riess-
berlin
lichtbild:
»tänzekin«
PHOTOGRAPHIE VON RIESS.
Der Umgang mit dem Tatsächlichen (Stadt,
Boulevard, Gesicht, Funk-Turm) machen
den Zweifel an Wirklichkeit bestimmt. So wird
der Künstler. Er ist Organisator des Zufälligen,
Verstreuten — also Schöpfer. (Denn aus Nichts
wird Nichts — bloß Bindung der Vielheit in
Formel produziert.) Bis die These fast mäch-
tig wird: Kunstwillen stabiliert sich unabhängig
vom Objekt. Darstellung trägt nicht mehr den
Sinn des Materials — der Kunstsinn entkräftet
das Gegebene in Verfall seiner Wesentlichkeit.
(Ein Tisch ist kein Baum mehr — aber ein Tisch.)
*
Der Mensch ist Künstler. Es gelänge ihm
keine Handlung, die nicht in Kunst zielt. Der
Schnitt des Schuhs macht das gleiche Kopfzer-
brechen wie Dombau. (Mir allerdings nicht. Auch
der Jliess nicht. Wir sind nicht so veranlagt.)
★
Die Form zur Formulierung zu bringen, ist
Kunstwerk. Wo Erscheinung — da Kunstdring-
lichkeit. Der Mensch gibt keine Ruhe — er
muß dem Gesetz nach, das jede Verwirrung
ordnet. Er braucht diese vitale Sicherung, um
mit dem Leben auszukommen. Kunst ist Da-
seinsvorbedingung. Conditio sine qua non. . .
■k
Die Riess macht von einem Menschen ein
Bildnis. Wer ist dieser Mensch? Fest steht
ihr: kein Mensch ist ein Ich — sondern ein Wir.
Immer ist der Typus breiter Schichten zu fassen.
Es gilt: ihn fassen. Ihm die Lichtheit oder
Schwärze des Persönlich-anormalen zugunsten
des Vielgültig-normalen wegzunehmen. Deut-
licher: das Einzelvorbild in sein Pluraletantum
zu entselbsten......................
*
Seht diese Licht- (und Schatten-) Bildnisse
der Riess: zehnmal derselbe Menschenkopf und
zehnmal anders — und immer ein Heer von
Gleichgesichtigen hinter ihm, für die er typisiert.
Diesen im ausgezeichneten Gesicht stellvertre-
tenden Point entdecken — intuitiv bejahen —
rasch festhalten: das photographiert die Riess
mit Wissen, das ihr aus den Provinzen aller
Künste zuströmt.........georg Kaiser.
berlin
lichtbild:
»tänzekin«
PHOTOGRAPHIE VON RIESS.
Der Umgang mit dem Tatsächlichen (Stadt,
Boulevard, Gesicht, Funk-Turm) machen
den Zweifel an Wirklichkeit bestimmt. So wird
der Künstler. Er ist Organisator des Zufälligen,
Verstreuten — also Schöpfer. (Denn aus Nichts
wird Nichts — bloß Bindung der Vielheit in
Formel produziert.) Bis die These fast mäch-
tig wird: Kunstwillen stabiliert sich unabhängig
vom Objekt. Darstellung trägt nicht mehr den
Sinn des Materials — der Kunstsinn entkräftet
das Gegebene in Verfall seiner Wesentlichkeit.
(Ein Tisch ist kein Baum mehr — aber ein Tisch.)
*
Der Mensch ist Künstler. Es gelänge ihm
keine Handlung, die nicht in Kunst zielt. Der
Schnitt des Schuhs macht das gleiche Kopfzer-
brechen wie Dombau. (Mir allerdings nicht. Auch
der Jliess nicht. Wir sind nicht so veranlagt.)
★
Die Form zur Formulierung zu bringen, ist
Kunstwerk. Wo Erscheinung — da Kunstdring-
lichkeit. Der Mensch gibt keine Ruhe — er
muß dem Gesetz nach, das jede Verwirrung
ordnet. Er braucht diese vitale Sicherung, um
mit dem Leben auszukommen. Kunst ist Da-
seinsvorbedingung. Conditio sine qua non. . .
■k
Die Riess macht von einem Menschen ein
Bildnis. Wer ist dieser Mensch? Fest steht
ihr: kein Mensch ist ein Ich — sondern ein Wir.
Immer ist der Typus breiter Schichten zu fassen.
Es gilt: ihn fassen. Ihm die Lichtheit oder
Schwärze des Persönlich-anormalen zugunsten
des Vielgültig-normalen wegzunehmen. Deut-
licher: das Einzelvorbild in sein Pluraletantum
zu entselbsten......................
*
Seht diese Licht- (und Schatten-) Bildnisse
der Riess: zehnmal derselbe Menschenkopf und
zehnmal anders — und immer ein Heer von
Gleichgesichtigen hinter ihm, für die er typisiert.
Diesen im ausgezeichneten Gesicht stellvertre-
tenden Point entdecken — intuitiv bejahen —
rasch festhalten: das photographiert die Riess
mit Wissen, das ihr aus den Provinzen aller
Künste zuströmt.........georg Kaiser.