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-tieb Mb mein Pferd wohl versorgt, iÄ auch mit alten andern
Dinaen trefflich versehen war. Die Armierung von ihm zn nur
war für diesmal, daß ich ein Buch mit mir gebracht hatte,
welches ich auf Begehren zur Betrachtung Venzeslaus von Pö-
keim Herzogen von Luxemburg und Bradanr gemacht habe, und
Lnd in diesem Buche, das der Meliader heryt, alle die Lieder,
Balladen, Rondeaus und Virelais emhalten, dre jener kunstreiche
Herzog zu seiner Zeit gemacht, und meinen Erfindungen darüber
einmischen lassen. Dieses Buck sah der Graf von Foir sehr gern,
und alle Nachr nach dem Abendtisch las ich ihm daraus vor, aber
während ich las, durfte keiner weder mit ihm sprechen, noch ein
Wort sagen, denn er wollte, daß ich wohl verstanden würde,
und hatte er auch ein großes Vergnügen, alles deutlich zu verneh-
men, und wenn auch irgend eine Sache vorkam, auf welche er
einging, sprach er sehr gern mit mir darüber, nicht in seinem
Gaskognischm, sondern in gutem und schönem Französisch. Nun
will ich einiges von seinem Wesen und seinem Schlosse erinnern,
denn ich war lang genug dorten, um manches davon wisseu zu
können.
Der Graf Gaston von Foir, von welchem ich rede, war zu die-
ser Zeit ohngefähr 59 Jahr alt, und ich sage euch, habe ich zu
meiner Zeit gleich viele Ritter, Könige und Prinzen gesehen, so ist
mir doch keiner vorgckommen, der von so schönen Gliedern, von
so schöner Gestalt noch von so schönem Wuchs, fröhlichem Ange-
sicht, blutvoll und lachend war. Er hatte grünlichte Augen, die
sahen gar liebreich dahin, wo er seinen Bliek hinzuwerfen beliebte.
In allem war er so vollkommen, daß man ihn nicht genug loben
konnte, er liebte, was er lieben, und haßte, was er hassen sollte.
Ein kluger Ritter war er und von hohem unternehmen und voll
guten Raths. Nie hatte er einen Zweifelmüthigen um sich, er
war ein ernster Mann in der Negierung, er betete stehend täglich
eine Nocturne des Psalters, eine Hora von unsrer lieben Frau,
von dem heiligen Geist, von dem Kreuz und die Vigilia mortis.
Alle Tage ließ er fünf Gul)en kleiner Münze zu Gottes Lohn und
Allmosen an seiner Thüre jeglichen Armen vertheilen. Er war
prächtig und höflich in Gaben, und wußte sehr wohl zu nehmen,
wo es sich gehörte, und zu geben eben so. Er liebte die Hunde
über alle Tbiexe, und ergötzte sich in den Feldern Sommers und
Winters gerne mit der Jagd. Nie liebte er tolle Verschwendung
noch tolle Pracht, und wollte alle Monat wissen, was aus dem
Seinigen geworden sey. Er nahm aus seinem Land, um die
Einnahme zu empfangen und seiner Leute Sold zu ordnen, an-
sehnliche Männer, und zwar deren zwölfe, und von zwey Monat
zu zwey Monat ward er von zweyen aus ihnen in seiner Ein-
nahme bedient, die dann mit zwey andern in dem Geschäft- wech-
selten. Aus seinem vertrautesten Mann machte er seinen Gegen-
rechner , dieser nahm von den andern alle Rechnungen auf, und
legre dieselben schriftlich dem Grafen wieder ab. In seiner Stube
harte er gewisse Kasten, aus welchen er manchmal Geld nehmen
ließ, um es den Edelleuten, Herrn oder Hofdienern zu geben,
die zu ihm kommen, denn nie verließ ihn jemand, ohne ein Ge-
schenk, und stets vermehrte er seinen Schatz, um die Zufälle und
Schicksale ruhig erwarten zu können, deren er stch vermuthete.
Er war herablassend und zugänglich jedermann, und redete freund-
lich und liebreich mit allen, kurz war er in seinen Entschlüssen
und Antworten. Er hatte vier geistliche Geheimschreiber, Briefe
zu schreiben und zu beantworten, und wenn es ihm beliebte, daß
diese vier Schreiber sich fertig hielten, sobald er aus seinem Ge-
mache heraustrat, rief er weder Jean noch Gauthier noch Guil-
laume, sondern wenn man ihm Briefe brachte und er sie angenom-
men, rief er sie nur Llsiw^err (Dienmirschlecht) entweder zum

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Schreiben oder für alles andre, was er ihnen befahl. Also wie ich
euch sage lebte der Graf von Foix.
