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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 51.1922-1923

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Habicht, Victor Curt: Das unideale Sein und die absolute Malerei
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https://doi.org/10.11588/diglit.9144#0264

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Das unideale Sein und die absolute Malerei.

möglichkeit des Seins, das gewiß nicht von un-
seren vorgefaßten, ihm Richtung vorschreiben-
den, Idealen abhängig ist, aufgetan.

Das ewige, all-eine Sein hat keine Ideale. Es
ist — und mehr nicht. Es ist hoch oder nieder,
verdienstlos dem, der es so oder anders erlebt.
Es ist die einzige, die einzig mögliche, die einzig
denkbare Realität. Es kann, was es will. Wir
dürfen uns nur nicht beirren an Zeit. Zeit kann
es nicht geben. Das Sein ist, was es will. Ein
Vorsprung — wie gesehen, und das Benennbare
scheide aus — tut sich auf. Unmittelbares Sein,
erlebt, gefunden — dies oder nichts kann Sinn
der Kunst der Tage sein. Man hat sie, schwach
genug, absolute Kunst genannt. Die Zitter-
brücken sind gefallen, nur Wagnis gilt. Kunst,
die den ungeheuren Vorsprung dieser Stunde
mißverkennt, ist (mag sie rückwärts angesehen
in die Knie zwingen) wesenlos.

Dieser Vorsprung erscheint wie andere von
der Zeit geforderten Sprünge ein Sturz ins
Chaos, ein vermessenes, zweckloses Wagnis.

Eine stilistisch gemodelte Seinswelt, ein bil-
liges Spiel in leicht geänderten Formen, bei
denen weniger die Anschauung als eine Vor-
stellung ausschlaggebend bleiben, genügten,
scheinen übergewaltig, fürs Leben reichend und
erschöpfende Ausprägung des Sinns dieser
Wende. — Die Neigung, aus der Welle des
Expressionismus eine Stilangelegenheit vom
Format des Jugendstiles zu machen, ist bei
Künstlern und Kunstfreunden nicht gering,
fast schon Überzeugung.

Man braucht keine händeringenden Beschwö-
rungen, kein verzweifeltes Rufen. Erfüllen wird
sich, was sich angekündigt, auch in der Kunst.

Die Worte oben über den Sinn der Wende,
die Seinserkenntnis, sind gesagt, weil sie einem
Erleben, dem Glauben entspringen. Entspre-
chen kann diesem Seinserlebnis nur die abso-
lute Kunst.

Die absolute Kunst ist möglich. Die Ängste,
aus dieser handfesten Erscheinungswelt gleich
in das Nichts oder ins ungestaltbare Chaos zu
 
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