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Die Gartenkunst — 12.1910

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Weiland, Paul: Italienische Renaissance-Gärten, [4]: Der Boboli Garten
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https://doi.org/10.11588/diglit.22776#0088

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80

DIE GARTENKUNST.

XII, 5

geschorenen Lorbeerhecken; weiße Marmorgötter stehen
in dem dunklen Grün, und ein zierliches Aussichts-
häuschen ist dort, von dem man einen Blick hat über
Florenz mit seiner herben, steil aufragenden Dom-
kuppel und Giottos Glockenturm, mit dem schlankeren
zinnenbewehrten Turme des Stadthauses mit seinem
Glockenaufsatz.

Anders empfindet der Italiener die Natur als der
Deutsche; und wo dieser gerne das Andersartige in
sich aufnimmt aus weiten Räumen, in denen die Natur
unabhängig von menschlicher Arbeit ihr Wesen entfaltet

was ernstlich mit dem Boboli verglichen werden könnte;
denn die Fürsten, die früher Parks angelegt haben,
waren in ihrem Geschmack von französchen Vorbildern
abhängig, und in den Kreisen, die heute die zu großen
Anlagen erforderlichen Mittel besitzen, hat sich noch
kein notwendiger Geschmack herausgebildet, sondern
es herrscht dort ein zufälliger Eklektizimus. Ein klarer
Ausdruck eigenen Wesens findet sich einstweilen nur
unter dem kleinen und mittleren Bürgertum der kleineren
Städte, wo wiederum ein anderer Zweck auch einen
anderen Charakter der Gartenanlage bedingt. Im all-

und eigenwillige Formen gebildet hat, und sie dafür
mit seiner Stimmung beschenkt, liebt jener das Ge-
schlossene und Begrenzte, in dem der Menschenwille
auch die willkürlichen Formen der Natur in seine Zwecke
eingeordnet hat.

Man pflegt bei uns aus dem überkommenen Ge-
schmack einer romantisch empfindenden Vergangenheit
heraus leichtlich über die Gartenkunst der romanischen
Völker abzusprechen, die aus solcher Veranlagung ent-
standen ist; wie man ja auch ganz allgemein kein Ver-
hältnis zu der klassischen Lyrik der Italiener zu ge-
winnen vermag, in der nicht die schweifende Empfin-
dung, sondern Leidenschaft und Wille in künstlerischer
Form gebändigt dastehen.

Aus Ursachen, die mit dem Gegenstand nur lose
zusammenhängen, besitzen wir in Deutschland weniges,

gemeinen aber läßt sich so viel sagen: Der Deutsche
will ein Stück Natur bei sich haben, das so weit frei
geblieben ist, daß er zu ihren Formen ein zwar ge-
mildertes, im Wesen aber gleiches Verhältnis haben
kann, wie zu der ungepflegten Natur draußen vor den
Toren, und nur so weit geformt und umgewandelt,
daß sie zum behaglichen Aufenthalt sich schickt.

Am ehesten möchte ich hier noch an den Park in
Weimar denken. Lang hingestreckt liegt er in der
feuchten Niederung der Ilm, deren Ausdünstung vor
allen Farben einen bläulichen Duft ausspannt, und
weich und unbestimmt erscheinen Umriß und Zeich-
nung in dem gedämpften Lichte.

In weitläufigen Hochwald eingeschlossen liegen
Wiesenflächen mit einzelnen Baumgruppen, und Wege
gehen ungezwungen in großen Windungen zur Rechten
 
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