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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 51.1922-1923

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Bredt, Ernst Wilhelm: Qualitätssammler und primäre Sammler
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https://doi.org/10.11588/diglit.9144#0362

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QUALITÄTSSAMMLER UND PRIMÄRE SAMMLER.

Im Laufe der letzten Jahrzehnte ist die Zahl
der Qualitätssammler erfreulicher Weise im-
mer größer geworden. Aber, wie in anderen
Dingen zeigt sich auch hier, wie eine an sich
gute Tendenz um so eher für viele eine Gefahr
wird, je breiter die Schar ihrer Anhänger ge-
worden. Zumal auf dem Gebiete der Graphik
fällt bei nur zu vielen Sammlern auf, wie blind-
lings sie sich eingestellt haben auf nur „erste
Zustände", auf kostbarstes Papier und andere
äußere Vorzüge gedruckter Graphik und kost-
barer Bücher. Die Sache wurde ja immer ein-
facher für den Sammler: Er sah auf eine mög-
lichst niedrige Abdrucksziffer des angebotenen
Blattes, kaufte, und glaubte sich der Mühe ent-
hoben das Blatt auf seine wirklichen Vorzüge
vor anderen zu prüfen, noch vielmehr aber ent-
wöhnte er sich auf die viel wichtigeren inneren,
d. h. wirklich künstlerischen Werte eines Kunst-
werkes zu schauerj.

So mußte der Ehrgeiz des Sammlers allmählich
von dem des Suchers und Finders abgedrängt
werden. Er wurde immer mehr vom Handels-
wert bestimmt, wurde immer merkantiler orien-
tiert. Das Kunstwerk sollte Wertpapier sein.
Unsere unruhigen, unsicheren Zeiten sind daran
nicht allein schuld, schon vor dem Kriege hat
sich diese Tendenz bemerkbar gemacht. Der
Sammler wurde mehr und mehr passiv in der
Wahl, wenn von Wahl überhaupt noch zu reden
ist, sobald die Mehrzahl der Sammler einfach
das kauft, was der Markt gerade anbietet.

Mir scheint, daß die Klimax dieser Sammlungs-
art schon erreicht ist. War der Typ des Qualitäts-
sammlers ein Produkt der vergangenen Jahre
des Reichtums oder doch seines Scheins, so
wird bald der Sammlertyp vorbildlich werden,
den man am kürzesten und treffendsten den
primären Sammler nennt.

Der primäre Sammler frägt nicht nach schon
längst marktgängigen Werken und Künstlern.
Er sucht nach Neuem, sucht aus bisher Un-
erkanntem, Verkanntem neue Werte zu schaffen.
Wenn auch der primäre Sammler vor allem uater
den jüngsten künstlerischen Persönlichkeiten
seiner Zeit Umschau halten wird, so weis er
doch, daß auch jetzt noch Vortrefflichstes aus
allen Jahrzehnten und Jahrhunderten wie etwas
Neueß und Erstes zu heben ist. . . Er will und
wird auch hier kraft seiner überlegenen Kennt-
nisse der Erste, ein Entdecker unter allen Samm-
lern sein. Der primäre Sammler begnügt sich

nie mit Werken zweiter oder dritter Wahl. —
Der alte Qualitätssammler kaufte ä la hausse
auch das was schon bezahlt wurde, der sichere,
selbständige, primäre Sammler weiß nur, daß
das, was er jetzt von noch Unbekannten erwirbt
mit der Zeit außerordentlich im Werte steigen
wird. Aber seine Spekulation ist ideal, geht
auf den Ruhm aus, immer möglichst der erste
Sammler dieses Künstlers gewesen zu sein.
Sein Wechsel läuft zum mindesten auf sehr lange
Sicht. Überdies ist ihm bekannt genug, daß alle
primären Sammler der Vergangenheit gelegent-
lich Nieten erwarben. Und er muß sich beim
Erwerb von Werken jüngster Künstler wohl
sagen, daß auch Hoffnungen bester Kenner auf
die weitere Entwicklung eines jungen Künstlers
oft getäuscht wurden. Wie mancher fiel in ganz
jungen Jahren durch erstaunlichste Phantastik
und Produktivität auf, um nach wenigen Jahren
völlig zu versageD. . . Das kann zwar den her-
vorragenden Jugendwerken nichts nehmen, aber
dem Sammler wird man es gern vorrechnen,
man wird ihn wegen seines Eintretens wohl gar
Vorwürfe machen. Es gehört eben viel mehr
Mut, Erkenntnis, Festigkeit, Initiative zum pri-
mären Sammler als zum Sammeln nur äußerlich
unanfechtbarer Qualitäten.

Der primäre Sammler wird aber meist ohne
weiteres auch die besten Qualitäten erwerben;
wenigstens so weit Gegenwartskunst in Frage
kommt — weil er ja zur Auswahl des Besten
kommt vor allen anderen.

Deßhalb halten sich die Sammlungen der
Primären auch dann noch an der Spitze, wenn
das von ihnen Gesammelte endlich allgemein
als vorzüglich anerkannt ist. Der primäre Samm-
ler ist der eigentliche Aristokrat unter den Samm-
lern im besten, frischesten, fortschrittlichsten
Sinne des alten Wortes. — Es mag ja für Spätere
allenfalls Reiz haben, nachzurechnen, was ein
Qualitätssammler, der immer nur das kaufte, was
besonders hoch im Preis stand, für Summen be-
zahlt hat. Aber dann wird vermutlich mit jeder
Null an seinen Ankaufsziffern das Maß seiner
Erkenntnis immer mehr einer Null gleichgesetzt
werden. — Wer aber s. Z. einen Menzel, einen
Spitzweg, einen Goya, wer ein Blatt von Rem-
brandt oder Seghers, wer Zeichnungen des
letzten oder vorletzten Jahrhunderts erworben,
als noch kaum ein Dutzend Sammler danach
fragte, wird für alle Zeiten legitimiert sein als
Sammler von künstlerischer Sicherheit, als ein
 
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