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Gailhabaud, Jules; Kugler, Franz [Hrsg.]
Jules Gailhabaud's Denkmäler der Baukunst (Band 1): Denkmäler aus alter Zeit — 1852

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https://doi.org/10.11588/diglit.3501#0224

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Das choragische Monument des Lysikrates zu Athen.

wenigstens in der Masse angelegt,

Stufen; er selber bestellt aus vier oder — rechnet man das krönende Gesims mit — aus fünf Schichten
von Kalksteinquadern, die an den Kanten etwas eingezogen sind, was wohl allein einen structiven Grund
nämlich den hat, die Kanten der Quadern selber an den Lagerflächen vor dem Abspringen durch das
Gewicht und den Druck der Massen zu bewahren. Das krönende Gesims des Unterbaues ist sehr einfach,
es besteht aus einer Hängeplatte, die oben von einer Kymation gesäumt wird; unter der Hängeplatte
befindet sich ein lesbisches Kymation. Auf diesem im Grundriss quadraten Unterbau steht nun der im
Grundriss kreisrunde Oberbau aus penthelischem Marmor zunächst auf zwei kreisrunden Stufen, mit denen
oberhalb eine Kehle oder Ablauf durch eine Spira gekuppelt ist. Auf diesem Stylobat erhebt sich nun
die Säulenstellung, die aus sechs korinthischen Säulen mit attischer Basis besteht; die Canneluren der
Säulenschäfte gehen oben am Ablauf eigenthümlicher Weise in Blätter über. Die Stege der Canneluren
werden oben am Ende des Säulenschafts zu den Mittelrippen dieser etwas nach aussen sich überneigenden
Blättern: eine Hinweisung darauf, dass die Verzierung des Säulenschaftes, die Cannelirung (gußdaiaig,
striatura) ihr Analogon in der Pflanzennatur, in dem geriefelten, markerfüllten Stengel der Silphien fand.
Es folgt nun nach dieser Beendung des Säulenschaftes das Capitell, das zierlichste und schönste, das
wir von korinthischer Art besitzen. Möglich dass dasselbe wie Stuart vermuthet, durch ein bronzenes
Astragal mit dem Säulenschafte verbunden war, das aber hier vielleicht auch fehlte, da das Säulencapitell
hier organisch aus dem Säulenschafte gleichsam emporsprosst. Die Doppelreihe der Akanthusblätter, die
sich hier nur auf einerlei Höhe erheben, wächst aus einem Kelche sanft übergeneigter schilfartiger Blätter
hervor, darüber erheben sich die spiralisch gewundenen Ranken, die sich zum Theil von dem Krater des
Capitells ablösen und frei vorspringend den geschweiften, an den Ecken abgestumpften Abacus des Capi-
tells unterstützen. Auch an der inneren unsichtbar bleibenden Seite des Denkmals sind diese Capitelle

wofür wir keinen Grund auffinden können. Die Intercolumnien sind

in der Höhe der Säulen-

capitelle befindet sich auf diesen Tafeln jene schon oben erwähnte Reihe sculpirter Dreifüsse. Auf der
Säulenstellung ruht das Gebälk; es ist ein ionisches, was uns nicht verwundern darf, da ja die korinthische
Bauordnung nur ein Complex aus dorischer und ionischer ist;*) das Epistyl ist in drei Streifen oder Gurte
(corsae, fasciae) von gleicher Höhe getheilt, auf denen sich die oben mitgetheilte Inschrift eingegraben
findet; es ist mit einem lesbischen Kymation nebst Astragal und Platte über dem ersteren gesäumt. Der
sogenannte Fries (ßia^wiia, zophorus) stellt in Relief jenes Abentheuer des Bacchus und seiner Begleiter
bei den tyrrhenischen Seeräubern dar, deren Trotz und Widerspenstigkeit mit ihrer Verwandelung in
Delphine von dem Gotte bestraft wird. Das Kranzgesims zeigt den sogenannten Zahnschnitt; unter ihm
befindet sich eine Welle mit Astragal, über ihm seltener Weise ein Kranz oder der sogenannte Karnis, der
wiederum von einer lesbischen Welle gesäumt wird; es folgt dann die Hängeplatte (yeZoov, Corona), die
über ihrem Kymation und der darüber liegenden Platte einen Kranz von Fächerblumen oder Palmetten
trägt. Da die Dachfläche des Denkmals nur klein und das von derselben abfliessende Regenwasser
wahrscheinlich für zu geringe gehalten wurde, um besondere Wasserabflüsse in den weit vorspringenden
Löwenmasken aufzustellen, so fehlen hier letztere. Ueber dem Kranzgesimse folgt nun das Dach, das
wie so viele andere Bauglieder dieses Monumentes aus einem einzigen Marmorstücke gearbeitet ist. Zu-
unterst des Daches befindet sich eine Reihe von Meereswellen, vielleicht um anzudeuten, dass das Dach
die Regendecke des Hauses ist. Das Dach ist scheinbar mit Scliilfblättern schuppenformig gedeckt, und
an drei Stellen desselben entwickeln sich aus Blattkelchen spirale Ranken, die wahrscheinlich mit
den Füssen des Dreifusses in irgend einer Correspondenz standen. In der Mitte und auf dem Gipfel des
Daches erhebt sich nun als Schluss des Ganzen die bedeutende krönende Blume, deren Akanthusblätter-
kelch nach drei Seiten hin Rankenzüge entsendet, die wahrscheinlich nicht, wie man wohl früher angenommen
hat, in ihren oben eingelassenen Vertiefungen die Füsse des Dreifusses aufnahmen, sondern unmittelbar
das Becken des Dreifusses unterstützten, dessen Füsse auf dem Dache selber hinter den vorhin erwähnten

mit Marmortafeln, die in Falze der Säulenschäfte eingreifen, ganz ausgefüllt;

') Vitruv bestätigt dies Hb. IV. c. I, wo er sagt, dass den korinthischen Säulen entweder ein dorisches oder ein ionisches
Gebälk und Kranzgesims aufgelegt werden könne, weil die korinthische Bauweise keine eigene Kunstform dieser Bauglieder
besitze („Cetera membra, quae supra columnas imponuntur, aut e Doricis symmetriis aut lonicis moribus in Corinthiis
columnis collocantur: quod ipsum Corinthium genns propriam coronarum reliquorumque ornamentorum non habuerat insti-
tutionem, sed aut e triglyphorum rationibus mutuli in coronis et in epistyliis guttae Dorico more disponuntur, aut ex
lonicis institutis zophori scalpturis ornati cum denticulis et coronis distribuuntur. Ita e generibus duobus, capitulo inter-
posito, tertium genus in operibus est procreatum.") L. L.
 
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