen die Annahme einer
solchen Doppelkunst auf Seiten eines und
desselben Künstlers die ungeheure Unwahr-
scheinlich keil einer solchen; die Hand
des Malers verträgt die des Bildhauers
nicht, sagt schon ein älterer Künstlerspruch;
eine solche Bereinigung der höchsten Knnst-
leistung von Malerei und Bildhauerei in
einer Person fände wohl in der Kunst-
geschichte aller Zeiten, Länder und Völker
nicht ihresgleichen; und stände Mult-
scher, sollte er in der That ein solches
Medium gewesen sein, geradezu einzig und
als eine phänomenale Kunsterscheiuung da!
Wir begegnen auch in der ganzen schwä-
bischen bezw. Ulmer Kunstgeschichte vom
14. Jahrhundert — ca. 1550 nicht einem
einzigen Künstler, der zugleich Maler und
Bildhauer gewesen wäre. Auch auswärts
fand sich diese Doppeleigenschaft nicht leicht
vor; fast überall war die Teilung und
Scheidung zwischen Bildhauerei und Malerei
die Regel, der zwischen beiden Kunstarten
 
Annotationen