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wisse nichts davon «nd sie scyen Lügner. Manchmal
ließ man ihm auch keine Waffen und Degen in seiner
Stube/ aber wenn er dann erwachte und sie nicht fand,
führte er ein solches Getöse und Unwesen/ daß man
glauben sollte/ alle höllischen Teufel wären bey ihm in
-er Stube. Drum Läßt man sie ihm lieber und achtet
auf rhn; wenn er dann sich bewaffnet und wieder ent-
waffnet hat/ legt er sich wieder zu Bett. Heilige Maria/
sagte ich / woher mag wohl solche Phantasie dem Messire
Pierre kommen? daß er NachtS aufsteht und solch Ge-
fechte hält? Das sind sehr wunderbare Sachen. Mei-
ner Treu, sagte der Hofmann / man Hot ihn oft darum
befragt/ aber er weiß nicht zu sagen/ woher ihm das
kommt. Die erste Nacht/ als man cs ihm bemerkte/
folgte auf einen Tag / an welchem er in einem Wald
in Biscaycn einen wunderbar großen Bär gejagt hatte.
Dieser Bär hatte vier seiner Hunde getödtet und noch
mehrere verwundet/ so/ daß die übrigen nicht an ihn
wollten. Da nahm Messire einen Degen von Bour-
deaux/ denkr trug / und machte sich sehr erzürnt seiner
getödteten Hunde wegen an den Bären/ stritt da in gros-
ser LeibeSgefahr lange mit ihm und hatte große Noch/
bis er ihn erlegte. Endlich tödtcte er ihn und kehrte
dann nach seinem Schloß Langue Deuton zurück/ wo-
hin er sich den erschlagenen Bären bringen ließ. Alle
erstaunten über die Größe des ThierS/ und die Kühnheit
des Nitters/ mit der er ihn angefallen und erschlagen
hatte. Als die Gräfin von Biscayen seine Gemahlin
den Bären sah / fiel sie in eine Ohnmacht und bezeigte
großen Schmerz darüber. Sie wurde von ihren Leuten
aufgehoben und nach ihrer Stube gebracht/ und war
diesen Tag und die folgende Nacht und dann den gan-
zen folgenden Tag gar trostlos und wollte nicht sagen/
was ihr fehlte. Den dritten Tag sprach sie zu ihrem
Gemahl: Mein Herr/ ich werde niemals wieder gesund
werden/ ehe ich nicht nach St. Jacob gewaslfahrtet bin/
gebet mir Urlaub dahin zu gehen/ und daß ich Pierre
meinen Sohn und Andrienne meine Tochter/ mit mir
nehme / ich begehre es von euch. Messire Pierre erlaubte
es ihr sehr gern, nnd ließ sic ihren ganzen Schatz / ihr
Gold/ ihr Silber und ihre Juwelen mitnehmen/ denn
er wußte wohl/ daß sie nicht wiederfebrey würde / dessen
man sich doch sonst nicht versah. Die Dame vollbrachte
ihre Reise und Wallfarth/ und nahm sodann Gelegen-
heit/ ihren Vetter den König von Castilien und die Kö-
nigin zu besuchen/ da empfing man sie sehr wohl/ und
ist sie noch dort/ will auch nicht zurückkehren noch ihre
Kinder zurückschicken, und ich muß euch sagen/ daß in
derselben Nacht/ vr welcher ec deu Ba 'en gejagt und
getödtet/ er sich erhoben und ihm zum erstenmal diese

wunderbare Phantasie angestoßen ist / und will man wis-
sen/ daß die Dame das wohl voraus gewußt habe/ so-
bald als sie den Bären gesehen / welchen ihr Herr Vater
schon einmal gejagt hatte / dem damals auf der Jagd
eine Stimme zugerufen: du jagst mich und ich will dir
doch kein UebelS/ aber du sollst darum sterben eines bö-
sen Tods. Da hatte dann die Dame sich daran erin-
nert/ als sie den Bären sah und auch der Rede ihres
Vaters / und gedachte sie wohl daran / wie der König
Dom Pedro ihn unschuldig hatte enthaupten lassen / und
darum sank sie in Ohnmacht vor ihrem Gemahl und be-
hauptet noch immer/ daß es ihm noch wunderbar erge-
hen werde / ehe er sterbe / und daß das alles nichts sey/
was ihm auch jetzt geschehe / gegen das was noch kom-
men-werde. Und so habe ich euch denn von dem Mcs-
sire Pierre de Bearn erzählt/ sagte der Hofmann/ wie
ihr begehrt habt/ und ist die Sache wahrhaft/ denn so
ist sie geschehen und was haltet ihr dqvon? Ich/ der
ich ganz nachdenklich über die wunderbare Geschichte ge-
worden war/ sprach: Ich glaube das gar wohl/ denn
wir finden in der Schrift/ daß die Götter und Göttin-
nen vor alten Zeiten nach ihrem Vergnügen die Män-
ner in Thiere und Vögel verwandelten / nnd so Machten
sie's auch mit den Weibern. ES kann gar wohl seyn,
daß dieser Bär ein Ritter gewesen/ der einstens in den
BlScayischen Wäldern gejagt / er beleidigte vielleicht ei-
nen Gott oder eine Göttin zu seiner Zeit/ warum er in
einen Bären verwandelt wurde/ und nun da seine Buße
that/ so wie Actäon in einen Hirsch verwandelt wurde.
Actäon? antwortete der Hofmann/ lieber Meister/ er-
zählt mir davon/ und ich will euch gern zuhören; da er-
zählte ich ihm die Geschichte von Actäon und sagte hier-
auf/ so kann es auch mit jenem Bären gewesen seyn/ und
hat die Dame vielleicht noch was ganz anders erwartet
und wnßte/ was sie damals nicht sagte/ darum muß
man sie für entschuldigt halten. Da sprach der Hof-
mann/ das kann alles wohl seyn/ und somit beschlossen
wir unsre Erzählung.


Lehrgedicht an die Jugend.

Ganz in allem gegenwärtia
Sey es Ernst und fty es Spiel,
Ist Natur des Winks gewärtig.
Der ihr zeigt des Strebens Ziel:
Gestern noch in Mädchenfpietett
Gleitet Sie auf Eis mit Lust;
Frühling kommt. Sie lernet fühlen,
Fronmre Milch schwellt Ihre Brüste
 
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