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Die Gartenkunst — 12.1910

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Schubert, Wilhelm: Geometrische und räumliche Gärten
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https://doi.org/10.11588/diglit.22776#0081

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XII, 5 DIE GARTENKUNST. 73

kleinen, ganz unregelmäßig gebil-
deten Hausterrasse aufsetzt; in sei-
nen luftigen Formen ein Kabinett-
stück kecker Renaissance-Archi-
tektur.

Und da wir in Heidelberg waren,

erhaltenen Garten der spätklassi- Rp *^^M^M^SSaff^^^ä^^^^^H^^^^aSB^BS^^f^
sehen Zeit, S c h \v e t z i n ge n. I n | W^^KSB^^SSS^^^^^mml^^^^amm^^^^^^4

großes „Rondell'1 von ungeheueren | - .. r^H|J|HßP^2l|

Dimensionen, gänzlich mit Zirkel jjBPlWfBBpMi^'SBh'r)M0^S^^^^^^^tri^!¥m^^t^^twIlßm^tK^

und Winkel gestaltet und geteilt, r^ß^^S^^lf^^^^^^^^'' llK-:':l':.;'lYäip^P^jg^p^BBB
eine offenbar ganz „geometrische" ■»->.. '^jS ' «£iOTl*^^^§S«s3

Anlage (Seite 74 unten). Aber wie fSi0^ISS-^i'&iS9BS^^'^^^^^^itM' * "*V»lr ' ^SBBEbSBh^BeMSK^
erstaunt man, wenn man, in den tjß^^^ ]^^^^gK^^^^^"'--^j^:-^Y^-- - ' *^HPPMMHpQ|H

Garten eintretend, nichts von Gco- "~ _^mP^T'-f|ffl

metrieund Zirkelschlag wahrnimmt. - ^IfwOIoKl^zlrfc ^Wy^^**iriCTgfi^

je zwei Linden - Alleen . welch. jftj^^BraHPMSaSfijiSiiMsK^m^^äsS^^ ^"w^T^^^SS^^U

den Kreis des Rondells als Sehnen

der Länge und Quere nach durch- ^Eß^SB^^S^SäSS^^ü^^^SS^k^ BE^g^g^gjflHH'

ziehen und im Plane nur durch WKBffS^a^uj^^S^S^gm

ebenso viel Reihen von Punkten

dargestellt sind, haben das Raum- A,te Ansicht des Hellberger Schlosses nach Hollar.

bild gänzlich verändert. In der

Länge ist eine wundervoll tiefe Perspektive entstanden, strengen, sachgemäßen Geist unserer Zeit nicht mehr
die als breiter, sonniger, blumengesäumter Rasen vorne anmutend; aber da sie, in der Fläche bleibend, dem
beginnend, sich gegen den Wald winkelförmig ein- Sinne der Anlage gemäß sind, stören sie wenigstens
schnürt und abgeschlossen wird ganz fern von einem nicht. Nun kam unsere spätere Zeit und pflanzte
großen, blauen Berg des Odenwaldes. In der Quere, längs aller Wege in rhythmischen Abständen Gruppen
zwischen den Lindenalleen, sind vier halbschattige Rasen von Hochstammrosen, niedrige Rosen, kegelförmig auf-
entstanden , die Gelegenheit geben zur Aufstellung gehöhte Blumenbeete, zierlich aufgestutzte Taxusbüsche,
graziöser Ornament-Skulpturen. Die Winkel aber, Und siehe, der geometrische Garten war da. Die
zwischen den Kreisbögen und den Lindenalleen, sind überall aufschießenden zweigigen Gewächse und auf-
zu räumlich abgeschlossenen Fliedergärten geworden, gehöhten Farbenkleckse zerreißen die Fläche in lauter
Und nichts ist herrlicher als ihre violette Frühlingspracht, einzelne, zusammenhanglose Atome. Die Taxusbüsche
wie sie gegen das junge Grün der Linden absteht. inmitten der Anlage konkurrieren als Senkrechte mit

In allen diesen Fällen offenbart sich also gewisser- den Bildwerken, vernichten die ruhige Wirkung der
maßen als vornehmstes Prinzip der Gestaltung ein abgrenzenden Skulpturen-Reihen und lassen den vorher
bewußtes Erarbeiten von räumlicher Wirkung, so klar bezeichneten Mittelpunkt verschwimmen. Aber
Die geometrische Planung wird zur Aufteilung und
soweit sie zur Raumbildung brauchbar ist, benutzt.
Treten andere Motive statt ihrer „raumbildend" hinzu,
wird sie, wie Schloß Baden zeigt, leichten Sinnes über
Bord geworfen.

Es war recht eigentlich erst dem Jahrhundert des
„natürlichen" Gartenstils beschieden, „geometrische"
Anlagen zu schaffen. Ich denke an das große Parterre
im Garten von Herren hausen als an ein krasses
Beispiel. Hier hatten die Alten eine große Fläche
gewollt, die einerseits gegen das Schloß und die
flankierenden Baumalleen, andererseits gegen die Haine
und Hecken des,hinteren Gartens abstehen sollte. Sie
hatten den vorderen und hinteren Abschluß der Fläche
durch je eine Reihe von Skulpturen gezeichnet, den
Mittelpunkt durch ein figurengeschmücktes Wasser-
becken betont und die ganze Fläche, die offenbar als
Blumenrasen gedacht war, durch wunderlich verwirrte
Rokkoko-Linien aufgeteilt. Diese Linien sind dem

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