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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 51.1922-1923

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Ewald, Reinhold: Die Naturnotwendigkeit der Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.9144#0202

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reinhold ewald— hanau.

»wandbild im cafe bauer«

DIE NATURNOTWENDIGKEIT DER KUNST.

von reinhold ewald.

Es gibt und gab seit altersher, zwei ganz
verschiedene Kunstauffassungen, bedingt
durch die ewige Wiederkehr zweier Haupt-Cha-
rakterunterschiede der ausübenden Künstler.

Auf der einen Seite die Auffassung, die sich
um den geistigen Komplex etwa Albrecht Dü-
rers schart, und die etwa mit dessen Satz zu
kennzeichnen wäre: „Kunst steckt in der Natur,
wer sie heraus kann reißen, der hat sie." Es
ist dies der Stolz auf den egozentrischen
Willen des Schaffenden, der natürlich letzten
Endes überpersönlich sein kann, der aber alle
Gefahren unserer Zeit mit der Sucht nach einer
Stilbildung z. B. in sich trägt: recht viele ma-
chen heute ihren Stil; die Natur, die „durch
sie hindurch" müßte, nach oberstem Gesetz,
wird verdunkelt! . Hier steht der Künstler be-
wußt „über" der Materie.

Die andere Hauptgruppe hat kaum einen
Vertreter in unserer Zeit; dafür sehr, sehr
viele in früheren Zeiten. . Es ist die feminine
Einstellung dem Objekt gegenüber, das „Sich-
überwältigen-lassen" vom Objekt, — etwa

das weibliche Element des schöpferischen Künst-
lers, bezeichnend durch eine anscheinende Un-
persönlichkeit, die, vom Objekt erfüllt Na-
tur zur Welt bringt. . Die frühere Bezeichnung
wäre etwa: Baidung Grien kontra Dürer. . .
Die Spannweite der geistigen Äußerungen, ihre
Unterschiedlichkeit ist hier größer, — eine

scheinbare Unpersönlichkeit tritt ein......

Warum das Geschrei um den Naturalismus,
um den Expressionismus? . . Bluts-Mischung,
Natur-Notwendigkeit sind allein ausschlagge-
bend !. Nur eines fehlt uns, — was Konrad Witz,
Michael Pacher, Baidung Grien nicht gefehlt hat:
Der Raum-Sinn, der Tastsinn, das Schauen
relativ gegeneinander gestellter Farben, das
Erkennen der Gegensätze solcher Farben-
Kosmen, und das Letzte und Wichtigste (was
in Witz, Mulscher, Herlin, Pacher, Holbein
d. Ä. steckt): Das Eingestelltsein zwischen
zwei großen Erlebnis-Kosmen in einem
Bild, in einer Plastik; — und damit: das „Stirb
und Werde" des Goethe und das Zeitliche
der Auswirkung der nordischen Kunst. . . e.
 
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