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die darüber gelegene Rotunde mit 23 jonischen Säulen, die mit
ihren Balkons 72 Fuß im Durchmesser und 60 Fuß Höhe be-
saß, von oben erleuchtet ward und gleichsam dem 73 Fuß langen
und 48 Fuß hohen Hauptsaal zur Vorhalle diente. Sämmt-
liche Faqaden mit dem reichen Säulenwerk waren im korinthischen
Geschmack gehalten, in den Verzierungen aber durch die schöpfe-
rische Kraft einer reichen Phantasie höchst verschiedenartig. Der
Prachtbau war aus schönen Sandsteinquadern aufgeführt, wäh-
rend Dachbedeckung, Hauptgesims, Balustrade, Balkons, Ge-
länder und die Haupttreppe aus Eisen bestanden. Im Früh-
jahr 1856 feierte Herzog Wilhelm sein 25jähriges Regierungs-
jubiläum, und die Stände beschlossen, als Festgeschenk zur noch
fehlenden Bekrönung des Restdenzschlosses eine prächtige „Qua-
driga", die Figur der Brunonia auf einem von vier Pferden
gezogenen Triumphwagen, aufzustellen, als Symbol der Aner-
kennung, welche das Volk seinem Fürsten geweiht hat, nachdem
derselbe 25 Jahre lang das Vertrauen rechtfertigte, welches ihm
beim Bau des Schlosses selbst entgegen kam.
Aber abgesehen von dieser historischen Bedeutung der Qua-
driga ist dieselbe auch als Kunstwerk von höchster Vollendung
gewesen und zugleich als eine der letzten Schöpfungen des ver-
ewigten R i e t s ch e l doppelt werthvoll.— Wir kommen auf dieselben
zurück und bemerken hier — unter Hinweisung auf unsre heutige
Illustration — daß Schloß und Quadriga am 23. Februar 1865
durch einen verheerenden Brand vernichtet wurden.
Zu dem Ottmer'schen Bau zurückkehrend, müssen wir
hervorheben, daß nur die obenerwähnten Theile seiner Gesammt-
Jdee ausgeführt wurden. Die dorischen Kolonnaden, welche be-
stimmt waren, sowohl den inneren Hof zu schließen, wie auch
die Verbindung durch viertelkreisförmigen Kolonnaden und Eck-
bauten mit der Straßenfront herzustellen, sind auch bei der
jetzigen Restauration nicht zur Ausführung gelangt.
Nicht zu leugnen ist, daß durch eine derartige würdige
Umrahmung das Bild erst zu einem vollständigen geworden
wäre, und ist zu hoffen, daß eine kunstsinnige Regierung auch
diese Beiwerke später noch zur Verwirklichung kommen lassen
werde. Da das schöne Gebäude zum größten Theil in Asche
gelegt war, so mußten auch die stehen gebliebenen äußeren Um-
fassungsmauern größtentheils bis zum Parterre abgerissen wer-
den. Das Innere, welches fast durchweg aus Fachwerk kon-
struirt war, wurde vollständig erneuert, und ist jetzt ebenfalls
in Stein und Eisen höchst solide hergestellt. Demnach sind die
inneren Dekorationen ganz neu. Auch der Grundriß erhielt,
soweit es zulässig, einige Verbesserungen, während das Aeußere
streng nach dem ursprünglichen Ottmer'schen Plane renovirt
wurde. (Forts, folgt.)
Korrespondenzen.
Schwerin i. M., im April. Auf der großherzoglichen
Gemäldegallerie Hieselbst gelangten kürzlich einige No-
vitäten zur Ausstellung. Ich erwähne zunächst das
Portrait des in ganz Deutschland und über die Grenzen
desselben weit hinaus geschätzten Komponisten und großh.
