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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 51.1922-1923

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Heckel, Karl: Könner und Künstler
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https://doi.org/10.11588/diglit.9144#0063

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ARCHITEKT
K. HOFMANN.
»DAMEN-
ZIMMER«

KÖNNER UND KÜNSTLER.

VON KARL HECKEL.

Wohl unterscheiden wir oft innerhalb der
schönen Künste zwischen Könner und
Künstler in dem Sinne, daß wir einen Maler
oder Bildhauer, bei dem die Geschicklichkeit
der Hand den seelischen Anteil an seinem Werke
überwiegt, einen bloßen Könner nennen, aber
die Unterscheidung verdient prinzipieller ge-
faßt zu werden.

Kunst bezeichnete ursprünglich ein Wissen,
wurde jedoch bald auf einen höheren Inhalt be-
zogen, so wenn man die „inwendige Kunst" bei
einem Mystiker der weltlichen Wissenschaft
gegenüber stellte. Noch im siebzehnten Jahr-
hundert war die Alliteration Klugheit und Kunst
gebräuchlich und selbst Lessing bezeichnete
die Astronomie nicht etwa als Sternkunde, son-
dern nannte im „Laokoon" Urania die Muse
der Sternkunst. Erst als man Kunst insofern
von Wissenschaft unterschied, als man darunter
die Fertigkeit in der Anwendung, die Geschick-
lichkeit in der Handhabung im Gegensatz zur
bloßen Gelehrsamkeit verstand, ging man dazu
über mit diesem Worte die besondere Begabung
zu benennen, für die das bloße Wissen nicht
ausreicht. Im Laufe des achtzehnten Jahrhun-
derts arbeitete sich die heutige besondere Stel-

lung und der hohe Begriff der Kunst allmäh-
lich heraus, um dann hauptsächlich von Goethe
und Schiller in Gang gebracht zu werden.

Bezeugt uns die sprachgeschichtliche Ent-
wicklung eines Wortes zugleich einen Wandel
kultureller Art, so läßt uns umgekehrt die kunst-
geschichtliche Entwicklung vielleicht voraus
ahnen, welchen Sinneswandel ein Wort in der
Zukunft annehmen dürfte.

Niemand fällt es heute mehr ein, einen bloßen
Gelehrten einen Weisen zu nennen, sondern
diese Bezeichnung wird nur demjenigen Wis-
senden zu teil, bei dem die Erkenntnis innigst
mit der Lebensanschauung und Lebensführung
verschmilzt. So dürfte auch die Zeit kommen,
in der man mit der Benennung Künstler spar-
samer umgeht, als es heute noch der Fall ist.
Die Trennung von der Vorstellung des nur
Kennenden hat sich bereits vollzogen, noch
nicht aber die prinzipielle Trennung von dem
Begriff des nur Könnenden. Trotz Goethe
unterscheiden wir immer noch nicht scharf genug
zwischen Kunst-stück und Kunst-werk. „Der
innere Gehalt des bearbeiteten Gegenstandes
ist der Anfang und das Ende der Kunst". Frei-
lich wer hieraus Wasser auf die Mühle des
 
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