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Die Gartenkunst — 12.1910

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Schubert, Wilhelm: Geometrische und räumliche Gärten
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https://doi.org/10.11588/diglit.22776#0082

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74

DIE GARTENKUNST.

XII, 5

wenn man die Wege entlang geht, hat man
immerfort das sichere Gefühl des rechnenden,
zirkelnden, abteilenden Menschengeistes, was
doch das Kennzeichen des „geometrischen"
Gartenstiles sein soll, und wer das mag, den
soll es trösten über den schmerzlichen Verlust
der Raumwirkung. (Siehe Abbildungen Seite 75.)

Die meisten unserer neuen Prunk- und
Schaugärten, Teppichrasen und Blumenanlagen
sind in diesem üblen Sinne geometrische Gärten.
Und keine handwerkliche Tüchtigkeit, keine
Pflege, keine Gewandtheit im Aufbau von Beeten
kann mit dem Mangel an räumlicher Kompo-
sition versöhnen. Die Schaupflanzen, Einzel-
bäume, Blumenkübel, Teppichbeete stehen wie
Ztmmermöbel in der Auktionsbude; und solch
ein wahllos aufgeputzter Schmuckrasen ist nur
zu vergleichen mit einem modernen Stadtplatz,
um den sich die Monumcntalgebäude zusammen-
hanglos und kommoden-ähnlich aufbauen.

Ich halte es für ein glückverheißendes
Zeichen, daß viele Versuche, die. heute zur Auf-
frischung und Erneuerung der Gartenkunst unter-
nommen werden, wieder bewußt dahin streben,
Raumwirkung im Garten zu erarbeiten. Alles
Aufnehmen und Wiederholen von Motiven der
Biedermaierzeit, wie es z. B. Schultze-Naumburg
empfiehlt, erscheint mir dagegen nebensächlich,
und wirkt häufig sogar schädlich. Die Arbeiten
unseres stärksten modernen Talentes, Friedrich
Bauers, liegen ganz im Sinne bewußter Raum
gcstaltung. Mag es die große Perspektive auf
den Rosenhügel in Worms sein, oder der Kreuz-
berg in Hameln, oder die „landschaftliche"
Friedhofswiese in Mannheim, alle diese Lö-
sungen führen zum selben Ziel, Räume zu bilden.
Und Bauers letzte Tat, der Schillerhügel von
Berlin, ist die kühnste solcher Gestaltungen.

Vom baumumschlossenen Spiel-
platz um ein weniges erhoben,
liegt der Blumengarten gegen
die festungsmäßig hohe Stütz-
mauer des Hügels — man denkt
an Heidelberg. Und hoch oben
neigen sich Kastanienbäume
über das Brüstungsgemäuer.

Mir wurde diese Arbeit noch
bemerkenswert, da ich einen
Garten aus alter Zeit kenne,
welcher mit ganz anderen Mit-
teln und zu ganz anderer Be-
deutungdenselben Aufbau trägt.
Es handelt sich um ein weltab-
geschiedenes Schloß in der Mark
Brandenburg. Von der Renais-
sance-Zeit her hatten Genera-
tionen kunstliebendcr Herren
an Schloß und Garten gebaut,

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