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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 13.1903-1904

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Mayr, Karl: Zwei Sanatorien in Badenweiler
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https://doi.org/10.11588/diglit.7008#0063

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Dr. Karl Mayr—München:

heit ihrer Sanatorien durch eine konsequente,
einheitlich von oben bis unten, in einem
Geiste durchgeführte Gestaltung des Inneren
im neuen Stile zu steigern und ihren Häusern
dadurch eine Anziehungskraft zu geben,
welche minder Erfahrene, aber sich über-
schlau Dünkende durch schwächliche Kom-
promisselei und blosses Kokettieren mit den
neuen Formen ganz vergeblich zu erreichen
suchen. Die ausführende Firma, welcher die
Beiden ihr Vertrauen schenkten, die »Mün-
chener Werkstätten für Wohnungs-Einrich-
tung« (v. Beckerath, Bertsch & Niemeyer)
waren durch ihre grundsätzliche Richtung
auf Einfachheit und Billigkeit hervorragend
geeignet und haben denn auch Dank den in
ihr tätigen, künstlerischen Kräften die Auf-
gabe vorzüglich gelöst, sodass die Sanatorien
nicht bloss für Badenweiler ein Ereignis be-
deuten. Jedes künstlerisch geschulte Auge
wird sofort erkennen, welchen Segen es hier
gebracht hat, dass nach Stellung der Auf-
gabe und der Bedingungen sich die Auftrag-
Geber alles unnötigen Dreinredens enthalten
und dem Künstler freie Hand gelassen haben.

Das Programm bot ganz besondere
Schwierigkeiten. Vor allem mussten sich die
Kosten in den Grenzen einer vorher aufge-
stellten, kaufmännischen Gesamt-Berechnung
halten, welche nur die fabrikmäßige Her-
stellung durch eines der üblichen, künstlerisch
überhaupt nicht in Betracht kommenden
Möbel- und Tapezier-Geschäfte in Aussicht
genommen hatte. Nur wer da weiss, dass
gute, moderne Arbeit zum teuersten gehört
und weit kostspieliger herzustellen ist als
etwa Renaissance-Möbel mit gedrehten und
verkröpften Säulen, wird die Findigkeit, die
Anpassungs-Fähigkeit und das erstaunliche
Talent dieser jungen Kräfte zu schätzen
wissen, die mit verhältnismäßig geringen
Mitteln echt künstlerische, individuelle Wir-
kungen zu erzielen gewusst haben. Die
zweite Schwierigkeit enthielt einen künst-
lerischen Antrieb. Es handelte sich darum,
die Gesamt-Erscheinung, die Farben-Wahl,
die Holz-Behandlung, die Material-Verwen-
dung aus dem besonderen, hygienischen
Zwecke zu entwickeln. Die Aufgabe eines
Hotels, welche mit der vorliegenden am ver-

wandtesten wäre, erscheint dagegen verhält-
nismäßig einfach; denn da braucht nur etwas
geschaffen zu werden, das vielen gefällt und
ein Gefühl von Behaglichkeit um sich zu ver-
breiten im Stande ist. Hier war das Ziel höher
gesteckt. Die »VillaHedwig«, Besitzerin Frau
Krautinger, unmittelbar unter dem unvergleich-
lichen Park Badenweilers, einem wahren bo-
tanischen Garten, gelegen, ist eine diätetische
Kuranstalt, in der unter dem klimatischen Ein-
fluss Badenweilers Ernährungs-Kuren durch-
geführt werden. Die »Villa Paul« in Waldeck-
Badenweiler, zwei Kilometer vom eigentlichen
Kur-Orte entfernt, bietet Lungen-Kranken
familiäre Unterkunft und erfüllt die strengsten
Anforderungen moderner, diätetisch-physika-
lischer Behandlung. Diese Zweck-Bestim-
mungen mussten von entscheidendem Einfluss
sein. Es kam aber noch dazu ein anderes:
Fortgeschrittene Ärzte haben längst erkannt,
dass der Mensch, wenn die Funktion einzelner
Organe einmal dauernd in Schwankung ge-
rät, nicht blos einer physikalischen, sondern
auch einer psychischen Diätetik bedarf oder
wie ein hervorragender Arzt es vermittels
einer »Hilfs-Konstruktion« einmal ausge-
drückt hat: es muss für den Kranken eine
zweite Welt geschaffen werden, auf die seine
Seele gleichsam aufsteigt, während sie den
Körper den Stössen der Erde lässt. Be-
ruhigt, erfrischt, wieder mutig gemacht, ver-
mag alsdann der Mensch den Angriffen um so
energischeren Widerstand entgegenzusetzen.
Man kann wohl sagen, dass dieser StrausS
von Wünschen und Bedingungen manchen
zaghaft oder missmutig gemacht hätten. Die
»Münchener Werkstätten für Wohnungs-
Einrichtung« besitzen jedoch neben dem
Wunsch auch die noch seltenere Fähigkeit,
sich in die Bedürfnisse der Auftrag-Geber
vor der Empfängnis-Stunde ihrer Ideen ein-
zufühlen, und so gelang es ihnen, streng im
Rahmen der gestellten Mittel, die Aufgabe
glänzend zu lösen.

Eine zweckmäßige, logische, wohl über-
legte Harmonie, beherrscht die beiden
Häuser und den Eintretenden umfängt so-
fort eine zwingende Stimmung kräftiger
Gehobenheit. Da ist kein dummes Tändeln
mit kleinlichen Ornamentchen und Blümchen
 
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