Hofkapellmeisters Kücken, gemalt im Allerhöchsten Auf-
träge vom hiesigen Hofmaler Theodor Schloepcke. Dasselbe ist
bestimmt, in der großherzoglichen Gemäldegallerie neben den Por-
traits anderer literarischer und künstlerischer Größen, von denen
Schloepcke im Laufe der letzteren Jahre schon mehrere malte, eben-
falls eine Stelle einzunehmen. Dies Portrait, ein Brustbild in
Lebensgröße, ist als ein gelungenes Werk zu bezeichnen. Die tech-
nische, an Vorzügen reiche Ausführung ist hinsichtlich der Zeichnung
des Kopfes und der Gestalt korrekt, hinsichtlich der Farbengebung,
der Beleuchtung und der Behandlung des Helldunkels als wirklich
bedeutend zu benennen. Außerdem hat Schloepcke es verstanden, in
den Gesichtszügen das dichtende Element erkennen zu lassen. Dies
Werk ist jedenfalls den besten des Künstlers zuzuzählen und wird
der Gallerie stets zur Zierde gereichen.
Als zweites Werk ist zu nennen ein Genrebild von Paul
Spangenberg aus Rostock. Die Spangenberg'schen Genrebilder
führen uns meistens Familienscenen aus den höheren Ständen vor.
Das gegenwärtige in seinen Einzelnheiten mit künstlerischem Gefühl
und technischer Fertigkeit behandelte Bild in sog. Salongröße ver-
anschaulicht uns einen „Besuch der Braut" am Bette des krank dar-
niedcrlicgenden, jedoch in der Genesung befindlichen Geliebten, dem
die holde Schöne die Stunden der Langeweile durch Vorlesen zu
kürzen sucht. Der Künstler läßt uns auf eine sinnige Weise in das
Gemüth dieser Liebenden blicken und zeigt in der gewandten Behand-
lung der Farben, in Anwendung von Licht und Schatten die gründ-
lichsten Naturstudien.
Endlich führe ich noch an eine „Winterlandschaft" vom hiesigen
Landschaftsmaler F. Jcntzen. Es stellt das alte ehrwürdige Schloß
zu Neustadt in Mecklenburg mit seiner Umgebung dar, von malerisch
vertheilten Baumgruppen und dem mit spiegelblankem Eise bedeckten
Kanäle umgeben. Im Vordergründe rechts belebt eine Schmiede,
deren feuerrother Schein der Esse sich auf dem Eise naturgetreu
wiederspiegelt, die Landschaft, während auf der linken Seite des Eis-
spiegels sich Jungen mit Schlittenfahren belustigen. Die umgebende
Winterlandschaft mit ihrer schweren winterlichen Luft und den von
Schneewolken gebannten Sonnenstrahlen, die das reiche Winterkleid
der Baumkronen, sowie das der Dächer beleuchten möchten, ist sehr
gut gemalt, auch ist der Glanz des Eises, sowie der Schnee von
großer Naturwahrheit.
C München, Ende März. (Kunstvereins-Bericht. Forts,
aus Nr. 17.) Das Thiergenre ist in München nicht blos durch
Meister Friedrich Boltz in hervorragendster Weise vertreten. Wir
besitzen in Braith ein weiteres eminentes Talent dieser Richtung, das
auch in der letzten internationalen Ausstellung die wohlverdiente Aus-
zeichnung erhielt. Braith's letzte Bilder, ein paar „Schafheerden",
ließen aber Alles, was der noch junge Künstler bis dahin geschaffen,
weit hinter sich, sowohl was die Schönheit und Ungcsuchtheit der
Anordnung, Innigkeit der Empfindung, innere Wahrheit und außer-
dem die Feinheit der Farbe und Freiheit des Bortrages betrifft.
