HEINR. BRUNE—OBERPFAFFENHOFEN.
GEMÄLDE »VOR DEM SPIEGEL«
könne nur auf ihre Weise erobert werden. So
wird, um ein Beispiel zu nehmen, ein Kunst-
wissenschaftler dem Werk Grünewalds anders
gegenüberstehn, als ein Dichter. Ein Volksbild-
ner wird in diesen Tafeln anderes entdecken als
ein Zeitforscher, der sich mit Mystik beschäftigt.
Ein Weltmann wird Erholung finden. Ein Geist-
licher wird in ganz andrer Richtung Anregungen
empfangen als ein junger Maler, der die Technik
der Farbe und des Pinsels studiert. Und der
erlauchteste Kunstfreund, der weise Genießer,
dessen ganzes Leben der Betrachtung der Kunst
gewidmet ist und dem die tätige Anschauung
großer Werke Gottesdienst ward, auch er wird
ganz anderes erleben und erfassen, als der un-
erfahrene Jüngling, der mit offenen Augen vor
ein solches Werk kommt, bis in die tiefste Seele
erschüttert wird, und dasteht, unwissend aber
gläubig, wie ein Kind vor einem Wunder. Und
wenn Ehrfurcht genug da ist, daß jeder beibe-
hält, daß ein solches Werk mehr, unendlich
viel mehr ist, als ein Gegenstand für die Beute-
gelüste der eignen Person, dann fahren sicher
alle Betrachter wohl. Es führen viele Wege
nach Rom, lautet das Sprüchwort, aber nach
Rom müssen sie führen. Natürlich kann man
GEMÄLDE »VOR DEM SPIEGEL«
könne nur auf ihre Weise erobert werden. So
wird, um ein Beispiel zu nehmen, ein Kunst-
wissenschaftler dem Werk Grünewalds anders
gegenüberstehn, als ein Dichter. Ein Volksbild-
ner wird in diesen Tafeln anderes entdecken als
ein Zeitforscher, der sich mit Mystik beschäftigt.
Ein Weltmann wird Erholung finden. Ein Geist-
licher wird in ganz andrer Richtung Anregungen
empfangen als ein junger Maler, der die Technik
der Farbe und des Pinsels studiert. Und der
erlauchteste Kunstfreund, der weise Genießer,
dessen ganzes Leben der Betrachtung der Kunst
gewidmet ist und dem die tätige Anschauung
großer Werke Gottesdienst ward, auch er wird
ganz anderes erleben und erfassen, als der un-
erfahrene Jüngling, der mit offenen Augen vor
ein solches Werk kommt, bis in die tiefste Seele
erschüttert wird, und dasteht, unwissend aber
gläubig, wie ein Kind vor einem Wunder. Und
wenn Ehrfurcht genug da ist, daß jeder beibe-
hält, daß ein solches Werk mehr, unendlich
viel mehr ist, als ein Gegenstand für die Beute-
gelüste der eignen Person, dann fahren sicher
alle Betrachter wohl. Es führen viele Wege
nach Rom, lautet das Sprüchwort, aber nach
Rom müssen sie führen. Natürlich kann man