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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 51.1922-1923

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Goetz, Oswald: Neuhängung im Städelschen Kunstinstitut zu Frankfurt
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https://doi.org/10.11588/diglit.9144#0034

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Neuhängung im Städelschen Kunstinstitut zu Frankfurt a. M.

liehe Forschung griff die Anregungen des Jahr-
hundertanfanges auf und brachte Klärung in
die Dunkelheit mittelalterlichen Kunstwirkens.
Allein, für weitere Schichten der Bevölkerung
konnte diese Kunst nicht erlebnisreich werden,
es fehlten zu viele Stufen der Verständigung.
Man konnte ohne Wissensschatz den Sinn und
die Bedeutung dieser rein kirchlichen Kunst
nicht erfassen. Erst als von anderer Seite, von
der tätigen Künstlerschaft, eine Rückkehr zu den
alten gotischen Meistern — und zwar gerade
den namenlosen, reinen — gepredigt wurde
und intuitiv Einfüblungswege geschaffen wurden,
geriet auch die Masse mählich in Bewegung.

Das Museum muß, weil es lebendiges Organ
der Elite ist, dieser Neuordnung, dieser Neu-
schöpfung aus alter Quelle gerecht werden. Von
einem höheren Standpunkt aus sieht sich die
leihweise Überlassung der altdeutschen Bilder
ans Städel und ihre Zusammenstellung mit dem
alten wohlbekannten Komplex nicht als das Er-
gebnis zufällig frei gewordener Räumlichkeiten,
sondern als eine notwendige Folge an, die aus
den besten produktiven Kräften unserer gei-
stigen Existenz resultiert. Gewiß ist zum guten
Teil die Sprengung veralteter, ästhetischer Fes-
seln einer der Hauptgründe, daß das Städel ein
neues Kleid angelegt hat, und unsere alten Deut-
schen getrost und ihrer Wirkung sicher den
Niederländern und Italienern Stirn bieten kön-
nen. Wäre das historische Interesse ausschlag-
gebend gewesen, dann wären die Bilder wohl
an Ort und Stelle geblieben, wo sie waren.

„Bildersäle sollten Tempel sein, wo man in
stiller und schweigender Demut und in herz-
erhebender Einsamkeit die großen Künstler als
die Höchsten unter den Irdischen bewundern,
und mit der langen, unverwandten Betrachtung
ihrer Werke in dem Sonnenglanze der entzük-
kendsten Gedanken und Empfindungen sich er-
wärmen möchte". Wo träfe das Wort Wacken-
roders besser zu als bei den altdeutschen Mei-
stern? In der Art, wie im Städel ihnen Raum
bereitet worden ist, liegt ein Anfang zur Ver-
wirklichung dieses Gedankens. Es ist schwer,
eine Reihe von Bildwerken, die, je besser man
sie kennen lernt, desto mehr sich reiben, so zu
hängen, daß das Erlebnis durch keine Nachbar-
schaft Einbuße erleidet. Den Kirchenraum, die

ursprüngliche Heimat dieser Bilder, kann das
Museum nicht ersetzen. Immerhin läßt sich
durch Isolierung, da wo es nötig, und Kon-
zentrierung, wo es nicht schadet, so viel er-
reichen, daß dem sensiblen Beschauer wenig-
stens die Möglichkeit wahrer Versenkung nicht
geraubt, eher bereitet wird.

Im Mittelpunkt dieses Geschehens steht der
Holbein-Altar aus der ehemaligen Dominikaner-
kirche der Stadt, ein Passionszyklus mit der
Wurzel Jesse und dem Stammbaum der Ordens-
generäle, den der ältere Holbein im Jahre 1501
für das Dominikanerkloster gemalt hat. Der
Altar hat die bevorzugteste Stelle inne, die
Stirnwand des großen östlichen Saales in der
Achse des Baues. Als Nebenakzente seien er-
wähnt: der Johannes-Altar des Baidung Grien
mit Flügeln und dazugehörigen Grisaillen (Hist.
Mus.), die Kreuzigungsgruppe eines Rheinischen
Meisters aus der zweiten Hälfte des 15. Jahr-
hunderts (Hist.Mus.) zwischen denRatgebschen,
ganzfigurigen Porträts des Städels. Im großen
kalkig blau gestrichenen Saale, der dem eben
erwähnten vorgelagert ist, sind Altniederländer
und Altdeutsche frontal einander gegenüber-
gestellt. Eingestimmt ist der Saal auf die Wand
mit den Altarbildern des frühen Mittelrheinischen
Meisters und der großen Kreuzigungstafel des
Hans von Metz (Hist. Mus.). Der Meister von
FJemalle mit vier Tafeln behauptet den Gegen-
pol. Lucas Cranach mit seinem Torgauer Altar
und Joos von Cleve mit dem Beweinungstrip-
tychon leiten über zum Holbeinraum. Intimere
Wirkung fordernd, fanden die beiden Grüne-
wald-Grisaillen (Hist. Mus.) in einem der nörd-
lichen Seitenkabinette zwischen Dürer, Baidung
Grien, Cranach und Holbein d. J. Platz. In dem
anschließenden Eckraum wurde der Versuch
gemacht, der Wirkung eines Miniaturenkabinetts
nahe zu kommen, wo auf grüngoldenem Plüsch
van Eyck und seine Nachfolger ihr preziöses
Dasein führen. Im entsprechenden Kabinett
der Südseite wurde wieder ein Teil der Holz-
hausensammlung vereinigt. DieReihederfolgen-
den Kabinette entwickelt die Bildkunst des 16.,
17. und 18. Jahrhunderts in Deutschland und
leitet systematisch mit den Malern des Frank-
furter Goethekreises ins 19. Jahrhundert des
neuen Galeriebaues über.....oswald götz.

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