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Gailhabaud, Jules; Kugler, Franz [Hrsg.]
Jules Gailhabaud's Denkmäler der Baukunst (Band 1): Denkmäler aus alter Zeit — 1852

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https://doi.org/10.11588/diglit.3501#0147

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Kleiner Fels-Tempel zu Ebsambul, der Göttin Athor geweiht.

Um die architektonischen und dekorativen Schönheiten dieses Denkmals genauer zu würdigen, hedürfte
es hier einer Darstellung der Hauptprinzipien der ganzen ägyptischen Baukunst und einer Vergleichung
derselben mit dem vorliegenden Bauwerke, was indess die Grenzen dieser Erläuterungen bei weitem über-
schreiten würde. Diese Darstellung wird später in einer besondern Uebersicht über den gesammten Cha-
rakter der ägyptischen Kunst gegeben werden; dort werden wir die Architektur des Nilthaies nach ihren
beiden grossen Abtheilungen, — Bauten über der Erde, und Bauten unter der Erde — näher betrachten.
Beide haben ihren besondern Charakter; die letztern sind den erstem vielleicht nur in Beziehung auf die
Mechanik unterzuordnen. Ueber den Ursprung und die kunsthistorische Bedeutung der unterirdischen Bau-
weise, so wie über die Namen Speos und Hemispeos (Höhle und Halbhöhle), d. h. Bauwerke welche
entweder ganz oder theilweise in den Felsen gehauen und dem Tageslicht unzugänglich sind, wird dort
eine umständliche Auseinandersetzung gegeben werden. Hier nur noch eine Bemerkung über das Innere
dieses Tempels. Wie in den meisten thebanischen Hypogaen sind statt der Säulen viereckige Pfeiler
als Stützen angebracht. Das Bedürfniss einer grösseren Festigkeit scheint der nächste Grund, wesshalb
man die letztere Form zur Anwendung gebracht *). Die grosse Dicke der Pfeiler, welche sich, den Sockel
mitgerechnet, zur Höhe verhält wie eins zu drei, hat natürlich grössere Festigkeit zum Zweck. — Sonst
ist über die so einfache und regelmässige Anlage nichts zu bemerken; Linien, Figuren und Hieroglyphen
sind, wie öfter bemerkt, in beiden Tempeln mit vollendeter Feinheit ausgeführt.

Mehrere Reisende, z. B. Gau und Wilkinson, schreiben statt Ebsambul Abu-sambul oder Abo-simbel,
obschon die arabische Schreibung weder diese Aussprache noch die Trennung in zwei Wörter zulässt.
Gau liess sich wohl dadurch irre führen, dass viele Ortsnamen, mit Abu beginnen, und der gelehrte Wil-
kinson hat eine alte Stadt Abuncis oder Aboccis am linken Nilufer im Sinne. Aber Ptolemäus, der Abuncis
erwähnt, setzt es dritthalb Grade südlich vom grossen Catarakt des Niles (d. h. von Wadi-Haifa), viert-
halb Grade entfernt von Philä und 3 ° 50 ' von Syene, während von Ebsambul aus diese Entfernungen
nur i| °, 2 ° 36' und 2 ° 45 ' betragen. (Wir sprechen nicht von der absoluten Lage dieser Orte, wobei
sich viel grössere Unterschiede ergeben würden). Auch liegt Ebsambul nördlich vom zweiten Catarakt,
nicht südlich wie Abuncis. —

*)

bleibt. Ueber die Felsen herunter weht der Wind den Sand durch die enge Thalschlucht, wo sich derselbe immer mehr
anhäuft, obschon ihn der Nil fortwährend untergräbt. Am Ausgang der Schlucht würde ohne diese Uebersandungen ein
geräumiger Platz vorhanden sein, kaum höher liegend als der Spiegel des Flusses, und von drei Seiten mit hohen natür-
lichen Schutzwänden umgeben. Und auch die vierte Seite, die westliche, war ehemals wenigstens durch hochgethürmte
Haufen roher Ziegel gegen den Andrang des Sandes geschützt. Doch jetzt ragen nur Trümmerspitzen dieses ungeheuer»
Strebepfeilers aus dem Sande hervor; der Bau selbst ist eingestürzt, da er bei mangelnder Unterhaltung die Last nicht
mehr zu tragen vermochte. — Von hier an läuft die beinah senkrechte Felswand mit dem Strome parallel, und hier endlich
erscheint, mehr als 25 Fuss über dem Nil, jene in den Felsen gehauene Tempelfronte mit ihren sechs Riesenbildern in eben
soviel Nischen, zwischen welchen gigantische Streben, schiefliegend wie die ganze Facade, ausgespart sind. Die Kolosse,
welche u. a. den Sesostris und seine Gemahlin Nofre-Ari darstellen, sind weich und mit Wahrheit behandelt; besonders in
den Weiberkörpern zeigt sich eine schöne, markige Rundung. Von all den zahlreichen Denkmälern der Regierung des Se-
sostris enthält blos dieses das Bild seiner Gemahlin, was für uns um so interessanter ist, als Sesostris im Alterthum be-
rühmt war durch die feurige und beständige Liebe zu seinem Weibe; doch ist hier nicht der Ort, diese mannigfachen, so
wohl erhaltenen Darstellungen einer Apotheose vor dem Tode in's Einzelne zu verfolgen. Abgesehen von dem Genuss, hier
ein genaues und anmuthvolles Portrait einer Fürstin zu finden, deren Schönheit vor 3300 und etlichen Jahren Aufsehen
erregte, — ist es etwas Seltenes und Unschätzbares um ein Monument, dessen Einzelheiten in so enger Beziehung zu
seiner Bestimmung stehen, und an welchem die sorgfältigste Skulptur sowie die schönsten Farben zu lauter Darstellungen
angewandt sind, welche die reiche Gesammtidee so glücklich ausdrücken. Dieser hübsche kleinere Tempel behauptet auch
neben dem weit grössern sein eigenthümliches Interesse; als ich in ihm ausruhte, um mich von dem Ungeheuern Eindruck
des grossen Hypogaeum's zu erholen, empfand ich ein lebhafteres Vergnügen, als da ich ihn bei der Ankunft schnell durch-
lief, während mein Auge schon auf den Colossen des grossen Tempels ruhte, deren Köpfe, wie Poussin's Polyphem, hoch
über die Sandmassen emporragten." — (Revue francaise, November 1829.)

Der Verfasser meint, dass ausserdem die kubische Form des Würfels, der sich über der Maske der Athor erhebt
die viereckige Form der Pfeiler bedingt habe. Diese Ansicht scheint mir jedoch — abgesehen davon, dass sich an spätem
Monumenten, wie zu Philä und Deuderah, dennoch mit jener Bekrönung die Rundform der Säule verbindet — schon hier
in sofern unpassend, als die ganze Verzierung, welche die Pfeilerfläche schmückt, nur in dem gewöhnlichen schwachen Relief
heraustritt und überdies jener Würfel nicht eine rein kubische Form, nicht senkrechte, sondern schräge Seitenlinien hat.
Er erscheint geradezu als die bildnerische Darstellung eines kleinen Tempelgebäudes, die ohne Zweifel durch symbolische
Beziehungen hervorgerufen wurde. Ich bin überzeugt, dass der wesentlichste Grund aller Formenbildungen der aegyptischen
Kunst durchweg nicht sowohl auf ästhetischen Principien beruhe, als auf denen einer symbolisirenden Bilderschrift. Hierüber
werden uns die weiteren Forschungen im Gebiete der aegyptischen Archäologie ohne Zweifel noch vielen Aufschluss geben.

F. Kugler.
 
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