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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 51.1922-1923

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Weltanschauungen im Kunstwerk
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https://doi.org/10.11588/diglit.9144#0157

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O. V. WAETJEN.
PALMENGARTEN
MALAGA 1917.

PRIVATBES. KÖLN.

WELTANSCHAUUNGEN IM KUNSTWERK.

In der Seelenforschung der Gegenwart geht
ein bedeutsamer Zug auf die Typologie des
Charakters. Das heißt, bewußter als früher
stellt man sich ein auf die Tatsache, daß die
Lebensäußerungen eines bestimmten Menschen
schließlich nur aus dem Charaktertypus er-
klärt werden können, dem er angehört.

Es ist bisher von der Kunst immer gesprochen
worden mit der geheimen Voraussetzung, daß
für sie ein allgemeines, alle Schaffenden ver-
pflichtendes Ideal existiere. Viele harte Kämpfe
sind aus dieser Meinung entstanden, sei es daß
Künstler über Künstler schroff und lieblos ur-
teilten, sei es daß gegen die Künstler eine
wissenschaftliche oder auch laienhafte Kunst-
meinung auftrat, die an vergangenen Leistungen
gebildet war. Jetzt aber weiß man, daß es
in den Künstlernaturen eine gewisse Typik

gibt, daß sie zerfallen in eine Reihe typischer
Formen, „die über die Historie hinaus im Wesen
des Menschen und seinem Verhältnis zur Welt
begründet sind" und die eine Gesetzlichkeit
aufweisen, die sie scharf von einander abhebt.
Diese typischen Formen, diese verschiedenen
künstlerischen Weltanschauungen sind in ihrer
Gegensätzlichkeit „als gleichberechtigt anzuer-
kennen ". Sie entscheiden üb er das ganze Welt-
bild und über die ganze künstlerische Methode
und können nicht in einer übergeordneten, all-
gemeinsten Form aufgehoben werden. — Das
Verdienst dieser Prägungen gebührt dem Kunst-
forscher Hermann Nohl. Und man muß wohl
sagen, daß in seinen Prägungen, die etwas lange
Geahntes,dochimmer im NebelEntschwindendes
begrifflich klar erfaßt haben, eine äußerst wert-
volle Förderung unserer Kulturbetrachtung liegt.
 
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