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Die Gartenkunst — 12.1910

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Schneider, Camillo: Über japanische Gartenkunst, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.22776#0016

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8

DIE GARTENKUNST.

XII, 1

steht Shin, der verfeinerte, mehr durch-
gearbeitete, von alten Schriften und Tra-
ditionen abhängige Stil."

Durch eingehendes Studium der natür-
lichen Vorbilder erwirbt sich der japanische
Gartengestalter eine ungemein weitgehende
Übung in einer wesensgetreuen Wieder-
gabe der Naturmotive. Er wird, wie Mayr
ausdrücklich hervorhebt, niemals Pflanzen
zusammenbringen, die in der Natur nicht
zusammen vorkommen, die, um mich ganz
zeitgemäß auszudrücken, biologisch nicht
zusammengehören.

Allein bei der Verwertung der natür-
lichen Vorwürfe im Garten und bei dessen
ganzer Konzeption und Komposition spie-
len eben dann ästhetische Anschauungen
mit hinein, die rein japanisch, mithin uns
Westeuropäern fremd sind. „Wherever
possible", sagt Conder, „they (d. h. die
japanischen Gartenszenerien) are made
suggestive of famous natural views cele-
brated in poetry and romance." Und er
wiederholt weiterhin: „The important arti-
ficial features in a Japanese landscape gar-
den have descriptive names suggestive of
historical or romantic connections, and
their accessories and surroundings are such
as to contribute to the fancy expressed.
A river bridge will have its neighbouring
maple trees or iris beds to convey a hint
of the river scenery at Tatsuta or Yatsu-
hashi (bemerkenswerte Plätze in Japan),
and a damp of pine or cryptomeria trees
close to a garden monument or shrine,
will suggest some sacred temple grove
familiär to the people. The figurative
names applied both to struetures an to na-
tural objects import a further charm,
making the garden at once a picture and
Ansicht aus M. Yasudas Teehausgarten auf der L L. A. in Frankfurt a. M. a poem".

Standpunkt 7. Auch Mayr schildert sehr hübsch die

spezielle Art der Naturauffassung des Japa-
Wjrkung ausüben. Doch sind diese Eindrücke wieder ners und die daraus sich ergebenden eigenartigen Ge-
ganz abhängig von der inneren Anlage des Beschauers, staltungsweisen von Gartenszenerien. Es liegt nicht in
Auf eine sanguinische, eine phlegmatische, eine leicht er- meiner Absicht und würde obendrein nur eine Wieder-
regbare, eine träumerische Natur werden die Eindrücke holung dessen bedeuten, was Mayr und Conder so gut
einer Szenerie in der freien Natur ganz verschieden- sagen, näher auf diese einzelnen Momente der japani-
artige, vielleicht sogar ganz entgegengesetzte Wirkungen sehen Gartenkunst einzugehen. Ich wollte nur erkennen
hervorbringen. Es ist daher weitere Pflicht des Garten- lassen, woraus sich die Prinzipien derselben herleiten:
künstlers, auch seinen Herrn zu studieren." ,,Da die aus Naturerkennen und im Laufe einer langen Ent-
Bilder der Natur in den Garten übertragen werden wickelung eigenartig ausgebildetem Kunstempfinden,
sollen, so zieht der Gartenkünstler schon während Wir sehen, der Japaner achtet ungemein die Eigen-

seiner Lehrjahre im Lande umher, um den Baumschlag heiten des Naturvorbildes, hinwiederum aber zeigt er
zu studieren, Felsblöcke, Berge, Täler, Flüsse und sich doch als Herrscher in der ganzen Art, wie er die
Seen zu zeichnen. Innerhalb des Raumes seiner Skizze Vorbilder seinem Wollen und Empfinden dienstbar
darf er auch bei der Anlage der Gartenszeneric frei macht. (Schluß folgt.)

sich bewegen. Dieser Stil heißt So; ihm gegenüber
 
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