Und wenn er aus feiner Stube um Mitternacht in fernen
Saal zum Nachtmahl kam, so ktrugen zwölf Diener zwölf bren-
nende Fackeln vor ihm her, und diese zwölf Fackeln blieben um
seinen Tisch herum, welches in dem Saal eine große Helle verur-
sachte. Dieser Saal war ungefüllt mit Rittern und Hofleuten,
und stets waren eine Menge Tische gedeckt, zu essen für die, die
essen wollten. Keiner sprach zu ihm während der Tafel, wenn er
ihn nicht darum anredete. Er aß gewöhnlich eine Menge Geflü-
gel, und besonders die Flügel und Schenkel allein, und den übri-
gen Tag aß er und trank er wenig. Große Freude empfing er an
den Tönen der Harfenschlägcr, denn er verstand sich wohl darauf.
Gern ließ er seine Schreiber Lieder, Rondeaus und Virelais sin-
gen; er saß zu Tische ohngefähr zwey Stunden, auch sah er gern
allerley wunderbare Zwischenspiele, und schickte sie, sobald er sie
gesehen, zu den Tischen der Ritter und Hofdiener. Kurz, an so
vielen Höfen von Königen, Herzogen, Prinzen, Grafen und hohen
Damen ich auch war, gefiel es mir nirgend so wohl, nnd fand
ich nirgend ritterliche Sitte so wohl bestehend. Man sah in dem
Gemache, in dem Saal und Hof, Ritter und Ehrendiener auf
und ab wandeln, nnd hörte man sie von Waffen und Liebe spre-
chen, und alle Ehre ward darin gefunden. Was nur irgend neues
in einem Land oder Königreich vorgesallen, mogte man da wohl
vernehmen, denn von überall trafen hier der Würde des Herrns
wegen die Nachrichten ein. Da hörre ich den größten Theil aller
Kriegshandlungen aus Spanien, Portugatt, Arragon, Navarra,
England, Schottland und von den Grenzen Languedocs, denn
während meinem Aufenthalt sah ich da Boren und Ritter von al-
len Nationen anlangen, die mich gern unterrichtetet!, wie auch
der Graf selbst, der mir oft davon sprach. Sehr gern hätte ich ge-
fragt, da ich den Hof des Grafen fo prächtig und im Ueberflusse
fand, was aus Gaston seinem Sohn geworden und wie er gestor-
ben sey; denn Messire Espaing du Lion hatte es mir sagen wol-
len, und erhielt endlich, daß ein alter Hofmann ein sehr ansehn-
licher Mann mir es sagte. Er begann auch seine Erzählung fol-
gerrdermaßen.
III. Von dem traurigen Tode -es Kindes
von Foix.
Es ist wahr, daß der Graf von Foix und Madame de Foix
feine Gemahlin, nicht wohl einverstanden find, noch es je lang-
gewesen , und rührt das Misverständniß unter ihnen von dem Kö-
nig von Navarra her', welcher der Bruder dieser Dame war,
denn dieser wollte den Seigneur d'Albret, den der Graf von Foir
gefangen hielt, um die Summe von 50,000 Franken auslösen.
Der Graf, welcher den König von Navarra als falsch und hinter-
listig kannte, wollte ihm diese Summe nicht borgen, worüber die
Gräfin sehr unwillig gegen ihren Gemahl wurde, und sagte sie zn
ihm, mein Herr und Gemahl, ihr traget wenige Achtung zu mei-
nem Herrn Bruder, wenn ihr ihm nicht 50,000 Livres borgen
wollt, auch wißt ihr, daß ihr mir mein Wittwengeld von 50,000
Franken anweisen, und sie zu den Händen meines Herrn Bruders
stellen müßt, also könnet ihr nie übel bezahlt werden. Ihr sagt
die Wahrheit, sprach er, aber wenn ich sorgte, der König von
Navarra solle die Zahlung verschieben, nie würde mir der Sire
d'Albret von Ortais wegkommen, bis ich zu dem letzten Heller be-
zahlt wäre. Doch weil ihr mich darum bittet, so will ich cs
thun, nicht aus Liebe zu euch/ sondern aus Liebe rn meinem
 
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