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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 51.1922-1923

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Esswein, Hermann: Die Landschaft J. W. Schüleins
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https://doi.org/10.11588/diglit.9144#0274

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Die Landschaft /. W. Schüleins.

J. W. SCHÜLEIN—MÜNCHEN.

»BRÜCKE IN KUFSTEIN«

diesen Seltenheitswerten des Naturerlebnisses
aus empfindet und treibt nun der Lyriker, aus
dem dieser Künstler zu drei Vierteilen seines
Wesens besteht, sein Bild weiter und weiter
ins Phantasmagorische hinein.

Bekannte Partien aus der nächsten Um-
gebung Münchens erkennt man so wieder, als
fände man seine eigene Frau auf einmal als
bunt phantastische Figurantin irgend einer Feerie
oder eines Maskenballs aus einer ganz anderen
Zeit. Salzburg wird eine Stadt mit südlicher
Seenähe. Feuchtkalte Lokalitäten mit unge-
schliffenen Bauern werden zum Idyll, das ein
Stück exotischen Märchens umschließt. Orte
mit Hotels und Wanzen, mit Kinos und Pöbel
werden kastellartig, erhalten den Verkehr des
18. Jahrhunderts, Passanten, die in ihrer hu-
schenden Undeutlichkeit weit mehr an Men-
schen erinnern als an Publikum. Mit einem
Wort: Schüleins Landschaft, die aus der eines
Baluschek würdigen Gondelfahrt auf dem See
des Münchener Englischen Gartens fast Rokoko
macht, liegt weit ab von der Eisenbahn, Ihr
sehr modernes Empfindungstempo, das ihre
Form gelegentlich auch einmal ins Unklare ver-

rutschen und ihre Farbe bei aller Buntheit ver-
trüben läßt, reinigt sie von dem quälend Neu-
zeitlichen, d. h. Banalen der Alltagsgegenständ-
lichkeit, macht sie wieder unberührt und er-
öffnet die angenehme Möglichkeit, vor diesen
Bildvisionen novellistisch zu träumen.

Dies ist mehr, als wenn die Novelle vom
Künstler mit allen genrehaft-anekdotischen Um-
ständen selbst erzählt, die landschaftlichen Vor-
gänge aus ihrem bunten Rauch deutlicher her-
ausgeholt, das Schweifende, Andeutende, Lok-
kende dieser Kunst einer strengeren Bild-
architektur, einem Bauen mit der Farbe, wie
etwa Trübner es gepflogen, geopfert würde.

Man verlangt von diesem durchaus lyrischen
Charakter nicht die Gesetzgeberfunktion der
bahnbrechenden Talente, man bedauert nur,
daß das Schülein'sche Wagestück einer rest-
losen Amalgamierung äußerer und innerer Ge-
sichte , vorhandener und immaginärer Land-
schaft, nicht immer ohne trübe Ränder, nicht
immer ohne ein Ineinander- oder Auseinander-
stürzen der Vision — und damit der Bildform
— gelingen kann. Ein Stück zur behaglichen
Alltagsgewohnheit gewordenen Chaos;geht,"mit,

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