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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 51.1922-1923

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F. W.: Jakob Nussbaum
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https://doi.org/10.11588/diglit.9144#0284

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Jakob Nußbaum.

selbst und hat sich bei aller Feinfühligkeit nie
der Mode gebeugt. Das will viel sagen in einer
Zeit allgemeiner Mitmacherei, Der Frankfurter
Kunstverein gab vor kurzem eine Übersicht
von seinen Werken. Die Veranstaltung bot das
Bild dreißigjährigen Schaffens. Ziemlich am
Ende der langen Reihe steht ein Selbstbildnis.
Aus dem Spiegel, selbst überhaupt nicht sicht-
bar, sehr einfach und ruhig gemalt, blickt der
Künstler die Welt an, läßt er sich von ihr be-
trachten. Kein Porträtwitz, sondern ein Be-
kenntnis : der körperliche Nußbaum weicht der
Welt aus. Er ist so scheu, daß es ihm unan-
ständig vorkommt, sich deutenden Zeigefingern
und neugierig bohrenden Blicken dauernd dar-
zubieten. Diese vornehme Scheu offenbart sich
auch in anderen Bildnissen. Das reine Profil
wird bevorzugt, und oft hat der Dargestellte,
schreibend oder lesend, den Blick gesenkt. In
der Menschenfurcht ist Nußbaum Strindberg
verwandt und sicherlich auch in dessen vom
Schattenspiel des Daseins trübbewegter Welt-
anschauung. Keine Schwere, nur farbiger Schein I

Die Fähigkeit, den Stoff zu überwinden, die
Körper und Gegenstände zum einheitlichen
Teppich zu verweben, malerische Einheit her-
zustellen, ist bei Nußbaum ungewöhnlich groß.
Luftschimmer und Sonnenglanz und rascher,
breiter Pinselzug oder Spachteltechnik müssen
ihm dabei helfen, aber so locker die Malweise,
so gewichtlos die Erscheinung — die Darstel-
lung ist doch immer durchdringend: hinter
Nebel und Dunst stecken die Häuser, stecken
die greifbarenGegenstände. NußbaumhatFrank-
furt verewigt: den sandsteinrosigen Hauch über
Häusern, Fluß und Uferweg, den Dunst der alles
bindet, die köstliche Heiterkeit der Atmosphäre
an Frühjahrstagen, alles das hat er festgehalten
wie keiner vor ihm. Das Schönste hat er im Oden-
wald geschaffen. Er muß eine große Lust haben
beim Anblick der treibenden Natur im Vorjahr.
Ein junges nacktes Obstbäumchen wirft seinen
mageren Schatten über den rosig gelben Weg.
Im Gezweig fangen sich an Astgelenken ein
paar Lichtstrahlen, dahinter von Winterfeuchte
dampfendes Grün einer Wiese und an der Rück-
 
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