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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 51.1922-1923

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Habicht, Victor Curt: Das unideale Sein und die absolute Malerei
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https://doi.org/10.11588/diglit.9144#0269

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Das unideale Sein und die absolute Malerei.

ANDRE DERAIN—PARIS.

» HUGEL-LANDSCHAFT «

fallen, sind kindische Unwissenheiten, sind Be-
weis genug für die ungebrochene Suprematie
eines monistischen Materialismus.

Die Voraussetzung aller absoluten Kunst ist
allerdings eine selbst erlebte, geänderte Be-
wußtseinslage. Geändert gegenüber der, die
trotz allem Gerede von Geist und Seele, durch-
aus nichts anderes kennt als die materialisierte
Erscheinungswelt und die Trugbilder gedank-
licher Konstruktionen, d.h. der Ideale. Selbst
erlebt muß andererseits allerdings werden etwas
anderes als Halluzinationen von Kranken und
autistische Wahngebilde, erlebt nämlich eine
realere Seinsform als die materialisierte, eine
geistige (nicht mit gedanklicher zu verwechseln).
Es besagt nichts, daß die Tatsachen, die Reali-
täten, die existenten Seinsformen dieser Welten
mehr terrae incognitae sind als Indien und Ame-
rika im Mittelalter. Sie werden entdeckt wer-
den wie jene, die Trugvorstellungen von ihnen
werden ebenso fallen wie die^ jener Erdteile.

Wie man die Kunst dieser Erlebnisse einst
benamsen mag, ist gleichgültig genug. Prophe-

tische, weit vorauseilende Leistungen unserer
Tage sind die, die wir als absolute Kunst be-
zeichnen, sie sind die einzigen, die den gewal-
tigen Sinn der Wende ergriffen haben.

Es ist im Wesen dieser Kunst durchaus nicht
begründet, daß ihre Anforderungen nur in der
Malerei erfüllt werden können, wie sie über-
haupt außerhalb aller gewohnten ästhetischen
Gesetze liegt. Die Entwicklung der europäischen
Kunst allein hat es wie auch die begrifflichen
Formulierungen der Grenzen und Aufgaben der
Künste zugelassen, daß die Malerei zuerst und
deutlicher die neuen Wege gehen konnte. Über
ihre formalistischen Grundbegriffe zu sprechen,
ist es noch lange nicht Zeit. Es wäre besser,
wenn es überhaupt vorerst nicht geschehen
würde. Zum Austausch der Ansichten, zum
Auf weis der Werte kann es erst dann Zeit sein,
wenn nicht mehr gänzlich aneinander vorbei-
gesprochen wird, wenn sich die Bewußtseins-
und Erlebnislage so geändert hat, daß Verstän-
digung möglich ist. Nicht scharf genug kann
dem Ansinnen widersprochen werden, als müß-
 
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