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964. Diese Chronik/ Vie nach Meynunz
um 1060 geschrieben wurde/ erzählt von dem Mönche
Walther/ der sich vor Alters in ihrem Kloster aufge-
halten; dessen Vater, der König Alfer von Aquita-
ui en mit dem König Cririk von Burgund den Ver-
trag um H ilteg und errichtet; wie beyde Königreiche
dann aber Attila zinsbar geworden / und Walther
und Hiltegund nun am Hofe desselben leben müssen;
sie bringt dann eine Stelle wörtlich auS dem Gedichte
gezogen/ über ihre Erziehung bey/ und weiterhin/
Wie Walther endlich in seinem Alter Mönch gewor-
den/ und was Thaten er in ihrem Kloster noch ver-
richtet / wie er die Räuber geschlagen u. s. w. Erzäh-
lungen/ die an den Mönch Jlsam des Heldenbuchs er-
innern. Auch Aventin in seinen Annalen/ führt
Stellen auö einem Manuscripte desselben in Rheins-
berg an. Hinter das neunte Jahrhundert fällt also die
Abfassung des Gedichtes zuverlässig zurück; eine andere
Frage aber ist/ ob sie Fischer darum mit Recht in das
Sechste versetzt. Manches Einzelne erwogen / besonders
aber iene Stelle / wo Hagene als aus trojanischem
Blute entsprossen angegeben wird/ mögten wir uns am
ersten für die Zeil Pipins bestimmen/ wo es nach Eck-
harts Angabe in ooirunk>ntMi ile relr.kranLiae Orient.
zuerst beliebt wurde bey den Franken/ ihre Abkunft vom
trojanischen Geschlechte herzuleiten / weil ihre Sagen und
Chroniken von einem ihrer früheren Könige Priamusbe-
richteten. Die äußere lateinische Form schließt sich unmittel-
bar au die römischen Dichtungen der ersten Jahrhunderte
an/ das innere Wesen aber zeigt ganz den Geist einer in
diese Form verarbeiteten nordischen Romanze. Betrach-
ten wir aber nun / wie die ganze Masse des Lichtes in
4em Bilde auf dem aquitanischen Helden liegt; er-
innern wir uns/ daß Aquitanien jenen Strich von
Westfrankreich begreift/ der sich am Fuße der Pyre-
näen hinzog/ und den die Visigothen befassen/ dann
müssen wir die Fabel für eine der Ramificationen des
großen gothischen Stammgedichtes erklären/ das im
Dieterich und dem zunächst mit ihm Verbundenen/
vstgothrschen Charakter trägt/ hier aber in einer westgo-
thischen Romanze ausgeschlagen ist.
Eines aber noch ist merkwürdig an diesem Werke/
daß Günther und Hagene/ offenbar die Helden der
Nibelungen/ keineswegs Burgundionen/ sondern
Franken sind/ und es ist schwer auSzumitteln / wel-
ches Gedicht hier das historisch treuere ist. Während
nämlich die Allemannrn am Oberrheine über Bayern
Rhätien und die östliche Schweiz sich verbreiteten; wäh-
rend gleicherweise die Burgundionen auSgegangev von
-er polnischen Gränze/ im -ritten Jahrhundert gegen

Lie Döttäll andrattgend/ später in der Gegend von
Straßburg über den Rhein vorbrachen/ und das ganze
östliche Narbonensische Gallien besetzten; waren
auf die gleiche Weiße auch die Frauken vom Ufer der
baldischen See/ dort noch Waringer genannt — da-
her das Waringen in der Geschichte des Schmieds Ve-
lint — herabgekommen; unter ihrem König Phara-
mund hatten sie die Harzgegenden an der Bode/ der
Werra/ und Thüringen an der Saale/ so wie Ober-
franken am Mayn beseht/ und drangen später dann um
die Zeit des Zuges von Attila/ und seines Todes / nachdem
sie früher schon häufige Einfälle in Gallien gemacht/
unter ihrem König Hyld eri ch und zwölf Anführern in
Masse bey Maynz über den Strom hinüber vor; schlu-
gen die Römer/ nahmen Maynz/ Worms/ Speyer
weg / und gründeten dort fünf kleine Königreiche/ denen
sie Arbogast/ Drogo/ Geberich mit seinem Sohn«
Gunthar/ Garovik und Hagans vorsetzten;*)
rückten dann weiter den Rhein abwärts gegen Cölrr
hi»/ wo Sigbert das Königreich der Ripuarier
errichtete; eroberten Belgien / brachen dann über Trier
nach Metz bis Toul bin vor/ wo HaganoS Neffe
Pata fried/ derselbe der im Gedichte vorkömmt / als
König geordnet wurde; und zwangen endlich Paris zur
Uebergabe/ wo sich ihnen dann das ganze römische Gal-
lien unterwarf. Später am Anfänge des sechsten Jahr-
hunderts gelang es dein berühmten Clodopaeus oder
CloviS dann/ nachdem er erst die Allemannen in Teutsch-
land/ dann die Westgochen in Aquitanien/ endlich die
Burgundionen geschlagen und sich unterworfen/ alle die
einzelnen Staaten in ein großes Gemeinwesen zu ver-
binden/ und so / nachdem er das Christerrthum zuerst un-
ter seinem Volke eingeführt/ das fränkische Weltreich zu
begründen. So viel ergiebt sich auS dieser Auseinander-
setzung / daß die Gränzen des fränkischen und burgundi-
schen Reiches um die Zeit/ in der das Gedicht gespielt/
eben etwa in die Gegend der alten Dangionen fielen/ und
daß sie vielleicht in unbestimmtem Wechsel häufig fluctuir-
ten. Eben diese Unbestimmtheit rechtfertigte daher auch
die Dichtung/ daß sie gleichfalS zwischen Franken und
Burgundionen hin und herüber schwebte: denn das ist dir
Weiße der Poesie/ daß sie/ besonders wo sie eigentlich
Rationelle ist/ wohl liebt historische Wahrheit zum Grund
zu legen/ daß sie aber im Fortgänge der Entwicklung
den gefaßten Gegenstand aufnehmen- ins Reich der
Phantasie/ sich nur durch das Gesetz des Schönen/ nicht

Das Nach Werner/. Foro?». der es WahvscheiNa
Lich aus verwandten verloren gegangenen Dichtungen, und
nicht aus eigentlich sogenannten historischen Quellen schöpfte.
 
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