Wenn ich einer so ganz ungewöhnlichen Kraft gegenüber einen Wunsch
aussprechen darf, so ist cs der, es möge ihm der Himmel die ganze
Naivetät, welche uns jetzt an ihm entzückt, erhalten. Beide Bilder
gingen nach England, und ich weiß in der That nicht, soll ich dies
bedauern oder mich darüber freuen. Bedauern, weil sie uns für
immer entzogen, freuen, weil sie dazu angethan sind, neuerlich den
Ruhm deutscher Kunst unter unseren Nachbarn zu verbreiten. —
Maffei brachte einen „Fuchs" und einen „Hühnerhund und
Dachshund", welche durch Unmittelbarkeit der Auffassung und Schärfe
der Charakteristik erfreuen. Diese Thiere sind nicht bloße Repräsentanten
des Gattungsbegriffs, sie sind Individuen fast wie wir; ihr Wesen,
ihre natürlichen Eigenschaften, gute wie böse, treten uns mit über-
die darüber gelegene Rotunde mit 23 jonischen Säulen, die mit
ihren Balkons 72 Fuß im Durchmesser und 60 Fuß Höhe be-
saß, von oben erleuchtet ward und gleichsam dem 73 Fuß langen
und 48 Fuß hohen Hauptsaal zur Vorhalle diente. Sämmt-
liche Faqaden mit dem reichen Säulenwerk waren im korinthischen
Geschmack gehalten, in den Verzierungen aber durch die schöpfe-
rische Kraft einer reichen Phantasie höchst verschiedenartig. Der
Prachtbau war aus schönen Sandsteinquadern aufgeführt, wäh-
rend Dachbedeckung, Hauptgesims, Balustrade, Balkons, Ge-
länder und die Haupttreppe aus Eisen bestanden. Im Früh-
jahr 1856 feierte Herzog Wilhelm sein 25jähriges Regierungs-
jubiläum, und die Stände beschlossen, als Festgeschenk zur noch
fehlenden Bekrönung des Restdenzschlosses eine prächtige „Qua-
driga", die Figur der Brunonia auf einem von vier Pferden
gezogenen Triumphwagen, aufzustellen, als Symbol der Aner-
kennung, welche das Volk seinem Fürsten geweiht hat, nachdem
derselbe 25 Jahre lang das Vertrauen rechtfertigte, welches ihm
beim Bau des Schlosses selbst entgegen kam.
Aber abgesehen von dieser historischen Bedeutung der Qua-
driga ist dieselbe auch als Kunstwerk von höchster Vollendung
gewesen und zugleich als eine der letzten Schöpfungen des ver-
ewigten R i e t s ch e l doppelt werthvoll.— Wir kommen auf dieselben
zurück und bemerken hier — unter Hinweisung auf unsre heutige
Illustration — daß Schloß und Quadriga am 23. Februar 1865
durch einen verheerenden Brand vernichtet wurden.
Zu dem Ottmer'schen Bau zurückkehrend, müssen wir
hervorheben, daß nur die obenerwähnten Theile seiner Gesammt-
Jdee ausgeführt wurden. Die dorischen Kolonnaden, welche be-
stimmt waren, sowohl den inneren Hof zu schließen, wie auch
die Verbindung durch viertelkreisförmigen Kolonnaden und Eck-
bauten mit der Straßenfront herzustellen, sind auch bei der
jetzigen Restauration nicht zur Ausführung gelangt.
Nicht zu leugnen ist, daß durch eine derartige würdige
Umrahmung das Bild erst zu einem vollständigen geworden
wäre, und ist zu hoffen, daß eine kunstsinnige Regierung auch
diese Beiwerke später noch zur Verwirklichung kommen lassen
werde. Da das schöne Gebäude zum größten Theil in Asche
gelegt war, so mußten auch die stehen gebliebenen äußeren Um-
fassungsmauern größtentheils bis zum Parterre abgerissen wer-
den. Das Innere, welches fast durchweg aus Fachwerk kon-
struirt war, wurde vollständig erneuert, und ist jetzt ebenfalls
in Stein und Eisen höchst solide hergestellt. Demnach sind die
inneren Dekorationen ganz neu. Auch der Grundriß erhielt,
soweit es zulässig, einige Verbesserungen, während das Aeußere
streng nach dem ursprünglichen Ottmer'schen Plane renovirt
wurde. (Forts, folgt.)
Korrespondenzen.
Schwerin i. M., im April. Auf der großherzoglichen
Gemäldegallerie Hieselbst gelangten kürzlich einige No-
vitäten zur Ausstellung. Ich erwähne zunächst das
Portrait des in ganz Deutschland und über die Grenzen
desselben weit hinaus geschätzten Komponisten und großh.
