i 14
GINSKE V-M AFFERSDORF. Wand - Teppich.
ßermann Kirdimayr—Innsbruck (üirol).
VON OTTO SCHULZE—KÖLN.
Wer je die herrlichen Arbeiten dieses
Künstlers, der ohne eigene Absicht
in den vordersten Reihen der Besten der
neuen Kunst-Bewegung steht, gesehen hat,
wird das Verlangen haben, sein Schaffen im
Auge zu behalten, um das Leitmotiv seiner
Schöpfungen ganz zu durchdringen. Das ist
aber gar nicht so leicht, denn Kirchmayr
wandelt sich von Tag zu Tag; langsam aber
stetig dringt er vorwärts, zielsicher verfolgt
er seinen vorgezeichneten Weg, dessen Aus-
gangspunkt er noch immer im Auge hat, —
denn bei ihm ist alles Werden, alles Entwicke-
lung, — dessen Endpunkt ihm vorschwebt:
die Tektonik des Pflanzen-Ornaments.
Zuletzt brachte die Zeitschrift »Innen-
Dekoration« (Herausgeber Alexander Koch
—Darmstadt) im März - Heft 1902 eine
umfassende Veröffentlichung von geradezu
meisterhaften Zimmer-Entwürfen mit vielen
Einzelheiten von Metall- und Holz-Arbeiten
daraus, ferner Entwürfe zu allerlei Flach-
Mustern und Schmucksachen, die eine Fort-
setzung der in ähnlicher Weise gehaltenen
Vorarbeiten in den in derselben Zeitschrift
im Mai-Heft ig00 veröffentlichten Scabiosa-
Motiven bilden. Vergleicht man alle diese
Arbeiten unter Berücksichtigung ihrer Ent-
stehungs-Zeit und der auf den Künstler in
der jahrelangen Vereinsamung in der Natur
eingewirkten Einflüsse — man wolle hier-
über die Sonder-Texte zu den genannten
früheren Entwürfen nachlesen, auch frühere
Jahrgänge der »Innen-Dekoration« brachten
wertvolle Interieur-Entwürfe von Kirchmayr
— so wird man allerdings zu dem Schlüsse
gelangen können, dass ein solches oder doch
ein ähnliches Ergebnis künstlerischen Ge-
haltes zu erwarten war. Und doch möchte
man angesichts der neuesten Arbeiten ver-
sucht sein, wieder ein ganz neues Moment
in der Ausdrucksweise des Künstlers zu ent-
decken. Er, der viele Jahre im Banne der
herrlichsten Werke der Gotik und Renaissance
Tirols gelebt hat, und mehr oder weniger
von dem geistig-künstlerischen Gehalte ihrer
konstruktiven Grundzüge und organischen
Schmuckmittel ein Jahrzehnt zehrte, ist durch
seine eingehende, bis in feinste Einzelheiten
sich vertiefende liebevolle Natur-Beobachtung
nahe daran, dem Japanismus — unbewusst
— die Hand zu reichen. In Japan haben
GINSKE V-M AFFERSDORF. Wand - Teppich.
ßermann Kirdimayr—Innsbruck (üirol).
VON OTTO SCHULZE—KÖLN.
Wer je die herrlichen Arbeiten dieses
Künstlers, der ohne eigene Absicht
in den vordersten Reihen der Besten der
neuen Kunst-Bewegung steht, gesehen hat,
wird das Verlangen haben, sein Schaffen im
Auge zu behalten, um das Leitmotiv seiner
Schöpfungen ganz zu durchdringen. Das ist
aber gar nicht so leicht, denn Kirchmayr
wandelt sich von Tag zu Tag; langsam aber
stetig dringt er vorwärts, zielsicher verfolgt
er seinen vorgezeichneten Weg, dessen Aus-
gangspunkt er noch immer im Auge hat, —
denn bei ihm ist alles Werden, alles Entwicke-
lung, — dessen Endpunkt ihm vorschwebt:
die Tektonik des Pflanzen-Ornaments.
Zuletzt brachte die Zeitschrift »Innen-
Dekoration« (Herausgeber Alexander Koch
—Darmstadt) im März - Heft 1902 eine
umfassende Veröffentlichung von geradezu
meisterhaften Zimmer-Entwürfen mit vielen
Einzelheiten von Metall- und Holz-Arbeiten
daraus, ferner Entwürfe zu allerlei Flach-
Mustern und Schmucksachen, die eine Fort-
setzung der in ähnlicher Weise gehaltenen
Vorarbeiten in den in derselben Zeitschrift
im Mai-Heft ig00 veröffentlichten Scabiosa-
Motiven bilden. Vergleicht man alle diese
Arbeiten unter Berücksichtigung ihrer Ent-
stehungs-Zeit und der auf den Künstler in
der jahrelangen Vereinsamung in der Natur
eingewirkten Einflüsse — man wolle hier-
über die Sonder-Texte zu den genannten
früheren Entwürfen nachlesen, auch frühere
Jahrgänge der »Innen-Dekoration« brachten
wertvolle Interieur-Entwürfe von Kirchmayr
— so wird man allerdings zu dem Schlüsse
gelangen können, dass ein solches oder doch
ein ähnliches Ergebnis künstlerischen Ge-
haltes zu erwarten war. Und doch möchte
man angesichts der neuesten Arbeiten ver-
sucht sein, wieder ein ganz neues Moment
in der Ausdrucksweise des Künstlers zu ent-
decken. Er, der viele Jahre im Banne der
herrlichsten Werke der Gotik und Renaissance
Tirols gelebt hat, und mehr oder weniger
von dem geistig-künstlerischen Gehalte ihrer
konstruktiven Grundzüge und organischen
Schmuckmittel ein Jahrzehnt zehrte, ist durch
seine eingehende, bis in feinste Einzelheiten
sich vertiefende liebevolle Natur-Beobachtung
nahe daran, dem Japanismus — unbewusst
— die Hand zu reichen. In Japan haben