Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 51.1922-1923

DOI Artikel:
Religiöse Malerei
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.9144#0279

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Religiöse Malerei.

Aber nicht das, was der Künstler im Willen
und Bewußtsein hat, entscheidet über den Inhalt
des Werkes. Die Entscheidungen fallen auf
einer tieferen Ebene und sind der oberfläch-
lichen Willensregung keineswegs zugänglich.
Über die Weltanschauung eines Malers gibt sein
Pinsel, seine Palette viel zuverlässigere Aus-
kunft als seine bewußten Geistesinhalte. Und
so findet man heute vielfach einen sonderbaren
Widerspruch: im Motiv des Werkes die An-
spielung auf die christliche Heilsgeschichte, auf
die christliche Wahrheit überhaupt, aber in
allem Sinnlichen und Gestaltgebenden des Wer-
kes eine ausgesprochen widerchristliche Gei-
steslage. Unbekümmert um die Bedeutung des
Motivs trägt der Pinsel, trägt die Linie ihr
Heidentum, ihren Pantheismus vor und stört
dem Künstler herrisch den Text. Gestalten, die
Christliches bedeuten sollen, erscheinen in einer
malerischen Weltanschauung, die nichts vom
Primas des Logos, nichts vom Sieg des Geistes,
nichts von Weltüberwindung weiß, die vielmehr

eine pantheistische Naturfrömmigkeit, wenn
nicht gar den Sieg der Natur über den Geist
unzweideutig verkündet. Bestenfalls kann man
da reden von einer religiösen, aber fast niemals
von einer christlichen Einstellung. Religion ist
der Molochismus schließlich auch. Das Christen-
tum aber ist eine ganz bestimmte auf die abso-
lute Übergewalt des Geistes begründete Reli-
gion, die man unmöglich vortragen kann, wenn
man noch an Baal oder andere Götzen glaubt.

Eine christliche Kunst werden wir erst dann
wieder haben, wenn christlicher Glaube im
Künstler zur tiefsten Bestimmungskraft gewor-
den ist und seine ganze künstlerische Weltan-
schauung ergriffen hat. Inzwischen ist es red-
licher, daß die christliche Kunst sich mit jenem
Ersatz behelfe, der sich aus äußerlicher An-
lehnung an wirklich christliche Kunst der Ver-
gangenheit ergibt, statt daß uns entschuldigend
und „psychologisch" aufgefaßte, in Natur er-
trunkene Menschenfiguren als Träger christ-
licher Transzendenz vorgesetzt werden. . w. f.

X XXVI. Februar 1923. 3
 
Annotationen