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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 51.1922-1923

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Popp, Joseph: Stickereien von Marianne Benda
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https://doi.org/10.11588/diglit.9144#0383

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STICKEREIEN VON MARIANNE BENDA.

Marianne Ben da-München, die nach man-
chem Erfolg in engerem Kreis hier vor eine
breite Öffentlichkeit tritt, pflegt das Gebiet der
weiblichen Handarbeit aus innerer Notwendig-
keit. Das schafft ihr die Geduld und Gewissen-
haftigkeit wie anderseits die geradezu leiden-
schaftliche Hingabe. Der farbige Glanz und
die Geschmeidigkeit des Seidenfadens drängte
die Künstlerin etwas Prickelndes, Pikantes zu
machen, das sich auch noch in der arabesken
Form ausprägt. Steckt auch ein rokokohafter
Anklang in diesem Kissenschmuck, so ist das
Ganze doch etwas Selbständiges, das sich in
seiner Komposition absichtlich jeder Richtung
enthält, um der sorglosen Verwendung in jeder
Lage gefügig zu bleiben.

Gereifter sind die ungleich schwierigen Tüll-
stickereien, deren vielseitige Technik zu wech-
selvoller Geltung kommt. In den beiden Fächer-
blättern liegt der künstlerische Wert zunächst
in der anpassenden und bewegten Komposition,
noch reizvoller in den feinen Helldunkelabstu-
fungen, die nach Art eines malerischen Schwarz-
Weiß-Blattes geradezu farbige Stimmungen er-
reichen. Damit wird die Fläche weiter belebt
und sogar eine räumliche Anschauung erzeugt,
ohne daß das Zweidimensionale leidet. Den

Naturalismus der Akte möchten wir noch weiter
überwunden sehen, die Motive selbst sind von
anmutiger Erfindung. Die schönste Arbeit und
ein objektiv hochstehendes Stück ist der Läu-
fer, dessen Rhythmik nur durch die Ecklösungen
der einzelnen Bilder, die sich in der Mitte etwas
bedrängen, leicht gehemmt wird. Die ganze
Intimität und Köstlichkeit enthüllt sich in dem
vergrößerten Blatt, in dem Grazie, Schelmerei
und Treuherzigkeit ein naives Spiel treiben,
unterstützt von einer mühelos gehandhabten
Technik, die alle Mühseligkeit wie Pedanterie
überwunden hat. — Möchte endlich die Zeit
kommen, in der unsere reichen Damen auch
den Wert moderner künstlerischer Spitzen mehr
würdigen und diese edle Kunst wie ihre opfer-
freudigen Jünger fördern.........jos. popp.

Ä

Jedes Kunstwerk muß sich als ein solches
anzeigen, und das kann es allein durch das,
was wir sinnliche Schönheit oder Anmut nennen.
Die Alten bezeichneten ihre Kunstwerke durch
gewählte Ordnung der Teile; sie erleichterten
die Einsicht in die Verhältnisse durch Sym-
metrie. Durch diese Symmetrie und durch Ge-
genstellungen wurden in leisen Abweichungen
die höchsten Kontraste möglich. .... goethe.

XXVI. März 1923. 8
 
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