Hofkapellmeisters Kücken, gemalt im Allerhöchsten Auf-
träge vom hiesigen Hofmaler Theodor Schloepcke. Dasselbe ist
bestimmt, in der großherzoglichen Gemäldegallerie neben den Por-
traits anderer literarischer und künstlerischer Größen, von denen
Schloepcke im Laufe der letzteren Jahre schon mehrere malte, eben-
falls eine Stelle einzunehmen. Dies Portrait, ein Brustbild in
Lebensgröße, ist als ein gelungenes Werk zu bezeichnen. Die tech-
nische, an Vorzügen reiche Ausführung ist hinsichtlich der Zeichnung
des Kopfes und der Gestalt korrekt, hinsichtlich der Farbengebung,
der Beleuchtung und der Behandlung des Helldunkels als wirklich
bedeutend zu benennen. Außerdem hat Schloepcke es verstanden, in
den Gesichtszügen das dichtende Element erkennen zu lassen. Dies
Werk ist jedenfalls den besten des Künstlers zuzuzählen und wird
der Gallerie stets zur Zierde gereichen.
Als zweites Werk ist zu nennen ein Genrebild von Paul
Spangenberg aus Rostock. Die Spangenberg'schen Genrebilder
führen uns meistens Familienscenen aus den höheren Ständen vor.
Das gegenwärtige in seinen Einzelnheiten mit künstlerischem Gefühl
und technischer Fertigkeit behandelte Bild in sog. Salongröße ver-
anschaulicht uns einen „Besuch der Braut" am Bette des krank dar-
niedcrlicgenden, jedoch in der Genesung befindlichen Geliebten, dem
die holde Schöne die Stunden der Langeweile durch Vorlesen zu
kürzen sucht. Der Künstler läßt uns auf eine sinnige Weise in das
Gemüth dieser Liebenden blicken und zeigt in der gewandten Behand-
lung der Farben, in Anwendung von Licht und Schatten die gründ-
lichsten Naturstudien.
Endlich führe ich noch an eine „Winterlandschaft" vom hiesigen
Landschaftsmaler F. Jcntzen. Es stellt das alte ehrwürdige Schloß
zu Neustadt in Mecklenburg mit seiner Umgebung dar, von malerisch
vertheilten Baumgruppen und dem mit spiegelblankem Eise bedeckten
Kanäle umgeben. Im Vordergründe rechts belebt eine Schmiede,
deren feuerrother Schein der Esse sich auf dem Eise naturgetreu
wiederspiegelt, die Landschaft, während auf der linken Seite des Eis-
spiegels sich Jungen mit Schlittenfahren belustigen. Die umgebende
Winterlandschaft mit ihrer schweren winterlichen Luft und den von
Schneewolken gebannten Sonnenstrahlen, die das reiche Winterkleid
der Baumkronen, sowie das der Dächer beleuchten möchten, ist sehr
gut gemalt, auch ist der Glanz des Eises, sowie der Schnee von
großer Naturwahrheit.
C München, Ende März. (Kunstvereins-Bericht. Forts,
aus Nr. 17.) Das Thiergenre ist in München nicht blos durch
Meister Friedrich Boltz in hervorragendster Weise vertreten. Wir
besitzen in Braith ein weiteres eminentes Talent dieser Richtung, das
auch in der letzten internationalen Ausstellung die wohlverdiente Aus-
zeichnung erhielt. Braith's letzte Bilder, ein paar „Schafheerden",
ließen aber Alles, was der noch junge Künstler bis dahin geschaffen,
weit hinter sich, sowohl was die Schönheit und Ungcsuchtheit der
Anordnung, Innigkeit der Empfindung, innere Wahrheit und außer-
dem die Feinheit der Farbe und Freiheit des Bortrages betrifft.
Wenn ich einer so ganz ungewöhnlichen Kraft gegenüber einen Wunsch
aussprechen darf, so ist cs der, es möge ihm der Himmel die ganze
Naivetät, welche uns jetzt an ihm entzückt, erhalten. Beide Bilder
gingen nach England, und ich weiß in der That nicht, soll ich dies
bedauern oder mich darüber freuen. Bedauern, weil sie uns für
immer entzogen, freuen, weil sie dazu angethan sind, neuerlich den
Ruhm deutscher Kunst unter unseren Nachbarn zu verbreiten. —
Maffei brachte einen „Fuchs" und einen „Hühnerhund und
Dachshund", welche durch Unmittelbarkeit der Auffassung und Schärfe
der Charakteristik erfreuen. Diese Thiere sind nicht bloße Repräsentanten
des Gattungsbegriffs, sie sind Individuen fast wie wir; ihr Wesen,
ihre natürlichen Eigenschaften, gute wie böse, treten uns mit über-