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M utter,
Wir von Nazareth Herkommen,
Fanden nirgends Unterkommen,
Mud vom Weg und ohn Bekannte,
Sind wir nun im fremden Lande,
Zigeunerin.
Ich hab einen kleinen Stall hier,
Da kann stehen euer Saumthier,
Heu und Stroh will ich drin streuen,
Daß wir all uns drin erfreuen.
Liebe Frau, itz's nicht nach Würden,
So verzeiht, wie mag bewtrthen
Eine Königin ich Arme,
Ach -aß Gott sich mein erbarmet
Und du Alterchen sitz nieder,
Kamst zu Fuß, hast müde Glieder,
Schöne Tochter ohn Verweilen
Machtet ihr dreyhundert Meilen.
Erne Königin der Gnaden
Bist du, wie's mein Herz errathen,
Dieser ist dein Ehherr, denk ich,
Ei wie ist er gur und freundlich!
Und gefallt dir's, liebe Fraue,
Daß ich in die Hand dir schaue,
Wenn gleich arm und zu beklagen,
Will ich dir dein Glück wahrsagen.
Doch was ich werd sagen müssen,
Wirst du all schon besser wissen,
Denn cs läßt dein schönes Wesen,
Eine große Weißheit lesen.
Lhöricht werd ich noch vor Freude,
Glücklich war mein Ausgang heute,
Du bist, ich kann's unterscheiden,
Auserwählt von Ewigkeiten.
Du warst stets die Gott geliebte,
Reine, keusche, ungetrübte,
Du bist Mutter von dem Sohne
Dessen Vater himmlisch wohnet.
Gott zum Boten dir bestellte
Gabriel, den Glang umhellte,
Dir im Kämmerlein verschlossen,
Hat die Botschaft sich ergossen.
Wüstest, daß und wie der Willen
Gottes, stch ins Fleisch zu hüllen,
O was Trost ist aufgegangen,
Weib in deinem Gottempsangen.
Gnadenpoll bist du gewesen,
Himmelskönigin erlesen,
Als er sprach mit Worten süße,
Ave Maria, Gott dich grüße
Und als er dich so gegrüßet,
Angst dein reines Herz durchfließet,
Deine Frucht sey benedeiet,
Die die Welt erlößt, beftevet.

Und von Demutk ganz erfüllet,
Mir geschch, wie Gott gewillet,
Mir der Magd des Herrn, es komme,
Der Erlöser, sprachst du fromme.
Aber Joseph dort der gute
Dachte nach in trübem Muthe,
Und ob deines Leibes Segen
Lhät seiir Herz viel Sorgen hegen.
Doch vom Engel unterrichtet,
Ward mit Trost er aufgerichret,
Und dich Schöne Gottbcgehrre
Höher er fortan verehrte.
Und als nun die Zeit gekommen,
Hast du Jofevh mitgenommen,
Um nach Bethlehem zu gehen,
Mußtest viele Noth ausstehen.
Konntest nirgend Obdach finden,
Deiner Frucht dich zu entbinden,
Ach du mußtest, Weib der Ehren,
Einsam unterwegs gcbährcn.
O welch arm elende Stätte,
Ohne Feuer, ohne Bette,
In -em Stall, du Gottbeschwerte,
Unter dir die harte Erde.
In der Heilgen Weihnacht Thaue,
Da gebahrst du o lieb Fraue,
Dieseu schönen Gottesknaben,
Hirten ihn verehret haben.
Betetest ihn Lieb erfüllet
An, ins Schleyerlein gehüllet
Legtest du dein schönes Knäblein,
Zwischen's Oechslein und das El'lein.
In der Kripve statt der Wiege,
Schöne Frau dein Kindlein lieget,
So gebahrst du Gott hienieden,
Krieg nahm er und gab den Frieden-
Solcher Glanz die Nacht entzückte,
Daß die Welt erstaunend blickte,
Alle Hirten sangen Lieder,
Der Erlöser kam hernieder.
Uud der Engel Melodeyen,
Konnten alle Welt erfreuen,
O du Nacht der Seligkeiten
Ganz voll Licht und Himmelsfreuden.
Hirten kamen ihn zu ehren,
Gaben groß ihm zu bescheren,
Ihr Ges." drang zu den Ohren,
Der Mesn^ »bohren.
Und weil ihr so . ; huldreich
Zeigt mir auch, lie^ ; >' ich bitt eu5„
Zeigt, mir armen, euer.Kindlein,
Den Erlöser in den Windl^in.
lHieben ein Kupfer.)

Mutter.
Schwester, blick zum Heilandskinde,
Zunr Erlöser aller Sünde,
Ach schau wobt, in seinen Blicken
Paradistsches Entzücken.
Zigeunerin.
Ach du lieb Frau Kaiserinne,
Lin nur eine Sünderinne,
Doch wem kann geliebter seyn
Dies mein liebes Jesulein.
Ach mein Weg war wohl gesegnet,
Daß ich euch allhier begegnet,
Drum schlug mir mein Herz voll Bangen,
Da ich hier heransgcgangen.
Doch weil es der Himmel wollte,
Daß ich dir wahrsagen sollte,
Ich dir mit betrübter Seele,
Des Erlösers Leid erzähle.
Schöne Mutter voller Güte,
Dultsam bist du im Gemüthe,
Deine Aeugleiu nur bereite,
Weinen foU'n wir alle beyde.
Jesus beten wird im Garten,
Gottes Stärkungskelch erwarten,
Blut'ger Angstschweiß wird ihn decken,
Ach mein Herz erbebt vor Schrecken.
Dann kömmt Judas hergegangen,
Küßt verrathend seine Wangen
Und um dreystg Silberlinge
Wird verkauft der Herr geringe.
An die Säule fest gebunden
Und geschlagen voller Wunden
Und gekrönet, ich ihn schaue,
Ach mit Dornen, liebe Fraue.
Von des Kreuzes Last gcbeuget,
Trauriger zum Berge steiget,
Und erschöpfet und entkräftet
Wird er an das Kreuz geheftet.
Liebe Frau, nach seinem End?
Wird er in das Grab gesenket.
Und uach dreyen Tagen wieder
Hebt er lebend auf die Glieder.
Und zwöis Jahr nach diesem Tage,
Liebe Frau, wie ich euch sage,
Kehrt er stch zum andern Leben,
Wird zürn Himmel stch erhebe».
Dann o Mutter voller Leiden,
Wirst du für uns Sünder streiten,
Weil du kamst zu solchen Ehren
Um die Schlange zu zerstören.
Liebe Frau, nun will ich schweigen,
^Euch nicht länger niederbeugen.
Gebt, daß ich nach meinem Ende
Wieder schau in eure Hände.
Clemens Brentans.
 
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