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Die Gartenkunst — 12.1910

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Berg, Max: Die Wohnstadt
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https://doi.org/10.11588/diglit.22776#0071

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XII, 4

DIE GARTENKUNST.

63

aufgäbe der Großstadthygiene bilden,
so muß heute hinzukommen als
schwierigste hygienische Aufgabe die
Entfernung der gasigen Abfallstoffe,
die Verbesserung der Luft. Man könnte
sich denken, daß die Rauchgase in
ähnlicher Weise, wie die festflüssigen
Abfallstoffe durch Kanäle abgeführt,
zusammen gefaßt und unschädlich ge-
macht werden. Man könnte sich den-
ken, daß für die Erzeugung von
Wärme lediglich elektrische Kraft ver-
wendet wird. Die völlige Beseitigung
der gasigen Abfallstoffe ist jedoch Auf-
gabe der Zukunft. Unsre Zeit kann
lediglich auf eine Milderung hinarbei-
ten. Diese erstrebt wenige große und
viele kleine Mittel, so u. a. das Ver-
bot der Anlage von industriellen Un-
ternehmungen in den Städten, ihre
Zulassung nur in entfernter Lage und
die dauernde strenge Kontrolle sämt-
licher Eeuerungen.

Die weitere und wichtigere Auf-
gabe der Luftverbesserung liegt je-
doch rein auf städtebaulichem Gebiet
in der Behandlung des die Großstädte
umgebenden noch nicht bebauten Ge-
ländes Es ist nötig große Flä- Villa La Gamberaia (Principessa Ghyka) bei Settignano vor Florenz,
eben'von der Bebauung frei- Wasser- und Blumengarten,
zuhalten. Das hat in verschie-
dener Weise zu geschehen, insbesondere durch Schonung Tiergarten zu bebauen trotz seines großen Wertes als Bau-
de r Wälder. stelle? Was der Tiergarten für die vergangene Generation

Die in der Nähe der Großstadt liegenden Wal. war, das sind die Wälder für die heutigen und in noch höherem
düngen sind ganz oder mindestens zum größten Grade für die zukünftigen Geschlechter.

Teil von der Bebauung auszuschließen durch ein Die Verbesserung der Luftverhältnisse wird

Wa 1 d sc hu tzge s e t z. weiter erreicht dadurch, daß die bebauten Teile

In Wien ist der Anfang dazu gemacht. Die Schonung vollständig mit Grünanlagen zu durchdringen sind,
der Wälder in der Nähe der Großstädte als deren „Lungen" Als lebenspendende Adern sind sie netzartig in einer durch-
ist wichtiger für die Allgemeinheit denn ihr fiskalischer Wert schnittlichen Breite von 200-jooo Metern in den Plan größten-
als Baustellen. Wer würde heute noch daran denken, den teils so einzufügen, daß sie unter sich und mit den Waldungen

in Verbindung sind. Vorhandene Wald-
oder Gehölzbestände, Wiesengründe,
Wasserläufe und dergleichen wird man
für diese Anlagen möglichst heranziehen.
So durchdringt und umschließt
zugleich Vegetation die Wohnstadt.

Diese Grünanlagen haben neben der
Erhöhung der Annehmlichkeit des Woh-
nens und neben der Luftverbesserung
aber vor allem auch noch den Zweck,
ohne Überwindung großer Entfernungen,
also ohne Geld- und Zeitaufwand für
Jugend und Alter Gelegenheit zu schaffen
zur körperlichen Bewegung in
frischer Luft. Denn diese ist das einzig
mögliche Gegengewicht gegen die schä-
digenden Einflüsse des dauernden Auf-
enthalts in geschlossenen Räumen.

Indessen sollen die Grünanlagen nicht
nur dienen zu Spaziergängen und sport-
licher Betätigung, Spielplätzen, Luft-
bädern und Schwimmbädern. Sie sind
darüberhinaus die Stätten, an
denen dieSchulen. die Kranken-
häuser, Siechenhäuser, Armen-
häuser u. a. anzulegen sind. Sie
sollen das Ideal der „Waldschule" für die
Großstadt im allgemeinen ermöglichen.
Sic sind außerdem auch deshalb um-
Villa La Gamberaia (Principessa Ghyka) bei Settignano vor Florenz. fangreich anzunehmen, weil Teile von
 
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