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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 51.1922-1923

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Kurth, Willy: Altdeutsche Malerei im Kaiser Friedrich-Museum
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https://doi.org/10.11588/diglit.9144#0324

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A ltdeutsche Malerei im Kaiser Friedrich-Museum zu Berlin,

leicht geblähte Segel. Zierlich graziös urjd an-
mutig fügen sich die Glieder des Kindes ein.
Und die Empfindung steigt bis zu einer süßen
Seeligkeit. Rosig weich schimmert das Fleisch
wie in ewiger Jugend in dem himmlischen Glanz
des Goldgrundes. Ein Stück Minnesang und
Mystik umschwebt am Abend des Mittelalters
diese Malerschule. Die Innigkeit dieser Schule
war es, die das Interesse der deutschen Geistes-
bildung wieder nach vierhundert Jahren auf
die alte nationale Kultur und die deutsche
Art lenkte, als die Romantiker im Anfang des
19. Jahrhunderts anfingen sie zu sammeln als
Gegenwert gegen Antike und Renaissance.

Von der Kunst dessen, der trotz der Neu-
bewertung anderer Größen, noch immer der
stolzeste Name und die reichste Persönlichkeit
der deutschen Kunst ist, von Albrecht Dürer,
besitzt die Galerie eine besondere Reihe von
Bildnissen. Neben den beiden allerorts be-
kannten Bildnissen des Holzschuher und Muffel
aus der späten Zeit des Meisters, interessiert
besonders das eigenartige Bildnis Friedrich des
Weisen aus der Zeit vor der Jahrhundertswende.
Es ist der junge Dürer, der hier mit seiner
starken Ausdrucksgewalt und subjektiven Frei-
heit das Abbild eines Menschen auf seine Art
formt. Etwas von der apokalyptischen Stim-
mung seiner großen Holzschnitte jener Zeit lebt
in den dämonisch aufleuchtenden Augen des
mutigen Fürsten, der Luthers Beschützer wer-
den sollte in späteren Jahren. In harten Win-
keln prallen die Linien dieses eigenartigen
Kopfes aufeinander und die gesammelte Ener-
gie des entschlossenen Mannes findet in den
Händen ihren Ausklang. Es ist der Kopf einer
kommenden Generation, deren Struktur durch
und durch männlich war.

Vergleicht man das leidenschaftliche Ringen
nach Wahrheit und Ausdruck des jungen Dürer
mit der Gefühlsstimmung, die ein Bild wie die
Geburt Christi (Abb. S. 318) von Martin Schon-
gauer durchzieht, spürt man mit einem Ruck
die Umstellung eines ganzen Zeitalters in Dü-
rers Persönlichkeit. Der Straßburger Meister,
dessen Werkstatt das Ziel der Wanderschaft
des jungen Dürer war, sucht das Weltbild, das
die neue niederländische Kunst im 15. Jahr-
hundert nach allen Richtungen irdischer Breite
und Mannigfaltigkeit erweitert hatte mit dem
neuen Individualismus seiner Erzählungskunst
zu verschmelzen. Das Entzücken am Durch-
leben jedes einzelnen Teiles nimmt die Form-
gestaltung dieses berühmten Kupferstechers ge-
fangen. Er stimmt seine Sprache auf einen

feinen, anmutigen Ton, erzählt mit leisem Be-
dacht und gepflegtem Wohllaut auch den er-
regtesten Moment, der besonders bei dem
Hirtenvolk sonst in einer derben volkstüm-
lichen Note erklungen war.

Ähnlich blieb diese verhaltene Stimmung, im
Gegensatz zu der kernigen, demokratischen
Auffassung Nürnbergs, im höfisch aristokrati-
schen Augsburg erhalten. Hans Burgkmair's
„Heilige Familie" (Abb. S. 319) ist deutlich in
die Kulturatmosphäre dieser reichen Patrizier-
stadt eingetaucht. Bei allem stillen Glück, das
sonnenbreit über dem gleichmäßigen und gut-
geschnittenen Gesicht dieser vornehmen Frau
liegt, bleibt in der Haltung die Würde gewahrt.
Und Joseph in modisch vornehmer Kleidung
hält zierlich seine Weintraube. Die Nähe des
Südens mit dem feierlichen Stolz der Archi-
tektur und der farbenprächtige Glanz farbigen
Marmors Venedigs im Hintergrund wird deut-
lich sichtbar. Eigenwilliger erklingt die heimi-
sche Art in dem prachtvollen Blick über die
dunklen Büsche und das Wasser, der auf die
schneebedeckte und lichtvoll glitzernde Alpen-
kette geht und eine köstlich aromatische Misch-
ung von Kultur und Natur, von Dichtung und
Wahrheit hervorbringt.

Dieser Zusammenklang von Mensch und
Natur ist am stärksten in den Donaugegenden
erfaßt worden. Eine Landschaftskunst roman-
tischer Märchenträume wird hier durch Albrecht
Altdorf er in Regensburg gedichtet. Freiheit
des Raumes, ragende Kraft der Einzeldinge und
eine Charakteristik jeder Teilform, alles fügt
sich zu jener poetischen Verklärung Altdorfer's
Naturpoesie zusammen. Wie eine Vorahnung
Böcklins mutet dieses Naturleben in der „Satyr-
familie" (Abb. S. 320) an. Nicht als bloße
Staffage, sondern als Stimmungsexponent der
Landschaft, als Vorzeichen der Melodie will
hier die erzählende Zutat zur Natur aufgefaßt
sein. Dieser lyrische Pantheismus verkörperte
im engeren Sinne die deutscheste Note der
alten Kunst und leuchtete am Abend der alten
deutschen Kunst vor 1600 noch einmal in der
Persönlichkeit Adam Elsheimers (Abb. S. 313),
des Frankfurter Meisters auf, um dann erst vom
Sentiment der deutschen Kunst im 19. Jahr-
hundert am stärksten gepflegt zu werden von
den Romantikern über Schwind bis zu Hans
Thoma. Auf diesen poetischen Grundton deut-
scher Lyrik horchte ein Rubens, der viele dieser
kleinen Bilder Elsheimers sammelte, horchte
ein Rembrandt, der der Art des deutschen
Meisters nachging............. w. kurth.
 
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